Schule Kunterbunt - Ist alles vorbei?

Autor*in
Margil, Irene
ISBN
978-3-551-06863-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Rademacher, Jan
Seitenanzahl
76
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erstlesebuch
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Die Schule Kunterbunt hat zu wenig Schüler - können die Kinder sie noch retten? Die Geschichte wird in einem Lesekonzept erzählt, das längere und kürzere Abschnitte zum Lesen ausweist.

Beurteilungstext

Irgendwie macht dieses Buch vieles richtig: Wir haben eine Klasse, in der eine kindliche Vielfalt versammelt ist, wie wir sie aus deutschen Schulen kennen - eigentlich wunderbar. Es geht um den Konflikt zwischen Kernfächern (hier: Mathematik) und musisch-ästhetischer Bildung - man sollte meinen: Ein Thema, das heutzutage sehr wichtig ist. Es sind Kinder, die aktiv handeln, nach Lösungen suchen und (vielleicht) daran wachsen können. Und trotzdem: Ein richtig gutes Kinderbuch liegt hier nicht vor, eigentlich schade.

Aber erstmal zur Handlung:
Der alte Direktor der Schule Kunterbunt wird mit Theater und Musik verbschiedet, die neue Direktorin, Frau Schneider, muss aber gleich verkünden, dass nicht genug Anmeldungen für die 1. Klasse vorliegen und daher die Schließung der Schule droht. Die Eltern würden die Einstein-Schule vorziehen, die einen Mathe-Schwerpunkt hat. Also sollen alle Kinder eine ganze Woche lang nur Mathe haben, denn dann kann die Schule Kunterbunt zeigen, dass ihre Kinder auch rechnen können. Das finden aber nicht alle Kinder gut. Luca, Mia, Lisa, Okan, Pit und Steffi sinnen nach einer anderen Lösung: Eine öffentliche Aufführung auf dem Marktplatz soll Werbung für die Schule machen. An den Lehrer*innen und der Schulleiterin vorbei gelingt es den Kindern, eine solche Werbeveranstaltung zu organisieren, die dann auch dazu führt, dass genug Anmeldungen für zwei 1. Klassen kommen. Und on top bekommt die Kunterbunt-Schule einen Talent-Kurs für Mathe und Physik und die Einstein-Schule eine Musikband…

Was ist also inhaltlich das Problem? Thematisch bleibt eine Schulkonkurrenz bestehen. Schulen müssen gegeneinander Werbung machen, um ihren Standort zu retten. Diese Konkurrenz wird an keiner Stelle in Frage gestellt, sondern als Motor für politisches Engagement der Kinder genutzt. Und die Aktion der Kinder ist zwar erfolgreich, aber es bleibt der Eindruck bestehen, dass man mit einer einmaligen (und eigentlich nicht besonders nachhaltigen) Aktion viel verändern könne – Widerstände und Rückschläge gibt es dabei nicht, alles erscheint als aufregendes Abenteuer. Die Handlung ist einfach zu glatt. Das ist schade, denn so funktioniert das Verändern der Verhältnisse weder im Kleinen noch im Großen. Und es ist schade, weil der Plot das Potential hätte, viel tiefer in das Thema der selbstbestimmten Partizipation von Kindern an Entscheidungen einzudringen. Ein hochaktuelles Thema, nicht nur mit Blick auf Schülerstreiks.

Grundsätzlich interessant ist das Lesekonzept des Buches. Auf jeder Doppelseite gibt es links einen etwas längeren Textabschnitt und rechts eine kürzeren in einer größeren Schrift. Dies wird zu Beginn knapp vorgestellt und das gemeinsame Lesen schmackhaft gemacht. Dabei werden sehr unterschiedliche Lesepartner*innen vorgeschlagen (Eltern, Freunde, Geschwister, Schulklasse…), ohne dass die Rollen dabei festgelegt werden. Das ist sinnvoll, denn tatsächlich sind die Lesekombinationsmöglichkeiten vielfältig und Kinder werden, wenn sie mit jemandem gemeinsam dieses Buch lesen, ihre eigenen Logiken der Leseverteilung entwickeln. Die kürzeren Texte sind auch in sehr kurzen Sätzen gefasst und auch im Layout und Wortschatz an die üblichen Erstlesebuchparameter angepasst.

Bisweilen taucht ein Papagei in den Bildern auf, der etwas erklärt, z. B. „Synthesizer sprichst du Sünteseiser aus. Das ist englisch. In der deutschen Sprache findest du viele Wörter aus anderen Sprachen.“ Zum Glück ist sein Vorkommen sparsam gestreut, dadurch werden die offen belehrenden Anteile begrenzt. Die Zuordnung zu einer metafiktional eingesetzten Figur entlastet das eigentliche Erzählkonzept.

Die Bilder fokussieren sehr stark die Figuren, setzen damit Teile der Handlung auf eine Bühne, die einerseits zentrale Handlungsmomente bildlich aufgreifen, andererseits auch die Gefühle und sozialen Beziehungen der Figuren mit abbilden. Gelungen ist auch, dass in den Bildern immer wieder Schrift zu entdecken ist und damit zusätzliche Leseanreize gegeben werden.

Am Ende des Buches gibt es sechs Mitmach-Seiten: Einen Trick gegen Lampenfieber, Hintergrundinformationen zu Albert Einstein, Autorin und Illustrator, einen Zaubertrick und Leserätsel. Bezogen auf die Handlung und die Lesemotivation ist dieses „Beiwerk“ überflüssig. Ein Buch sollte als Buch motivieren und nicht durch das, was am Rande hinzugegeben wird. Der durch diese Zugaben entstehende Zeitschriftencharakter mag aber einige Kinder dazu verleiten, (wenigstens) diese Seiten zu lesen. Zum nachhaltigen Vertiefen der in der Erzählung angelegten Probleme regen die Seiten jedoch nicht an.

Das Gesamturteil fällt tatsächlich sehr ambivalent aus. Einerseits finden sich viele gute Ansätze im Konzept und auch in dem Plot, andererseits wird das Potential nicht ausgeschöpft – auch, wenn man bedenkt, dass sich das Buch an Leseanfänger*innen richtet. Und das ist wirklich schade, denn wir brauchen Bücher, die Partizipation stark machen, damit Kinder sich ermutigt fühlen, sich Gehör zu verschaffen und Beteiligung einzufordern!

Christoph Jantzen

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 02.01.2020

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