Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück
- Autor*in
- Drvenkar, Zoran
- ISBN
- 978-3-446-27594-2
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 160
- Verlag
- Hanser
- Gattung
- Buch (gebunden)
- Ort
- München/Wien
- Jahr
- 2023
- Lesealter
- 12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
- Preis
- 17,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Kais Opa wird langsam dement und der Junge bezeichnet sich als dessen Gedächtnis. Aber da gibt es so einige Lücken und Ungereimtheiten. Also gehen sie gemeinsam zurück in die Vergangenheit, als der Opa noch jung war.
Beurteilungstext
„Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück“ ist ein typischer Drvenkar-Roman: Sperrig, keinem klaren Genre zuzuordnen, unvorhersehbar in der Handlung und mit unterschiedlichen Aussagen. Was der Roman nicht ist, ist eine Opa-Enkel-Geschichte mit ein wenig Zuckerguss und viel Trauer über den sich langsam in die Demenz verabschiedenden Opa. Dass genau das nicht kommen kann, zeigt bereits der verstörende Anfang. Ein Junge sitzt gefesselt und geknebelt auf dem Fußboden und wird von einem alten Mann verhört, was er in seiner Wohnung wolle. Erst nach einigen Seiten stellt sich heraus, dass der Junge Kai heißt und der Enkelsohn den Alten – das hatte dieser vergessen.
Die Haupthandlung besteht daraus, dass Kai die Kriegserlebnisse des Opas gemeinsam mit diesem und zugleich anstelle dessen noch einmal durchlebt. Der Großvater ist dabei so etwas wie Kais Schatten – irgendwie da, aber auch nicht wirklich. Dabei zeigt sich, dass viele der Erzählungen des Großvaters Soldatenmärchen von Heldentum waren, aber fast nie der Wahrheit entsprachen. Auf diese Weise erwirbt Kai das ungeschönte Wissen als das Gedächtnis des Großvaters, als das er sich sieht.
Auch erzählerisch ist der Roman so typisch für Zoran. Über weite Strecken wird neutral erzählt mit wenigen auktorialen Elementen. Der Leser muss das Geschehen selbst bewerten, das ihm irgendwie unzuverlässig dargeboten wird, insbesondere was die Zeitstrukturen innerhalb der erzählten Zeit angeht, aber eigentlich alles betrifft: Was ist wahr, was hat der Opa erfunden, was ist fantastisch, was realistisch erzählt? Dazu kommen Passagen, in denen der Erzähler sich zu erkennen gibt, den Leser direkt anspricht und Vorausdeutungen zum weiteren Geschehen macht.
Eindeutig hingegen ist, dass der Krieg aus der Jugend des Großvaters keinen historischen Bezug hat und gemeinsam mit dessen märchenhaftem Alter von 100 Jahren eine metaphorische Funktion hat. Auch wenn der Roman sich gegen den Krieg ausspricht, kann er nicht als Antikriegsroman i. e. S. bezeichnet werden. Dazu bleibt das Grauen des Krieges zu abstrakt, vielmehr steht die Korrektur der Narratio des Opas gegenüber dem Enkelsohn im Zentrum, nämlich dass retrospektiv verklärt oder gar falsch darstellt wird, um ein strahlender Held zu sein. Eine kluge Sentenz kommt von einer mystischen Frau, die im Kriege immer wieder auftaucht, die man zunächst für den Tod hält, die sich selbst aber als dessen Gegenteil bezeichnet und am ehesten als eine Schicksalsgöttin beschreiben mag: „Du kannst Umwege im Leben machen, du kannst Abkürzungen nehmen, aber was du auch tust, du kommst immer an dein Ziel. Deine Erinnerung wird immer ein Teil von dir sein.“ (S. 145)
Neben der Positionierung gegenüber Krieg geht es zudem, und genau das ist die Vielschichtigkeit in Drvenkars Romanen, auch um eine Enkel-Großvater-Beziehung, Bewunderung und die Angst eines alten Menschen, in der Demenz zu versinken und die Hoffnung darauf, dass das Erlebte von jemand anders tradiert wird. Das spiegelt sich auch in dem äußeren Rahmen wider, denn Kai und der Großvater stehen zu Romanbeginn bereits vor den gepackten Koffern, mit denen der Alte am Ende ins das Pflegeheim umziehen wird, als Kais Mutter an der Türe klingelt.
Im Fazit: Dieser Roman wird freilich nicht für jeden etwas sein und vielleicht hier und da auch mehr für erwachsene Fans dieses außergewöhnlichen Autors, die dessen immer wieder auch verstörende Schreibweise schätzen.