Todesengeln schreibt man nicht
- Autor*in
- Hoffmann, Klaus W.
- ISBN
- 978-3-9813385-7-7
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 185
- Verlag
- Lychatz
- Gattung
- –
- Ort
- Leipzig
- Jahr
- 2011
- Lesealter
- 16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 9,95 €
- Bewertung
Teaser
Jens Groth, der sich selbst für den Todesengel “Azrael” hielt und in Internetforen Menschen zum Selbstmord überredete, ist nun selber tot. Ermordet in seiner Zelle in der geschlossenen Abteilung der Bielefelder Nervenklinik Widukind. Kriminalkommissar Felix Hölsebeck ermittelt in seinem ersten Fall.
Beurteilungstext
Klaus W. Hoffmanns “Todesengeln schreibt man nicht” ist das, was man im besten Sinn als einen soliden “page turner” bezeichnen kann. Der Kriminalroman, der Suizid und Suizidalität sowie deren Begünstigung durch das Internet thematisiert, setzt auf zwei Erzählstränge: Der kürzere (darin auch abduktive) Erzählstrang berichtet von “Nietzsche”, der in Internetforen jenen Chat-Teilnehmern auflauert, die andere dazu ermutigen, sich das Leben zu nehmen. Diese selbsternannten “Todesengel” macht er in der “realen” Welt ausfindig und befördert sie dann selbst ins Jenseits. Jens Groth - alias “Azrael” - ist dabei “Nietzsches” jüngstes Opfer.
Der zweite Erzählstrang verfolgt die Ermittlungen des Bielefelder Kriminalhauptkommissars Felix Hölsebecks und seines Teams, wobei über den gesamten Handlungsverlauf Informationen so wiedergegeben werden, dass für den Leser das Mitkombinieren möglich wird. Beide Erzählstränge laufen im klassischen “Who’s done it”-Prinzip am Ende des Romans zusammen.
Um diese Wer-hat-es-getan-Komponente zu fördern, liefert Hoffmann seinen Lesern eine außerordentliche, für Krimis sogar recht ungewöhnliche Detaildichte, die sich mitunter aber leider in Kleinteiligkeit verliert. Besonders auffällig ist dabei das riesige Personenkarussell. Fast jede Person erhält in Hoffmanns Roman einen Vor- und Zunamen, häufig auch eindeutige Zuschreibungen (Alter, Aussehen, Kleidungsstil). Während das für Hauptfiguren völlig berechtigt ist, bläht es Randfiguren nur auf. Durch die Beschreibungstiefe dieser “Nebendarsteller” verliert der Leser streckenweise die Orientierung darüber, welche der Personen noch für die Handlung wichtig ist, und welche auf den nächsten zehn Seiten ohnehin die Erzählung verlässt (Beispiele hierfür wären u. a. der Zeuge Hermann Piepenkötter, dessen Unwohlsein gegenüber der Polizei mit Schweißausbrüchen ausgiebig beschrieben aber die Ursache dafür nicht aufgelöst wird; Pressesprecher Hans Schmadtke, der nur zum begrüßen der Pressevertreter auftaucht, dann aber keine Funktion mehr hat oder die Küchenfrauen Neumann und Paschek, die Pflegerinnen Siebert und Michalek und die Raumpflegerin Kobaschwilli, die einen oder gar keinen Satz sagen und sicher auch ohne Namen gut ausgekommen wären).
Das aber bringt diesem Krimi keinen Abbruch bei. “Todesengeln schreibt man nicht” bleibt ein durchweg spannender Text, den man nicht aus der Hand legen will und der en passant gesellschaftskritisch über die Gefahr von Internet-Selbstmordforen informiert.
Zur Hauptfigur: Hoffmanns Kommissar Hölsebeck ist Anfang 50, mit einer zehn Jahre jüngeren Frau verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Er ist gutem Essen und gutem Wein zugetan, ein Schachspieler, der Fußball und Tischtennis liebt und mit modernen Opern nichts anfangen kann. Hölsebeck ist damit kein Extremcharakter, womit er sich - ohne zu kopieren oder Klischees zu bedienen - beruhigt zwischen bereits bekannten Krimiermittlern wie Friedrich Glausers “Wachtmeister Studer”, Jacques Berndorfs “Siggi Baumeister” oder Henning Mankells “Kurt Wallander” auf gleicher Augenhöhe einreihen kann.
Empfehlung: Aufgrund der Darstellung einzelner Gewaltszenen wie auch der handelnden Personen (Hauptfigur 50+, Ermittlerkreis 30 bis 40 Jahre) kein dezidiertes Jugendbuch, für Jugendliche Leser ab 16 Jahren aber aufgrund der durchweg kritischen Aufarbeitung des Themenkreises "Suizidalität" und "internetforcierter Selbstmord" dennoch zu empfehlen.