Toro! Toro!

Autor*in
Morpurgo, Michael
ISBN
978-3-401-02893-4
Übersetzer*in
Hergane, Yvonne
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Foreman, Michael
Seitenanzahl
102
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2003
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
5,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Großvater Antonio erzählt seinem gleichnamigen Enkel, wie er als Sechsjähriger während des spanischen Bürgerkrieges die gesamte Stierherde seines Vaters freigelassen hat, um “seinen” Stier Paco vor dem Stierkampf zu retten. Schicksalhaft hat er gerade dadurch einen Bombenangriff und ein anschliessendes Massaker in seinem Heimatdorf Sauceda überlebt, die in derselben Nacht stattgefunden haben.

Beurteilungstext

Der fünfjährige Antonio lebt mit seiner großen Schwester Maria und seinen Eltern auf einem gepachteten Hof in Andalusien. Er weiß weder etwas vom drohenden Bürgerkrieg noch von der Corrida, dem Stierkampf, bei dem der Stier unweigerlich getötet wird. Der Krieg und die Corrida jedoch werden prägende Schlüsselerlebnisse in Antonios Leben werden. Antonios Vater züchtet Toros für den Stierkampf. Ein verwaistes Kälbchen, Paco, darf Antonio mit der Flasche aufziehen. Innerhalb weniger Wochen dringen dann zwei harte Erkenntnisse in Antonios heile Welt. Die erste ist, dass der inzwischen einjährige Paco irgendwann bei einer Corrida sterben wird. Antonio möchte dies auf alle Fälle verhindern. Obwohl er weiß, dass er damit möglicherweise die Existenz und auf jeden Fall den Lebensinhalt seines Vaters zerstören wird, sieht er doch keine andere Chance, Paco zu retten, als die ganze Stierherde freizulassen. Er weiß, dass er kein einzelnes Tier erfolgreich von der Herde trennen kann. Der Autor vermittelt bis hierhin sehr einfühlsam Antonios bedingungslose Tierliebe und seine völlige Ahnungslosigkeit von der Welt außerhalb seines Dorfes.
Just in der Nacht, als Antonio Pacos Befreiung gelungen ist, wird Sauceda bombardiert. Von einem Hügel aus kann Antonio alles mit ansehen. Er kehrt zurück auf den Hof der Eltern und jäh wird im bewusst, dass der Krieg, den er vorher nur aus Gesprächen der Erwachsenen und von einquartierten Soldaten kannte, ihn erreicht hat. Der Hof brennt, Tiere irren umher, keine Spur von seiner Familie. Antonio kann sich vor den Faschisten verstecken, die die Überlebenden liquidieren. Nach einer Odyssee durch die Berge, bei der er seine Schwester Maria wiederfindet, werden beide von ihrer Großtante aufgezogen. Maria hat den Angriff überlebt, weil sie in jener Nacht Antonio suchen wollte.
Antonio hat vor seinem Enkel nie jemandem erzählt, was er in jener Nacht wirklich draußen gemacht hat. Auch als alter Mann hat er noch ein schlechtes Gewissen. Der Autor schafft hier ein ganz unkonventionelles Spannungsfeld. Alle sind glücklich, dass Antonio überlebt hat. Seine dem Vater gegenüber hinterhältige Tat hat ihm und seiner Schwester das Leben gerettet. Er war ein Kind damals, niemand würde ihm je Vorwürfe machen. Der Schrecken des Krieges lässt das Freilassen der Stiere sowieso belanglos werden. Und doch bleibt die Scham darüber in Antonio präsent. Weil der Angriff auf sein Heimatdorf ihn unwiderruflich von seiner Vergangenheit abgeschnitten hat, konnte er seine “Tat” nie verarbeiten. Er hat nie mehr die Chance gehabt, von seinem Vater zu hören, dass der ihm verzeiht. Dieses “Abgeschnittensein” lässt die Leser die Grausamkeit des Krieges bohrender spüren als jede Beschreibung blutiger Gräueltaten. Auch die werden erwähnt, schließlich können sich die Leser sonst wohl kaum ein Bild machen von einem Bürgerkrieg, der in der Jugend ihrer Groß- oder gar Urgroßväter stattgefunden hat. Im Vordergrund jedoch stehen Antonios Fragen nach seiner eigenen Schuld, sein Streben nach einem ehrlichen, moralischen und freien Leben - in Kriegs- wie in Friedenszeiten. Immer aber steht im Raum, dass Antonios ganzes Leben überschattet bleibt von seinen Kriegserfahrungen. Die Leser erfahren, dass derjenige, der den Krieg erlebt hat, ihn nie vergessen kann. Die Kürze des Textes unterstreicht die Eindringlichkeit dieses Effektes. Der Autor erzählt gerade so viel, wie die Leser zum Einfühlen und Verstehen brauchen. Sie können nicht auf Nebenschauplätze ausweichen, sondern müssen den Kernaussagen in die Augen schauen.
Zu der Zeit, als Antonio sich mit anderen Flüchtlingen und sozialistischen Kämpfern in den Bergen versteckt, machen Geschichten vom “Schwarzen Phantom” die Runde, einem Stier, der die Faschisten in die Flucht treibt. Antonio ist sicher, dass es sich um Paco handelt. Dieser wird so nicht nur für Antonio, sondern auch für viele Andere zum Symbol für die Freiheit, die auch mit Gewalt nicht auszumerzen ist.
Gelungen finde ich auch die erzähltechnische Konstruktion, dass der Autor, der selbst Ende fünfzig und kein Spanier ist, in der Rolle des Großvaters und nicht in der des Kindes erzählt. Auch informiert er im Vorwort darüber, wie er als Brite auf die Idee gekommen ist, ein Buch über den spanischen Bürgerkrieg zu schreiben. Dies verleiht der Erzählung mehr Glaubwürdigkeit.
Michael Morpurgo ist ein eindrucksvolles Werk gelungen, das nicht nur ein Anti-Kriegs-Buch ist, sondern auch ein Buch, das zeigt, wie viel Erfahrung im Leben eines Menschen stecken kann. Der alte und weise Mann Antonio gibt seine Erkenntnisse an die Menschen weiter, die ihm nachfolgen, damit sie sie für die Zukunft nutzen können. “Toro! Toro!” plädiert für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit. Dass der Autor diese Aussagen in einem Buch für so junge Leser altersgerecht aufgearbeitet hat, ist eine noch besonders hervorzuhebende Leistung.
Die schwarz-weißen, aquarellartigen Illustrationen sind ausdrucksstark und passen gut zum Text.
Insgesamt ist “Toro! Toro!” ein absolut empfehlenswertes Buch.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Spra.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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