Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück

Autor*in
Drvenkar, Zoran
ISBN
978-3-446-27594-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
160
Verlag
Hanser
Gattung
Erzählung/RomanBuch (gebunden)
Ort
München/Wien
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
17,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Kais einhundertjähriger Opa ist für den Jungen ein Held, denn er hat doch alles überlebt: Er kam aus dem zweiten Weltkrieg ohne einen Menschen getötet zu haben. Ja, ohne seinen Opa wäre der Krieg nicht beendet worden - so hat es Opa ihm doch immer erzählt! Nun wird der Großvater dement und Kai hat das Gefühl, er verläuft sich in seiner eigenen Vergangenheit. Deshalb reist er mit ihm in die Vergangenheit, um ihn zurückzuholen.

Beurteilungstext

Bereits im März 2021 feierte das Stück "Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück" Premiere am Berliner Gripstheater. Nun ist zwei Jahre später der Roman sowie das Hörbuch erschienen, wobei der Roman im März 2023 bereits den Luchs des Monats erhielt.
Für den elfjährigen Kai ist sein Großvater ein Held. Gleichzeitig ringt er damit, dass dieser aufgrund seiner voranschreitenden Demenz kurz vor dem Umzug in ein Pflegeheim steht. Daran, dass der Opa manchmal nicht weiß, wer Kai ist, ist der Junge fast schon gewöhnt. Doch das Vergessen wird mehr: nun weiß er nicht mehr, warum ihm ein Auge fehlt. Konnte es sein, dass Opa vergessen hat, dass er ein Auge verloren hat, als er seinen Kameraden, den dicken Tobi, beschützt hat? Oder dass ihm während des Krieges an einem einzigen Tag sieben Orden verliehen worden? Kai kann ihm helfen: er erzählt ihm die Geschichten, die ihm der Großvater selbst erzählt hat, um ihn daran zu erinnern, dass er ein Held ist. "Wenn jetzt wieder Krieg wäre, würde ich alles genauso machen, wie du es gemacht hast. Deswegen sei mal stolz auf dich." (S. 19).
Aus dem Wunsch, dem Großvater seine Kriegserlebnisse wieder zurückzubringen, wird Kai zu seinem Gedächtnis und reist mit ihm in die Vergangenheit. Nun wird die Narration unzuverlässig und mehrdeutig: realistisches und fantastisches Erzählen scheinen zu verschwimmen und fesselt gerade damit ihre Lesenden. Springen sie beide am Bahnhof auf den Zug auf, in dem schon andere Soldaten sind und rufen: "Nun springt schon auf!"? (S. 43) Oder sind sie die ganze Zeit im Wohnzimmer des Großvaters und alles passiert in ihren Köpfen?
Immer stark dialogisch vermittelt erleben Enkel und Großvater viele Situationen aus dem Krieg nach. Dabei muss Kai Stück für Stück erkennen, dass das, was er hier erlebt, sich an den vertrauten Erzählungen reibt: Was bleibt nun übrig von dem Heldenbild, dass der Großvater ihm vermittelt hat? Wie tapfer und furchtlos war er bzw. konnte er sein? Für Kai ist es verstörend, er wird wütend: "Mensch, Opa, war dein ganzes Leben nur ein Märchen?" (S. 138). "In deinen Augen konnte ich nichts falsch machen. Ich konnte der sein, der ich gerne gewesen wäre. [...] Die Geschichten, die ich dir erzählt habe, haben mich auf eine ganz eigene Weise geheilt." (S. 139) Doch der alte Mann erkennt: "Man kann seine Vergangenheit nicht verdrängen oder umerzählen, sonst vergisst man sich selbst." (ebd.)

Immer wieder gibt es Textabschnitte, in denen der Erzähler die Lesenden direkt anspricht, orientiert oder vorausdeutet. Zuweilen sind den Kapiteln kurze versförmige Textpassagen vorangestellt, die ebenfalls dem Erzähler zuzuordnen sind. Außerdem entwickelt er eine mystische Frauenfigur, die Kai und dem Großvater in der Vergangenheit immer wieder erscheint und über deren symbolische Funktion es nachzudenken gilt.
Drvenkars Erzählung ist meisterhaft und entwickelt einen Sog, der die Lektüre zu einer besonderen Erfahrung werden lässt, die auch nach dem Schließen des Buchdeckels nachwirkt und eine Stimme zum Thema Erinnerung und kommunikatives Gedächtnis darstellt. Es eignet sich neben der privaten Lektüre als Klassenlektüre in der Sekundarstufe 1, wobei über die Altersempfehlung nachzudenken ist: es wird sicher Leser*innen unter den Elfjährigen finden, aber möglicherweise eignet es eher für etwas ältere Heranwachsende. Und nicht zuletzt ist es genauso ein Buch für Erwachsene.
Zoran Drvenkar liefert ein Stück großer Literatur, die zeigt, was Literatur vermag - und dass er dies gern austestet, kennt man von seinen anderen Texte: "Und wenn die Welt so ist, wie sie ist, / und wenn die Welt keine Regeln kennt, / dann ist alles möglich, / dann ist alles machbar." (S. 27)

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Susanne Drogi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 09.09.2023

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