Vorsicht, frisch geschieden!

Schlagwörter

• Angst
• Familie
• Streit/Konflikt

Teaser

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 142.800 Ehen geschieden und 120.000 Kinder und Jugendliche waren von Scheidung betroffen. Grund genug für die Autorin Frauke Angel, den Vorschlag des Klett-Verlages aufzugreifen und einen Scheidungsratgeber für Kinder zu schreiben. Dass dies nur gelingen kann, wenn man betroffene Kinder selbst zu Wort kommen lässt, stand für die Autorin von Anfang an fest. Sie besuchte über mehrere Wochen unterschiedliche Schulkassen, um mit betroffenen Kindern ins Gespräch zu kommen und sich unterschiedlichste Scheidungsgeschichten erzählen zu lassen. Entstanden ist ein Buch von Kindern für Kinder, das das Thema Scheidung einfühlsam und zugleich unterhaltsam aufarbeitet.

Beurteilungstext

Frauke Angels „Vorsicht frisch geschieden!“ beginnt mit einem Vorwort, in dem die Leser:innen direkt angesprochen werden. Die Autorin stellt sich selbst als zweifaches Scheidungskind vor und übergibt das Wort an den fingierten „Club der geschiedenen Leute“, zu dem neben Clubchefin Fanny, auch Lovis, Meti, Karl, Aylin und einige weitere Personen gehören. Die direkte Ansprache hat den Vorteil, dass man sich als Lesende:r sofort in den Club aufgenommen fühlt und mit den eigenen (Scheidungs-)Sorgen endlich nicht mehr allein ist. In den folgenden drei Kapiteln geht es um die Zeit vor der Scheidung, die Scheidung selbst und die Zeit nach der Scheidung.

Geschickt eingeflochten in die Sachinformationen zum Thema „Heirat“ erzählen die Clubmitglieder im 1. Kapitel unterschiedlichste Dinge über die Hochzeit ihrer Eltern. Sie berichten über die „guten Tage“ und ihre Erinnerungen an verliebte Eltern und schöne Familienerlebnisse und von den „schlechten Tagen,“ an denen Streit und lautstarke Auseinandersetzungen zwischen den Eltern plötzlich den Alltag bestimmten. Die „Top-Ten der Scheidungsgründe“ lockern den Text ebenso auf wie eine Sammlung an Funfacts. Unter der Überschrift „Echt jetzt? Echt!“ erfährt man hier z.B., dass die kürzeste Eheschließung in Deutschland nur 9 Stunden dauerte und dass ein Amerikaner, der 29 Mal verheiratet war, den Weltrekord an Eheschließungen hält.

Im Folgekapitel „Scheidung“ werden wichtige Begriff wie „Trennungsjahr“ und unterschiedliche Betreuungsmodelle für die Zeit nach der Trennung kindgerecht erörtert. Es geht um Rechte und Pflichten von Eltern und Kindern, um Sorgerechtsfragen und „Kindeswohl“ und darum, was genau auf dem Amtsgericht passiert, wenn die Eltern sich scheiden lassen. Dass hier nicht etwa die Eheurkunde oder gar die Ringe zerschnitten werden, klärt sich durch die Erfahrungsberichte der Clubmitglieder.

Auch wenn nach der Scheidung die schlimmste Zeit eigentlich vorbei ist, geht es im dritten Kapitel des Ratgebers noch einmal um das Gefühlschaos, das jede Scheidung für alle Beteiligten mit sich bringt. Illustratorisch geschickt umgesetzt ist dies im Buch durch das Bild einer Gefühlsachterbahn, an der sich nicht nur ablesen lässt, an welcher Stelle der wilden Fahrt man sich gerade befindet, sondern auch, dass Gefühle wie Schmerz, Angst, Trauer, Wut, Mut, Vertrauen usw. zusammenhängen - eine sehr eingängige und aussagestarke Verbildlichung. Sie erinnert, wie auch die anderen überwiegend kleinen, teilweise vignettenartigen Abbildungen im Buch, an Buntstiftzeichnungen, wie Leser:innen dieser Altersgruppe sie selber zeichnen, um sich mitzuteilen oder eigene Texte zu bebildern.

Die Textgestaltung ist abwechslungsreich und ermöglicht eine gute Orientierung im Buch. Wichtige Fachbegriffe im Text sind fettgedruckt, die Erfahrungsberichte der Clubmitglieder am Kursivdruck zu erkennen. Es ist möglich, das Buch wie eine spannende Geschichte von vorn bis hinten zu lesen oder gezielt nach Informationen zu suchen. Wer Informationen zu bestimmten Inhalten oder Hilfe braucht, kann zu Ende des Buches außerdem wichtige Stichwörter oder Adressen nachschlagen.

Insgesamt ist der Autorin und ihren Clubmitgliedern mit dem "Survival-Buch für Trennungskinder" - so der Untertitel - ein sehr authentisches Buch gelungen, das Probleme ohne Tabus offen anspricht, die Sorgen und Nöte der Kinder ernst nimmt, aber auch stärkt und Mut macht. „Du bist nicht schuld – und auch nicht allein“ ist die Kernbotschaft, die gekonnt übermittelt wird.