Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Autor*in
Silvey, Craig
ISBN
978-3-499-21613-8
Übersetzer*in
Münch, Bettina
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
416
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2012
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

Ein schwüler, heißer Sommer brütet über der Kleinstadt Corrigan. In diesem Ort entwirft Craig Silvey einen Jugendroman, in dem er nichts auslässt: Die erste Liebe ist hier genauso zu finden, wie ein Vater, der seine Tochter jahrelang vergewaltigt und missbraucht. Brutalste Misshandlungen eines US-amerikanischen Mädchens holt Craig Silvey über einen alten Zeitungsbericht in die Gegenwart. Ebenso gibt es Mord und Selbstmord, und gewaltvolle Übergriffe aus rassistischen Gründen.

Beurteilungstext

Aber auch die Liebe zur Literatur und das Cricket-Spiel prägen diesen Roman.



Erst in der zweiten Hälft des Romans zeigt sich sein eigentliches, sehr bedenkliches Hauptmotiv: Die sexuelle Gewalt gegen junge Mädchen. Sie wird teilweise sehr detailliert beschrieben und endet in Morden, was den positiven Eindruck dieses Buches deutlich schmälert. Es ist fraglich, ob junge Menschen mit diesem Thema in dem vorliegenden Umfang konfrontiert werden sollten, zumal Craig Silvey diese Gewalt über zwei Ebenen in die Handlung hineinfließen lässt: Charly informiert sich aus alten Zeitungsartikeln über die Misshandlungen und Vergewaltigungen eines Mädchens, die letztendlich ermordet wird. Hier sind detailgenaue Schilderungen zu lesen. Von Eliza erfährt Charly, dass Elizas Schwester jahrelang von ihrem Vater, dem Bürgermeister, geschlagen und vergewaltigt wurde. Dieses Verbrechen bleibt unbestraft, als wäre es allgemein toleriert.

Eine Aufarbeitung dieses Themas erfolgt nur im Rahmen von Charlys Reflexionen. Das ist zu wenig, es fehlen Dialoge mit Erwachsenen. Es werden keine Wege aufgewiesen, wie dieser Gewalttätigkeit Einhalt geboten werden kann. Insgesamt entsteht der Eindruck, sexuelle Gewalt gegen Mädchen wäre in der Gesellschaft allenthalben anzutreffen und müsse geduldet werden. Ein Aspekt der Sanktionierung der Täter als Verbrecher fehlt. Institutionen und Menschen, die betroffenen Mädchen Hilfe anbieten, treten nicht in Erscheinung. Diese Diskrepanz zwischen dem Stellenwert der Gewalt in diesem Roman und die fehlende Betrachtung aus dem Blickwinkel der Gesamtgesellschaft stellt meines Erachtens eine Überforderung junger Leser dar.

Etwas anders sieht es mit der rassistischen Gewalt aus, die Randalierer gegen die vietnamesische Familie Lu ausüben. Deren Garten wird zerstört. Die Menschen der Nachbarschaft, allen voran Charlys Vater, formieren sich sofort und schlagen die Aggressoren in die Flucht. Die Zerstörung von An Lus Garten können sie jedoch nicht verhindern. Allerdings spenden sie neue Pflanzen für den Wiederaufbau, eine liebenswerte Geste. Hier wird die Zivilcourage gezeigt, die in anderen Situationen dieses Romans vermisst wird.

Eine Stärke des Buches liegt eindeutig in der plastischen Zeichnung der Charaktere. Die facettenreichen und unverwechselbaren Personen handeln stimmig. Klischees werden dabei vermieden. Detailreich werden die Persönlichkeiten der einzelnen Protagonisten betrachtet. Charly entwickelt sich zu einem sehr nachdenklichen Jungen, der Situationen realistisch einschätzt und die Motive der Personen seiner Umgebung ausführlich und treffend analysiert.

Charlys stark ausgeprägtes Reflexionsvermögen und sein kreativer Umgang mit der US-amerikanischen Literatur zeigen sich als Stärken, die er entwickelt hat. Er vergleicht die Handlungsmotive seiner Freunde und Bekannten mit denen der Helden in seinen Büchern. Hier kommt er oft zu überraschenden Ergebnissen. Da ihm erwachsene Gesprächspartner fehlen, findet Charly außer im Lesen keine Möglichkeit, bezüglich der sexuellen Gewalt tatsächlich sinnvoll zu handeln und hilfreich tätig zu werden.

Jeffrey Lu hingegen verkörpert die reine Lebensfreude: Er lebt für Cricket und tut alles, um in seiner Mannschaft mitzuspielen. Dass er aus rassistischen Motiven von seinen Mitspielern gemobbt wird, ignoriert er. Es scheint, als leide Charly mehr darunter als er selbst.

Zum Ende zeigt sich ein logischer Fehler im Handlungsverlauf. Laura und Jasper Jones sind ein (heimliches) Liebespaar, sie wollen gemeinsam Corrigan verlassen. Als Jasper für zwei Wochen in einen anderen Ort zieht, um dort Geld zu verdienen, erfährt Laura davon nichts. In ihrem Missverständnis, Jasper hätte sie verlassen, begeht sie Selbstmord. Das erscheint unerklärlich, da sie als Liebespaar in ständigem Kontakt miteinander stehen.

Das Buch lässt sich flüssig lesen, es ist spannend geschrieben und so mancher aus rassistischen Motiven Handelnder bekommt sein Fett weg. Richtig so! Davon hätte es gern mehr sein dürfen.


Personenverzeichnis:

Charly Bucktin erzählt von dem heißen Sommer, in dem er die Liebe kennen lernte und erwachsen wurde. Seine Analysen bringen Licht in die dunklen Verwicklungen der verschlafenen Kleinstadt. Er ist die Hauptperson des Romans.

Charlys Mutter, eine begnadete Kartenspielerin. Sie fühlt sich in der Kleinstadt Corrigan sehr beengt und ist daher unzufrieden. Diese Unzufriedenheit lässt sie an Charly aus: Sie schikaniert ihn und steht ihm in seinen Bedrängnissen nicht zur Seite.

Charlys Vater hat ein Geheimnis und ist Literaturfan und Englischlehrer. Er bringt Charly die Literatur nahe, sie ist der wichtigste Gesprächsgegenstand der beiden.

Jasper Jones, ein hervorragender Football-Spieler, der von seinen Sportkameraden widerwillig respektiert wird. Er hält sich eher im Hintergrund, ist aber der Dreh- und Angelpunkt in Charlys Gedanken.

Mad Jack Lionel versteckt sich in seinem verwilderten Garten. Er hütet ein gruseliges Geheimnis und gilt als verrückt und gefährlich.

Jeffrey Lu, Charlys bester Freund, ein Vietnamese. Er und Charly sind die besten Schüler in ihrer Klasse, gelten als Streber und sind daher nicht sehr beliebt. Jeffrey ist ein begnadeter Cricket-Spieler, der wegen seiner vietnamesischen Herkunft in der Mannschaft nicht anerkannt ist und nicht zum Zuge kommt, die Anfeindungen seiner Mitspieler prallen an ihm ab.

Eliza Wishart wird Charlys erste Liebe.

Warwick Trent, ein Haudegen übelster Sorte, das Großmaul auf dem Schulhof. Er war in mehr Kämpfe verwickelt als sonst wer und hat die meisten Pfirsiche aus Mad Jack Lionels Garten gestohlen. Es ist Zeit, dass er in seine Schranken verwiesen wird.

Jeffreys Vater, An Lu hat den schönsten Garten in der Straße.

Nachbarn helfen An Lu, den Garten nach einer Verwüstung wieder aufzubauen.

Mrs. Harvey, die Bibliothekarin, unterstützt Charly, der in alten Zeitungen nach Berichten über Misshandlungen und Tötungen junger Mädchen forscht.

Eine Mutter betrügt ihren Ehemann und wird von ihrem Sohn beobachtet, wie sie sich mit einem fremden Mann im Auto vergnügt.

Ein Vater schlägt und vergewaltigt jahrelang seine Tochter und keiner unternimmt etwas.


Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SuS.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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