Hör auf zu trommeln, Herz

Autor*in
Dölling, Beate
ISBN
978-3-407-80909-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
252
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2003
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die 17-jährige Katharina lebt bei ihren Eltern in einem Dorf in Brandenburg. Sie hat einen Ausbildungsplatz als Arzthelferin bei einer widerlichen Chefin bekommen. Die Ausbildung steht sie nur durch, weil sie nebenher eine Traumbeziehung zu einem französischen Gitarristen pflegt. Liebeskummer verführt sie zum Pillenmißbrauch, aber sie fängt sich, macht ihre Prüfung und kündigt.

Beurteilungstext

Die Autorin läßt die Tristesse des Lebens auf dem Land sehr realistisch vor unseren Augen entstehen. Die Jugendlichen hängen herum, es gibt nur eine Disco, in der sich immer wieder alle treffen. Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind rar in Ostbrandenburg gut vierzehn Jahre nach der Wende. Katharaina muss mit zwei jüngeren Schwestern das Zimmer teilen, der Kontakt zu den Eltern ist schlecht, mit der Mutter läßt sich kein Gespräch führen, der Vater ist Maurer. Aus ihrer Sicht läßt die Autorin uns - wiederholt im Rückblick - Katharinas Situation erleben, die Enge, die fehlenden Alternativen, ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben. Für diese Sehnsucht gibt es zwei Angelpunkte: das Bild einer Großmutter, die eine tabuisierte Liebesgeschichte zu einem Zirkusartisten hatte, und Armand, den französische Gitarristen, den sie in der Disco kennen gelernt hat und mit dem sie Briefe wechselt. Die Beziehung zu Ingo, einem Wessi, dessen Eltern ins Dorf gezogen sind, damit ihr verwöhnter Sohn dort evtl. das Abitur machen kannn, bietet ihr nur vorübergehend Halt. Als er sie aus Eifersucht auf Armand schlägt, macht sie Schluss.
Wie in dieser Szene bleibt das Bild Katharinas sehr diffus, obwohl die Autorin ihr immer ganz nah folgt, alles aus ihrer Perspektive erzählt. Sie ist offenbar leistungsbewußt und stark, denn sie schafft trotz der schlechten Arbeitsbedingungen, die an Ausbeutung genzen, alles, auch nachdem sie wenige Wochen vor der Prüfung total abgesackt ist. Sie hat Träume, die sie zu realisieren sucht, aber erst nach dem Ende der Ausbildung. Sie hat klare politische Meinungen, ohne diese zu äußern, und ist clever genug, den beiden Ärzten kein Vertrauen zu schenken, sondern nur auf ihre eigenen Fähigkeiten zu setzen. In der Beziehung zu Armand ist sie nur Träumerin, macht erhebliche Verrenkungen, um ihn bei seinen gelegentliche Gastspielen wenigstens treffen zu können. Damit unterstreicht die Autorin die Parallelen zur Liebesgeschichte der Großmutter, die ein uneheliches Kind von einem Zirkus-Artisten hatte, den die Nazis wegholten. Dieser Strang der Geschichte überzeugt wenig, zumal die Auflösung des Rätsels allzu lange auf sich warten läßt und dann folgenlos bleibt.
Im Verhältnis zu den Geschwistern ist Katharina einerseits zickig und muffelnd, andererseits fast verwöhnend gegenüber der kleinen Schwester. Am deutlichsten wird, dass sie raus will aus der Enge der Wohnung und der Familie.
Die recht konkreten Szenen am Arbeitsplatz in der “Nazi-Praxis”(S.239) sind fast alle negativ: die Chefin ist ein Biest, sie überläßt der Azubi Tätigkeiten, die diese noch nicht machen darf, ist geizig, ewig schimpfend und betrügend. Auch äußerlich wird sie als Ausbund von Häßlichkeit und Grobheit geschildert. Da wundert es keinen Leser, wenn ihr Sohn gegen Ende von der Polizei abgeholt wird, weil er als Mut- und Aufnahmeprobe in eine rechte Gruppe einen Alkoholiker am Kriegerdenkmal zusammen geschlagen hat.
Nach der Lektüre bleibt vor allem die Langeweile dieses Dorflebens, das Grau, die Lieblosigkeit der Beziehungen hängen. Man wünscht K. den Ausbruch, aber traut ihn ihr kaum zu.
Das Ende ist kaum als Aufbruch zu verstehen, obwohl K. kündigt und eine Einladung von Armand nach Chikago bekommt. Dass der ewig onanierende Kanarienvogel der Familie durch einen Schlag auf den Käfig stirbt und es deshalb heller in der Küche wird (S.253), mag man nicht als Gleichnis nehmen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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