Unsere Zukunft flirrt am Horizont

Autor*in
Popescu, Adriana
ISBN
978-3-570-31476-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
544
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Jugendlichen Lia, Simon und Marcin lernen sich in einem Seniorenheim kennen, in dem sie Sozialstunden ableisten müssen, weil sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Zunächst stehen sich die drei sehr abweisend gegenüber und alle sind bestrebt, ihr Geheimnis über ihr Vergehen zu hüten. Doch nicht nur ihre Schuld belastet sie stark. Lia, Simon und Marcin befinden sich dazu in einer Lebenssituation, die von zu großer Verantwortung für die Familie, Gewalt, Alkoholproblemen oder lieblosen Eltern geprägt ist. Ganz langsam bauen sie eine Freundschaft untereinander auf, die jedoch oft auf eine harte Probe gestellt wird.

Beurteilungstext

Die Autorin A. Popescu widmet sich in ihrem Roman mutig einem Thema, dessen stärkere Beachtung von entsprechenden Stellen häufig eingefordert wird. Es geht um die immense psychische und physische Belastung, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, wenn die Eltern ihrem Erziehungs- und Fürsorgeauftrag nicht gerecht werden. Die Gründe dafür, das erfahren wir in diesem Roman, können vielfältig sein.

Dass dem Leser*in einiges zugemutet wird, macht eine Triggerwarnung auf Seite 4 und ein ausführlicherer Triggerhinweis auf S. 541 deutlich: „In diesem Buch werden Themen wie Alkoholismus, Panikattacken, Trauer, Essstörungen und elterliche Vernachlässigung angesprochen.“

Die umfangreiche Geschichte erstreckt sich in 104 kurzen Kapiteln über 544 Seiten. Die drei Protagonisten Lia, Simon und Marcin, alle drei 17 Jahre alt, treffen unfreiwillig im Seniorenheim „Schattige Pinie“ aufeinander. Sie müssen dort unterschiedlich viele Sozialstunden wegen eines Gesetzesverstoßes ableisten.

Für den Aufbau ihres Jugendromans hat die Autorin eine raffinierte Vorgehensweise gewählt. Jedes Kapitel ist mit einem der drei Namen überschrieben. So weiß der Leser*in, aus wessen Sicht das Geschehen erzählt wird. Durch den ständigen Perspektivwechsel wird so gleich zu Anfang schon eine sich allmählich steigernde Spannung erzeugt. Zunächst geht es vordergründig hauptsächlich um die fast feindliche Abwehrhaltung, die die drei untereinander einnehmen und ihr Bestreben, nur ja nichts Persönliches von sich preiszugeben. Gleichzeitig fließen immer wieder Andeutungen aus dem familiären Lebensumfeld in das Geschehen ein. Die anfängliche Unklarheit über die Schwierigkeiten im Familienleben und Freundeskreis der drei und die Schwere ihres Vergehens wird in kleinen Häppchen aufgelöst.

Der Leser*in erfährt, dass Lias Mutter den plötzlichen Tod ihres Mannes nicht verarbeiten kann und eine Alkoholsucht entwickelt hat. Daraus resultiert für Lia, dass sie nicht nur Verantwortung für ihre jüngere Schwester Hannah übernimmt, sondern auch für große Teile des Familienlebens. Sie muss fünfzig Sozialstunden abarbeiten, weil sie heimlich mit dem Auto ihrer Mutter gefahren ist und dabei eine Art Massenkarambolage verursacht hat.

Simon leidet sehr unter dem Gefühl, von seinen Eltern nicht geliebt zu werden. Sie nehmen ihn nicht richtig wahr und zeigen kein echtes Interesse am Leben ihres Sohnes. Es ist sein Glück, dass er bei seinem besten Freund Richard eine Ersatzfamilie gefunden hat, in der er sich viel aufhalten kann. Er hat zusammen mit Richard ein Feuer auf einem Spielplatz gelegt und dabei ist ein Obdachloser lebensgefährlich verletzt worden.

Marcin lebt allein mit seinem jähzornigen Vater. Seine Mutter hat die Familie verlassen, als er acht Jahre alt war. Er fiebert seinem 18. Geburtstag entgegen, denn dann ist er volljährig und kann endlich weggehen. Er arbeitet aus einem anderen Grund im Seniorenheim als Lia und Simon, doch das offenbart er erst nach einer ganzen Weile.

Der permanente, schnelle Perspektiv- und Ortswechsel erzeugt nicht nur einen großen Spannungsbogen, sondern er lässt die Leser*innen auch tief in die Gefühlswelt der agierenden Protagonisten eintauchen. Sie erfahren z. B. von ihren Träumen, der Sehnsucht nach einer Auszeit aus dem täglichen Stress, nach Geborgenheit und Freiheit. Das schafft viele Identifikationsmöglichkeiten für die jugendlichen Leser*innen.

Es ist eine geschickte Vorgehensweise der Autorin, die familiären Probleme und die Gründe für die Sozialstunden nur sehr allmählich und feinfühlig dosiert offenzulegen. So bleibt die Spannung auf einem hohen Niveau und der Leser*in fiebert dem weiteren Fortgang der Ereignisse entgegen. Es fällt einem schwer, das Buch aus der Hand zu legen.

Die Betroffenheit über die Belastungen, die die drei jungen Leute zu meistern haben, mildert sich etwas für den Leser*in, als sich mit einer stärkeren Offenheit der drei untereinander vorsichtig freundschaftliche Beziehungen entwickeln. Diese sind jedoch wiederum auch mit Problemen behaftet, denn beide Jungen verlieben sich in Lia. Diese fühlt sich jedoch mehr zu Marcin hingezogen als zu Simon.

Dieses Buch ist sicherlich ein Pageturner. Aber der Berg an Problemen, den Lia, Simon und Marcin zu bewältigen haben, hätte nicht noch größer sein dürfen, denn dann hätte darunter die Glaubwürdigkeit der Geschichte gelitten. Der Titel des Romans „Unsere Zukunft flirrt am Horizont“ erscheint auf den ersten Blick nicht besonders aussagekräftig. Aber im Laufe der Ereignisse mehren sich die Anzeichen dafür, dass es für sie Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt.

Anmerkung

Das Buch enthält eine Triggerwarnung.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von MlMs; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 09.09.2023

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