Und zwischen uns eine Mauer

Autor*in
Kolb, Suza
ISBN
978-3-95728-492-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
204
Verlag
Knesebeck
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Ein verwandtschaftlicher Silberhochzeitsbesuch in der DDR? Für die taffe 13-jährige West-Berlinerin Luisa ist das ein wenig erstrebenswertes Sommerferienvergnügen. Aber dann verliebt sie sich dort in den zwei Jahre älteren Uwe. Beide einen die musikalischen Interessen, aber auch ein unbedingter Freiheitsdrang. Ein Unding für die Kontrollorgane der DDR. Ebenso erscheint ein dauerhaftes Zusammensein der Verliebten undenkbar. Ob Uwe deshalb eine „Republikflucht“ in den Westen riskieren sollte?

Beurteilungstext

„Und zwischen uns eine Mauer“ ist die bittersüße Lovestory zweier Teenager vor dem geschichtlichen Hintergrund der im Jahre 1983 noch bestehenden Deutschen Teilung. Da ist die forsche, selbstbewusste Luisa, eine 13-jährige Schülerin aus West-Berlin, die sich mit allenfalls mäßiger Begeisterung statt ins sommerliche Italien gemeinsam mit Tante Pauline aufmacht zur einer Silberhochzeit innerhalb der Verwandtschaft, die noch immer im kleinen DDR-Dorf Posenau wohnt. Es ist nicht ihr erster Besuch dort. Aber diesmal trifft Luisa in Posenau auf den gut aussehenden, zwei Jahre älteren Uwe. Und fühlt, wann immer sie mit dem begeisterten Musiker und kritischen Beobachter des DDR-Systems in Kontakt kommt, prompt Schmetterlinge im Bauch. Die Zeiten der Zweisamkeit sind leider nur äußerst kurz; zumeist sind Familienangehörige oder andere Jugendliche dabei, von denen man zudem nie sicher weiß, ob sie nicht als Stasi-Spitzel fungieren. Die Probleme wegen staatsfeindlicher Verhaltensweisen seitens Luisa und Uwe lassen nicht lange auf sich warten. Die Folgen für die noch junge Beziehung sind fatal – zumindest für eine lange Zeit.
Autorin Suza Kolb hat den Versuch gestartet, das Leben in der DDR, über das Heranwachsende heutzutage kaum noch Bescheid wissen, möglichst anschaulich zu beschreiben. Das Ergebnis ist gut vertretbar. So kann sich beispielsweise jeder, der in den Jahren der Teilung Deutschlands einen Grenzübertritt per Auto oder Bahn erlebt hat, zumeist vor allem an den auf Verunsicherung der Angesprochenen abzielenden, barschen Befehlston und die nicht selten schikanöse Behandlung durch DDR-Grenzer erinnern, verbunden mit ausufernder Bürokratie und penibler Kontrolle.
Was das Leben in der DDR anno 1983 anbetrifft, so ergeht sich die Autorin jedoch in einigen allzu klischeehaften Beschreibungen: jahrzehntelanges Warten auf ein Auto, kaum private Telefonanschlüsse, Anstehen im Konsum auf Verdacht, wenn z.B. Bananen oder Ananas in ohnehin nur unzureichender Menge angeboten werden, keine Kleidungsmode des „Klassenfeindes“, staatlicher Einfluss auf musikalische Präferenzen Jugendlicher, natürlich keine Reisefreiheit etc.. Und selbst der „typische“ Duft der DDR, die Eierschecke oder die allgemeine Begeisterung für Nudismus fehlen nicht. Das stimmt irgendwie alles (zumindest für entsprechende Zeiträume der DDR-Existenz), darf auch im Rahmen literarischer Freiheit so gesagt werden; es sollte aber teils differenzierter betrachtet werden. Das gilt auch für die erwähnte ständige Überwachung und die angeblich daraus resultierende Verängstigung der Bevölkerung durch die Organe der Staatssicherheit, zumal vieles davon auf das alltägliche Leben der DDR-Bürger nicht die beschriebene krasse Wirkung hatte und das tatsächliche, zweifellos gigantische Ausmaß der Kontrollmechanismen erst nach dem Fall des Regimes deutlich wurde. Uwes schnell vereitelter Fluchtversuch mutet vor diesem Hintergrund dennoch reichlich dilettantisch an; selbst in Sachsen (wo das fiktive Posenau verortet wird) dürfte man 1983 schon besser über die nahezu unüberwindliche, bestens gesicherte deutsch-deutsche Grenze Bescheid gewusst haben.
Ungeachtet dessen ist das Buch gut geeignet, Heranwachsenden einen ungefähren Eindruck über die Verhältnisse in der damaligen DDR zu vermitteln. Sinnvoll wäre es, zusätzlich ehemalige DDR-Staatsangehörige als Zeitzeugen zu näheren Einzelheiten befragen zu können, wenn eine derartige Thematik beispielsweise im Schulunterricht behandelt wird.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das gegenseitige Verhältnis von Jugendlichen unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Prägung, das sich u.a. in einer ebenfalls unterschiedlichen Wortwahl ausdrückt, die von der Gegenseite oft anders interpretiert wird oder gänzlich unverstanden bleibt. Ob und wie ein derartiger Konflikt zu lösen ist, wäre eine spannende Fragestellung unter Schülerinnen und Schülern der Mittel- bis Oberstufe.
Hinterfragen ließe sich auch, ob die altersmäßig ziemlich früh angesetzte Liebesbeziehung der beiden Jugendlichen und das jahrelange Warten aufeinander ohne jedweden zwischenzeitlichen Kontakt bis zum Mauerfall vor allem vonseiten einer 13-jährigen, ziemlich lebenslustigen Großstädterin in der Realität vorstellbar wäre.
Die Geschichte wird zum größten Teil homodiegetisch aus Luisas Sicht erzählt; bei nur wenigen kurzen Kapiteln findet ein Wechsel zu auktorialem Erzählen statt. Auch wenn vieles aus mädchenhafter Sicht beschrieben wird, ist das Buch aufgrund der politischen Thematik dennoch gleichermaßen für Jungen und Mädchen ab etwa 12 Jahren geeignet.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPGK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 01.10.2021

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