Ich, Adrian Mayfield

Autor*in
Zwigtman, Floortje
ISBN
978-3-8369-5200-2
Übersetzer*in
Erdorf, Rolf
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
511
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Ort
Hildesheim
Jahr
2008
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

London 1894. Der 16-jährige Adrian schmeißt seine armselige Stellung als Ladendiener hin. Seine zunehmende Mittellosigkeit treibt ihn in die Enge. Er nimmt Kontakt zu einem schwulen Freier auf, zu dem er sich zunehmend hingezogen fühlt. Der führt Adrian in die wohlhabende intellektuelle Homosexuellenszene um Oscar Wilde ein. Adrian möchte dazu gehören, doch eigentlich weiß er selbst, dass ihm dies als Angehörigem der Unterschicht niemals gelingen wird...

Beurteilungstext

Der Roman begeistert auf vielen Ebenen:
“Ich, Adrian Mayfield” ist ein eindrucksvoller historischer Roman, der das viktorianische London wieder auferstehen lässt. Ob die hoffnungslose Armut der Ost-Londoner mit ihren schmuddeligen Kneipen und überfüllten Wohnungen oder die dekadente Abgehobenheit des Adels mit seinen Intrigen und seiner Gefühllosigkeit, bei Floortje Zwigtman stimmen Schauplätze und Protagonisten bis ins Detail. In ihrer Rahmenhandlung kombiniert die Autorin historische Ereignisse und Personen, wie Oscar Wilde und Aubrey Beardsley, mit erfundenen Komponenten.
Adrians Geschichte ist auch ein sehr einfühlsamer Adoleszenzroman, der die schwierige Pubertät eines auf sich allein gestellten, schwulen Jungen in einer Gesellschaft beschreibt, in der Homosexualität mit Zwangsarbeit bestraft wird. Adrians umfangreiche sexuelle Erfahrungen nehmen in der Erzählung einen breiten Raum ein.
Der Roman überzeugt zudem im “technischen Aufbau”. Floortje Zwigtman beherrscht die Schriftstellerei perfekt. Sie jongliert mit den Gefühlen ihrer Leser, arrangiert erotische, anrührende, aufwühlende, spannende, stets perfekt formulierte Szenen. An dieser Stelle hat Übersetzer Rolf Erdolf seinen erheblichen Anteil am Gelingen der deutschen Ausgabe. Die Autorin entwirft die unterschiedlichsten Charaktere und gibt in einem vielschichtigen Beziehungsgeflecht jedem sein eigenes Gesicht. Kurz, sie fesselt ihre Leser vom ersten bis zum letzten Wort.
Ich-Erzähler Adrian hält sich eigentlich für einen ganz normalen Jungen mit schwerer Kindheit - so lange, bis er das Unmögliche tut, nämlich den Rausschmiss aus der einzigen für ihn je erreichbaren Stellung zu provozieren. Von da an dreht sich das Karussell seines Lebens immer schneller. Adrian springt ins eiskalte Wasser. Er verkehrt in Kreisen, deren Existenz er zuvor nur geahnt hat, und hält sich dort bestenfalls gerade so über Wasser. Genau wie die Leser durchschaut er erst nach und nach die komplexen Strukturen der Gesellschaft, in der er lebt, und je mehr er begreift, um so bedrohlicher wird es für ihn. Bei Trops, einer Mischung aus väterlichem Freund, exzentrischem depressiven Künstler und Freier, dessen “Junge” er wird, begreift Adrian zum ersten Mal, dass er selbst schwul ist. Dank Trops lernt er den Purpurnen Hofstaat kennen, eine Gruppe homosexueller Intellektueller mit Oscar Wilde als ungekröntem Zentrum. Der intelligente Adrian ist fasziniert von diesen Männern, die in ihm jedoch nur eine Mischung aus Pausenclown und Hure sehen. Er muss schwere Demütigungen ertragen, die er einerseits glasklar durchschaut, andererseits gerne aus seinem Bewusstsein schiebt. Adrian heuert in einem Bordell für wohlhabende schwule Kunden an. Dort ziehen ihn einige seiner Kollegen in ihre erpresserischen Geschäfte hinein. Gleichzeitig setzen einflussreiche Adlige die Homosexuellenszene zunehmend unter Druck. Adrian befindet sich äußerlich im freien Fall. In seinem Innern aber träumt er immer neue Träume von einem besseren Leben, “rote Luftballons”, wie er sie nennt, und immer wieder zerplatzen sie. Adrian reift, doch die Gesellschaft, in der er lebt, scheint ihm keine Chance zu geben.
“Ich, Adrian Mayfield” ist inhaltlich wie handwerklich ein Meisterwerk. Ich freue mich schon auf die angekündigte Fortsetzung.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Spra.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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