Sohn des Himmels
- Autor*in
- Jianghong, Chen
- ISBN
- 978-3-89565-382-7
- Übersetzer*in
- Scheffel, Tobias
- Ori. Sprache
- Französisch
- Illustrator*in
- Jianghong, Chen
- Seitenanzahl
- 44
- Verlag
- Moritz
- Gattung
- BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
- Ort
- Frankfurt
- Jahr
- 2019
- Preis
- 18,00 €
- Bewertung
Teaser
Eine bildmächtige Erzählung über die Trennung von der Mutter, über das Göttliche und über die Entstehung der chinesischen Mondküchlein.
Beurteilungstext
Chen Jianghong greift in seinen Bilderbüchern oft auf traditionelle chinesische Erzählstoffe zurück und schafft aus ihnen neue Erzählungen. So in seinem vielfach ausgezeichneten Bilderbuch "Der Tigerprinz", aber auch in "Han Gan und das Wunderpferd" oder "Der kleine Fischer Tong".
Auch in "Sohn des Himmels" greift er auf eine Legende zur Entstehung des Mondfestes zurück. Die himmlische Prinzessin Xian-Li geht gegen den Willen ihres Vaters auf die Erde und pflegt dort eine alte Frau, freundet sich mit deren (namenlosen) Sohn an und bekommt ein Kind: Tian-Zi - zu Deutsch: "Sohn des Himmels". Der Jade-Kaiser schickt voller Wut Soldaten zu seiner Tochter, die sie zurück in den Palast des Himmels bringen. Tian-Zi wird älter und wächst bei seinem Vater und seiner Großmutter auf der Erde mit Erzählungen über den Himmelsweg auf - und natürlich fragt er nach seiner Mutter, nimmt als Heranwachsender den beschwerlichen und vielleicht unmöglichen Weg auf sich und kommt so bei seiner nun glücklichen Mutter im Himmelspalast an. Und um den großen Hunger ihres Kindes zu stillen, backt sie ihm Mondküchlein: "Wenn du sie isst, werden sie immer eine Erinnerung an mich und alle Mütter sein." Als der Kaiser von der Ankunft Tian-Zis erfährt wird er wieder wütend und lässt ihn zurück auf die Erde bringen. Doch da seine Tochter nun offensichtlich krank vor Sehnsucht ist, darf sie einmal im Jahr auf die Erde und dort nicht nur ihren Sohn besuchen, sondern auch Mondküchlein mitbringen.
Die Sprache der Erzählung ist schlicht, schnörkellos und weitgehend auf Handlungsschritte und wenige Dialoge beschränkt. Damit setzt der Text einen bewussten Gegensatz zu den Bildern, die farbgewaltig und erzählmächtig den Text ergänzen. Sie geben den Figuren Tiefe, der Handlung (Natur-)Räume und bringen durch unterschiedliche gestalterische Mittel Bewegung in das Erzählte. So sind viele Bilder pluriszenisch aufgebaut, arbeiten stark mit Perspektiven, Farbgesten und Formen. Dabei setzen sie motivisch an einem traditionellen europäischen Chinabild an, ohne zu Folklore zu verkommen. Ob dabei auch manches Bild einen europäischen interpiktoralen Bezug herstellt, sei einmal dahingestellt: Der Flug mit dem Kranich erinnert aber stark an Bilder zu "Nils Holgersson" von Selma Lagerlöff. Der in Frankreich lebende Jianghong mag bei seinen Bilderbüchern eben diese Brücke zwischen chinesischer Kultur und einem (modernen) Europa herstellen.
Insgesamt liegt mit "Sohn des Himmels" wieder ein erzählerisch starkes Bilderbuch von Jianghong vor, das sich hervorragend für Vorlesesituationen im Grundschulalter eignet. Überzeugend arbeiten Text und Bild zusammen. Etwas weniger überzeugend erscheint mir jedoch auf der einen Seite die Verknüpfung der Trennungserzählung mit den darin enthaltenen existenziellen Nöten, Bedürfnissen und Perspektiven, die Raum für Tiefe und Nachdenklichkeit bieten und auf der anderen Seite der mehrfach eingewebten Legende zur Entstehung der Mondküchlein, die dagegen eher harmlos daherkommt. Aus meiner Sicht nimmt sie der elementaren Erzählung an Wucht und Bedeutung, das ist schade.
Aber man darf darüber nicht vergessen: "Sohn des Himmels" ist ein fantastisch erzähltes Bilderbuch, transkultureller Mittler, vielperspektivischer Blick auf Trennungen und natürlich wieder ein Meisterwerk der Bilderzählung.
Christoph Jantzen