Ich denke
- Autor*in
- Tellegen, Toon
- ISBN
- 978-3-95854-030-9
- Übersetzer*in
- Erdmann, Birgit
- Ori. Sprache
- Holländisch/Niederlä
- Illustrator*in
- Godon, Ingrid
- Seitenanzahl
- 96
- Verlag
- Mixtvision
- Gattung
- BilderbuchSachliteratur
- Ort
- München
- Jahr
- 2015
- Lesealter
- 6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 29,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Wie funktioniert das Denken? Worüber kann man nachdenken? Welche Arten zu denken gibt es? Diesen Fragen geht Toon Tellegen nach, begleitet von intensiven Porträts von Ingrid Godon.
Beurteilungstext
Nachdem sich Toon Tellelgen in "Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen" (Hanser Verlag 2015) mit unterschiedlichen Ausprägungen der Wut auseinandergesetzt hat, untersucht er in "Ich denke" das Wesen des Denkens. Er stellt fest, dass es das Sonderbarste ist, was es gibt. Es ist körperlos und doch von solcher Kraft, dass es einen beleben, beglücken, mit Freude erfüllen oder ermüden, beschämen, erschrecken, ja sogar zu Tode bringen kann. Es ist so mächtig, dass es jede Form annehmen und alles sein kann. Ist es ungezügelt, sitzt es als grimmiger Wicht im Kopf und bestimmt die Gedanken, die auch immer wieder dieselben sein können: vergebliche Gedanken über das, was wir nicht denken sollten, Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen, ob wir tapfer und gut oder boshaft und schlecht sind, oder ob wir uns zum x-ten mal sagen, dass wir nachher zum Zahnarzt müssen, immer wieder, wie ein Reflex. Das Denken macht sich nichts aus einem, "es denkt, was es will". Es ist ein Abenteuer mit unvorhersehbarem Verlauf, eine Reise auf dem Meer unserer Möglichkeiten.
Tellegen trifft hier aber eine wesentliche Unterscheidung: Während das Denken weit ist wie der Ozean, gleicht das Wissen den Pfützen, die bei Ebbe am Strand übrig geblieben sind. Er geht so weit zu sagen, Wissen sei das Gegenteil von Denken. Aus der Perspektive eines literarischen Ich verdeutlicht er, dass die Art zu denken so individuell ist wie ein Selbstporträt - cogito ergo sum. Doch dann fragt er weiter, wer ist dieses Ich, das aus lauter grauem Staub ungeordneter Gedanken besteht, wer ist sein viel netteres Spiegelbild und wer ist dieses unbezwingbare "alle anderen"?
Der Liebe, dem Tod, der Unwissenheit und vor allem der Zeit widmet Tellegen einige sehr bemerkenswerte Gedanken, die in perfekter Symbiose von Ingrid Godons Zeichnungen begleitet werden. Mal scheint es, bezieht sich der Text auf das Bild, mal scheint es umgekehrt. In jedem Fall und auf jeder Seite steigern sie sich gegenseitig, bringen sich gegenseitig zum Strahlen, öffnen neue Bedeutungshorizonte, sind aber für sich gesehen doch selbstredend eigenständiges Kunstwerk. Form und Inhalt greifen hier ineinander: Der Einsatz einzelner transparenter, roter Seiten verändert auch den Text, wenn er durch die sensiblen schwarzen Zeichnungen auf rotem Grund hindurchschimmert, erscheint er wie ein stummer Gedanke auf dem Antlitz der Figur in dem Moment des Gedachtwerdens.
Godon hat sich für ihre intensiven Porträts und Haltungsstudien eine durchgehende formale Strenge auferlegt. Durch die Begrenzung der Farben auf strahlendes Rot, tiefes Dunkelblau, eine breite Palette an differenzierten Grautönen und entschiedenes Schwarz und Weiß, wirken die Zeichnungen sehr edel. Der gelblich-braune Untergrund des alten, vergilbten Papiers, manchmal noch mit unregelmäßigen Reißspuren, herausgetrennt aus alten Heften, verleiht den Kohle- und Bleistiftzeichnungen einen aus der Zeit gehobenen, nostalgischen Charakter. Die roten, transparenten Seiten erzeugen spiegelverkehrte Zeichnungen, was den Gedanken der Spiegelung in den Texten aufgreift. Wie genau verändert sich der Ausdruck, wenn einer sich nach links statt nach rechts neigt?
Es ist aber zugleich wie der Schleier, der manchmal über den Dingen liegt, sie verändert aussehen lässt, wenn uns der klare Blick, der klare Gedanke fehlt.
"Ich denke" ist ein Buch, das generationsübergreifend studiert, genossen und uneingeschränkt empfohlen werden kann.