Trügerischer Sog

Autor*in
Kui, Alexandra
ISBN
978-3-570-16594-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
320
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sara sieht super aus, macht Schule mit links, ist ein Crack am Computer - aber auch eine fiese Intrigantin, die ihre Klasse 8 aufmischt. Allenfalls der zurückhaltende Kim will da nicht mitmachen. Aktionen der jungen Lehrerin Frau Hoppe für ein besseres Gemeinschaftsgefühl sind allesamt grandios gescheitert. Kurz entschlossen initiiert sie eine vierwöchige Klassenreise zur abseits gelegenen Nordseeinsel Maroog. Doch die Machtspiele eskalieren auch dort. Eine Katastrophe scheint unaufhaltsam...

Beurteilungstext

Mobbing, Streit und Machtgehabe ist in Schulklassen leider keineswegs ungewöhnlich. Eher selten dürften indes derartig feindselige Verhältnisse herrschen, wie sie Alexandra Kui in ihrem Roman beschreibt: dass nämlich eine Achtklässlerin ganz gezielt und mit großem Nachdruck alles unternimmt, um einen Teil der Mitschüler zu ihren ergebenen Vasallen zu machen und alle anderen als „Namenlose“ zu diffamieren. Allerdings scheint die Autorin hierbei bewusst zu dramatisieren, um im Plot von Beginn an einen intensiven Spannungsbogen aufzubauen. Das ist ihr auch mit der Darstellung der Protagonisten Sara und Kim gelungen, die die Geschichte wechselweise retrospektiv aus der Ich-Perspektive erzählen. Beide Charaktere muten in ihrer Handlungsweise ebenso etwas überzeichnet an; doch dies wird akzeptabel und nachvollziehbar durch die offen berichteten Gefühle und inneren Spannungen, die unbezähmbare Wut oder Frustration, die sie manches, wie sie selber mit einigem Erschrecken feststellen müssen, auch gänzlich entgegen ihrer eigentlichen Überzeugung tun lässt.
Durch die Wahl einer Schulklasse als Figuren des Geschehens ergeben sich aufgrund der gewöhnlich recht unterschiedlich angelegten Typen häufig veränderte Konstellationen und gruppendynamische Prozesse, die im Handlungsverlauf immer wieder überraschende, spannungsfördernde Wendungen bewirken. Indem die Autorin den Schauplatz nach dem Auftakt in der Schule auf die (fiktive) Nordseeinsel Maroog verlegt, bedient sie sich einer Szenerie, die in der Jugendliteratur nicht unbekannt ist (s. William Golding: Lord oft he Flies): Eine Gruppe etwa Gleichaltriger, die mehr oder weniger isoliert agieren muss, verhält sich auf der Suche nach eigenen Gruppenstatuten und Führungspersonen zunehmend soziologisch auffällig. Auch im vorliegenden Buch kommt es zu ausgeprägten Intrigen und einem ständigen Hinterfragen, wer das Sagen hat: Wer eben noch, bisweilen gar unter Einsatz brutaler Mittel, die Szenerie beherrscht hat, ist schon kurz darauf verletzlich und schwach. Für die LeserInnen sind diese Wechselbäder eine echte Herausforderung im Hinblick auf die Identifikation mit den Haupt- oder Nebenfiguren, zumal sich das eskalierende Geschehen stringent bis zur letztlich unausweichlichen Katastrophe entwickelt. Diese ist auch durch das pädagogisch gut überlegte, auf Deseskalation und Ausgleich abzielende Eingreifen der jungen Lehrerin nicht aufzuhalten und wird zudem durch die Unmöglichkeit gewohnter sozialer Medienkontakte (auf der Insel gibt es kein WLAN) weiter verstärkt.
Geschickt fügt Kui diverse Problemfelder in den Handlungsverlauf mit ein. So geht es beispielsweise um die Vorbildfunktion der begleitenden Lehrkräfte und die Infragestellung ihrer Autorität, um die Schwierigkeiten und Reaktionen im Zusammenhang mit dem Outing eines homosexuellen Schülers, aber auch um die erotischen Spannungen und Widersprüchlichkeiten der SchülerInnen untereinander und selbst den LehrerInnen gegenüber. Alle diese Themen fügen sich unaufgesetzt und schlüssig in die Geschichte ein.
Ein weiterer Aspekt des Buches sind die treffenden Naturbeschreibungen, vor allem jene über die unterschiedlichen Ausprägungen einer weiten See, die einerseits besänftigend glatt, andererseits – wie bei Sturm und aufgewühltem Wasser – Respekt einflößend bedrohlich bis lebensgefährlich wirken kann. Dass die Zuspitzung der Gruppenverhältnisse praktisch zeitgenau mit einem fürchterlichen Unwetter zusammentrifft, erinnert dabei an die Regieanweisung eines typischen Abenteuerfilms.
Bei manchen der erzählten Nebenstränge hätte man als Leser gerne eine noch detailliertere Auflösung erfahren, etwa hinsichtlich der genaueren Hintergründe des Todes von Saras Schwester Linn, durch den Saras aggressives Verhalten offenbar erheblich verursacht wurde. Oder wie es tatsächlich zum Tod der Lehrerin gekommen ist: War es heimtückischer Mord oder eher ein Totschlag im Affekt? Aber auch, wie Sara und Kim nach den dramatischen Ereignissen schließlich doch noch zueinander gefunden haben. Damit soll indes die Buchempfehlung keineswegs eingeschränkt werden; denn genau diese verbleibenden Unklarheiten könnten sich ausgezeichnet als Start beispielsweise für eine ""Wie-könnte-es-wohl-ausgegangen-sein""-Diskussion unter SchülerInnen anbieten.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPGK.
Veröffentlicht am 06.06.2022

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