Adrian Mayfield - Versuch einer Liebe

Autor*in
Zwigtman, Floortje
ISBN
978-3-8369-5251-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
488
Verlag
Gerstenberg
Gattung
Ort
Hildesheim
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Adrian, Aktmodell fuer die wohlbetuchte Künstlerschicht des viktorianischen London und Strichjunge aus finanzieller Not, verändert sein Leben, als er seine Liebe für Vincent, erfolgreichen, aber verklemmten Maler, entdeckt. Er versucht, seine Vergangenheit vor diesem zu verbergen. Vor seinen alten Freunden, die ihm aus seiner finanziellen Not helfen, muss er wiederum seine Homosexualität verstecken. Der Spagat wird zunehmend schwieriger, noch dazu, als er einem Erpresser anheimfällt.

Beurteilungstext

Zwigtman führt im zweiten der drei Bände Adrians Schicksal fort: er sagt sich von dem Stricherkreis los und versucht, sein Leben umzustellen. Das Doppelleben, das er dabei führen muss, bringt ihn manches Mal in die Klemme.
Die Autorin schildert das London des späten 19. Jht.s durch den Ich-Erzähler Adrian, der unverblümt seine Umwelt dokumentiert und was er für sie empfindet. Ungewöhnlich wird Zwigtmans Roman dadurch, dass ihr Erzähler Adrian homosexuell ist und dem Leser Einblick verschafft in die Paralleluniversen des Viktorianismus: die liberale Bohéme und die "offizielle" prüde viktorianische Gesellschaft.
Da Adrian im East End zuhause ist, ist die Wortwahl oft recht geradeheraus bis derb, das Thema Sexualität nicht ausgenommen. Trotzdem wirkt Adrian als Figur nie durchtrieben oder abgeklärt, sondern die Autorin lässt ihm trotz seiner gründlichen Kenntnis der Schattenseiten des Lebens und des rauen Umgangs seine Hoffnungen und seine Naivität, da er letztendlich nur von Geborgenheit und Geliebtwerden träumt. Das macht den Charme der Figur aus: Adrian ist gar nicht so hart und erwachsen, wie er denkt. Er versucht mit den Mitteln eines harmlosen Teenagers, diesen Traum wahr zu machen und tappt dabei in vorhersehbare Fallen.Als Leser zittert man mit, wenn Adrian Entscheidungen trifft. Je älter und weltkenntnisreicher der Leser, desto größer das Zittern, weil man weiß, wie hoffnungslos manche Bestrebungen Adrians sein werden. Gleichzeitig ist man auch gespannt auf die nächste Kurve, in die Adrians Achterbahnleben geht. Zum einen will Adrian sein Leben selbst in den Griff bekommen, was mit seiner Naivität nicht einfach ist; zum andern widerfahren ihm einfach Dinge, die er aus Mangel an Verbindungen, Geld oder Wissen nicht steuern kann. Außerdem wird deutlich, wie sehr er - stellvertretend für viele Jugendliche - von seinen Gefühlen beherrscht wird, was seine Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Der Zwiespalt zwischen seinen alten Freunden, die ihm fremd und vertraut zugleich sind, und der distinguierten Welt der Bohéme, in der er durch Vincent verkehrt, verwirrt ihn. Lossagen kann er sich von seiner Vergangenheit nicht, und dennoch entwächst er ihr. Gleichzeitig bietet sie Schutz. In diesem Punkt ist der Roman eindeutig Entwicklungsroman.
Außerdem ist er ein Sittengemälde, ein historischer Roman. Der Skandalprozess um Oscar Wilde, dessen für damalige Verhältnisse außergewöhnlich offen gelebte Homosexualität, bilden den Hintergrund zur Handlung. Zwigtman beschreibt durch die Augen ihres Ich-Erzählers, wie bigott die Gesellschaft im viktorianischen England ist: einerseits sind Bordelle Gang und Gäbe, andererseits ist man empört über die Homosexualität eines Literaten, die als Vorwand recht kommt, seine gesellschaftskritische Spitzüngigkeit zu unterbinden.

Zwigtman fiktionalisiert zwar in ihrem Roman historische Figuren, indem sie sie ihnen Situationen, Freunde, Begebenheiten "andichtet". Dennoch bleibt der Rahmen historisch wahr. Das Verfahren gegen Oscar Wilde wegen Unzucht (seinen Kontakten zu männlichen Protstituierten) und die daraus resultierende Inhaftierung sind einerseits nur Nebenschauplatz der Handlung um den erfundenen Romanhelden Adrian, doch haben diese Ereignisse beherrschende Bedeutung für Adrians Leben und Denken, da er weiß, wie sehr seine eigene Homosexualität ihn gefährdet, erfahren die falschen Leute von ihr, oder bringen ihn in Zusammenhang mit seinem Freund Vincent, der seine Homosexualität und Liebe zu Adrian vor Gesellschaft und Familie verborgen hält.

Insgesamt ein ungewöhnlicher Roman, der sich eines Tabuthemas annimmt und berührt, nicht zuletzt wegen der direkten Sprache aus dem Mund eines jugendlichen Ich-Erzählers. Allerdings zieht sich der Roman manches Mal, da Zwigtman sehr ausführlich die Wendungen in Adrians Leben beschreibt. Die Aufmerksamkeit kann dabei schon einmal erlahmen.
Die Übersetzung ist daran definitiv nicht schuld, da sie sehr idiomatisch ist.
Sehr positiv fällt auf, das Zwigtman Quellen und weiterführende Literatur zum London des 19. Jht.s und seiner Sozialgeschichte wie auch Oscar Wilde im Anhang nennt. Das macht es am Thema interessierten Lesern leichter, sich über die dem Roman zugrundeliegenden Geschehnisse zu informieren und seine Neugier zum historischen Rahmen, in den der Roman gesetzt wird, zu befriedigen.
Auch die Danksagung der Autorin ist erfrischend, ehrlich, kurz und knapp.
Alles in allem ein gelungener Band, von der Umschlaggestaltung bis zur Danksagung.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von EHU.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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