Hyde

Autor*in
Wagner, Antje
ISBN
978-3-407-75535-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
407
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Weinheim
Jahr
2020
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Katrina ist auf der Walz. So scheint es jedenfalls. Sie ist als Tischerlin unterwegs, sie hält sich an die Regel, kein Geld für Unterkunft und Fahrt auszugeben, aber sie hält sich nicht an die Regel, nur gegen Kost und Logis zu arbeiten, sondern sie braucht Geld für ihre "Kriegskasse". Was genau diese Kriegskasse ist und wofür sie meint, sie zu brauchen, enthüllt sich nur nach und nach.

Beurteilungstext

Die mehrsträngige Erzählung wechselt zwischen Schilderungen der Gegenwart, Katrinas Walz, und verschiedenen Phasen in ihrer Vergangenheit, Erinnerungen, die zum Teil tatsächlich bruchstückhaft sind, zum Teil aber so erschreckend, dass sie sie nicht anschauen will. Für die Leser*innen eine Herausforderung: genaues Lesen und ein gutes Erinnern ihrerseits sind gefragt, ebenso aber auch die Fähigkeit zum Deuten und Dechiffrieren.
Am Ende wird Katrinas Geschichte nachvollziehbar zusammengesetzt, auch wenn einzelne Fragen offen bleiben.
Katrina und die Zwillingsschwester Zoe wurden vom Stiefvater der Mutter "entführt", als sie zwei Jahre alt waren: Der Großvater hatte entdeckt, dass die Mutter oder ihr Freund die Mädchen regelmäßig misshandelte und wusste, dass er als Stief-Großvater niemals das Sorgerecht erhalten würde, die Mädchen also, wenn er die Situation meldete, bestenfalls in eine Pflegefamilie kommen würden. Er ist mit ihnen tief in den Wald in Brandenburg gezogen und hat in einem versteckten Häuschen mit ihnen gelebt, sie aber auf ein Leben in der Stadt ab 18 vorbereitet.
Doch eines Tages wird das Häuschen von jugendlichen Brandstiftern, die einfach nur zum Spaß Wald anzünden, abgebrannt. Katrina überlebt schwer verletzt, Zoe und der Großvater nicht. Katrinas Identität wird entdeckt, und sie kommt zurück zu ihrer leiblichen Mutter, erfährt aber durch eine Vorsichtsmaßnahme des Großvaters von den Misshandlungen. Sie darf nun das Haus der Mutter und des neuen Lebensgefährten verlassen, macht eine Ausbildung zur Tischlerin und geht auf die oben genannte Walz. Ihr Ziel ist, die Brandstifter zu finden und sich an ihnen zu rächen, denn niemand glaubt ihr, dass Zoe und sie diese fünf jungen Leute im Wald getroffen haben. Alle gehen von einem erweiterten Suizid des Großvaters aus. Auf ihrem Weg trifft sie Josefine, Moderatorin eines Radiosenders für spirituelle Themen. Und sie entdeckt ein verlassenes Haus, unter das Herz des Hauses zerstörenden Renovierungsansätzen litt. Sie bleibt in diesem Haus, renoviert es als Angestellte der Eigentümer, der Gemeinde, und eröffnet schließlich gemeinsam mit Josefine dort ein Café. Ihren Rachezug hat sie nicht beendet, muss sie auch nicht mehr, denn durch die Renovierung des Hauses, eine Art Heilungsprozess, hat sie sich selbst geheilt.
Wagner erzählt aus Katrinas Perspektive in der ersten Person. Immer sind wir dicht an ihren Empfindungen, Wahrnehmungen, Zweifeln und erleben aus ihrer Sicht, wie sich verschiedene Puzzleteile aus neuen Erkenntnissen und wiederkehrenden Erinnerungen zu einem Ganzen zusammenfügen. Nach und nach wird erlebbar, dass es der Autorin keineswegs nur um eine spannende Geschichte ging und vielleicht noch um Perspektiven einer weniger entfremdeten Lebensweise, sondern dass sowohl der Rückzugsort Hyde als auch das neu entdeckte Haus, das Katrina renoviert, Symbole für sie selbst und ihr Bedürfnis nach Schutz vor übergriffigen Menschen sind. Und dieses Bedürfnis nach Rückzugsmöglichkeiten, nach "gutem", heilendem Umgang mit Menschen und der belebten und unbelebten Natur ist nicht nur wegen ihrer besonderen Situation wichtig: Jeder Mensch braucht das eigentlich, auch jeder Ort, wie ihr die Seele des Hauses deutlich macht, das sie renovieren will.
Nicht alle Verknüpfungen von Handlungssträngen und Elementen wirken ganz stimmig, insbesondere das Verhältnis zwischen Katrina und der Moderatorin Josefine ist nicht wirklich glaubwürdig in seiner plötzlichen Intensität. Aber insgesamt ist es der Autorin beeindruckend gelungen, Spiritualität darzustellen, um grundsätzliche, existenzielle Bedürfnisse von Menschen poetisch aufzuzeigen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 02.01.2021

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