Es war die Nachtigall

Autor*in
Bongard, Katrin
ISBN
978-3-446-26609-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
272
Verlag
Hanser
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2020
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Eine moderne Romeo-und-Julia-Adaption: Ein Jäger und eine aktive Tierretterin und bekennende Veganerin finden ihre große Liebe zueinander.

Beurteilungstext

Es war nicht die Nachtigall und auch nicht die Lerche. Es war die Singdrossel, die Ludwig und Marie am Vorabend ihres Todes auf einem Hochsitz hörten.
Ludwig stammt aus der wohlhabenden Familie von Brockdorf, die Pferde züchtet und Wald als Besitz nennt. Er trägt Poloshirts und seine Eltern reden die 16-jährige Marie mit "Sie" an. Dass die Jagd zu ihrem Leben dazugehört, ist beinahe selbstverständlich. Ludwig hat zur Feier seiner bestandenen Jagdprüfung das wertvolle Gewehr seines Großvaters geschenkt bekommen.
Marie hingegen engagiert sich bei einer örtlichen Gruppe von Tierrettern, bei Greenpeace und ist aktiv für den Umweltschutz tätig. Sie ist - wie ihre Familie auch - Veganerin, kauft ihre Klamotten in Secondhand-Shops und trägt Dreadlocks.
Beide begehen zu Beginn des Romans eine illegale Handlung: Marie bricht mit einer Gruppe Tierretter in einer Geflügelfarm ein und befreit 31 Hühner und Ludwig feiert mit Jagdfreunden seine bestandene Jagdprüfung mit viel Alkohol und erlegt dabei einen Rehbock.
Ludwig und Marie treffen sich auf einem Konzert der isländischen Folk-Indie-Gruppe Ásgeir und outen sich als Kenner dieser Musikszene. Obwohl Marie einen "besten Freund",Timo, hat und Ludwig in Thea verliebt ist, finden sie zueinander und spüren, dass ihre Zuneigung füreinander Platz für die "große Liebe" haben könnte.
Über diese Beziehung sind nicht alle glücklich, weder ihre jeweiligen Freunde noch ihre beiden Familien. Doch vielleicht schweißt dies die beiden noch enger zusammen. Dass beide sich Gedanken um die Umwelt machen, sich um Natur und Tiere kümmern wollen, wenn auch aus unterschiedlichen Sichtweisen, lernen sie in dieser einen Woche ihrer Beziehung.
Katrin Bongard, selbst Vegetarierin, äußerte sich in einem Interview in der "Potsdamer Neueste Nachrichten" am 30.1.2020: "Ich als Autorin schlage mich nicht auf eine Seite. Nur so funktioniert es." Sie möchte, so sagt sie weiter, niemanden verurteilen, sondern beide Seiten ansprechen. Und trotzdem stellt man beim Lesen fest, dass sich Ludwig verändert, seine Handlungen hinterfragt, die Jagdgewohnheiten überdenkt und sich auch fragt, ob die Rituale nach einer Jagd wirklich von allen Jägern inhaltlich so mitgetragen werden, wie sie es eigentlich verlangen: Respekt vor dem toten Tier. Marie hingegen macht fast keine Veränderung durch, sie bleibt bei ihren Einstellungen. Vielleicht auch, weil sie keine Zeit hatte, mehr zu erfahren.
Der Autorin ist ein Romeo-und-Julia-Roman gelungen, der zeigt, dass zwei Jugendliche, die aus gegensätzlichen ideologischen Familien kommen, sich trotzdem lieben können.
Dabei folgt sie dem Original von Shakespeare.
* Sie beschreibt, wie Ludwig in Thea verliebt ist, aber von ihr verschmäht wird. In dieser Situation, die Romeos erstem Auftritt ähnelt, begegnen sich Ludwig und Marie.
* Sie beschreibt in einer leicht veränderten Balkonszene, die in Maries Garten stattfindet, wie die beiden starke Gefühle füreinander entwickeln und Maries Mutter nach ihrer Tochter ruft.
* Sie zitiert aus dem Song "So bist du" von Peter Maffey, als sich die beiden Liebenden für ein paar Tage trennen müssen. Auch Romeo muss Julia für ein paar Tage verlassen - so denken sie.
* Romeo tötet versehentlich Tybalt, als er Streit schlichten möchte. Und so ergeht es auch Ludwig. Bei einem "Überfall" der Tierretter auf das Jagdcamp kommt es zu Handgreiflichkeiten und Timo fällt unglücklicherweise in das offene Jagdmesser von Ludwig. Timo überlebt aber.
Der Tod von Romeo und Julia folgt einer inneren Logig des Dramas. In dieser Version erscheint der Tod der beiden aber ziemlich willkürlich und daher unnötig. Am frühen Morgen nach der Nacht auf dem Hochsitz, wird Marie von einer fehlgeleiteten und wahrscheinlich irrtümlich abgeschossenen Kugel aus einem weit entfernten Gewehr - so Ludwigs Vermutungen - erschossen. Ludwig findet Marie und tötet sich aus Verzweiflung mit seinem Jagdmesser.
Bleibt man in der Linie der genannten Musikzitate, dann könnte man eine "Freischütz-These" zu dem von der Autorin gewählten Schluss aufbauen. In der Oper trifft die letzte Kugel doch nicht die Braut sondern den Bösewicht. In Katrin Bongards Version trifft diese Kugel - wer auch immer sie abgegeben hat - die Unschuldige.
Ein Hinweis auf die Einstellung der Autorin? Darüber kann man nur rätseln.
Katrin Bongard ist es mit diesem Roman gelungen, über eigene Lebens- und Essgewohnheiten nachzudenken und mit anderen zu diskutieren. Er bietet Raum für Toleranz und ein Miteinander, fordert zu Rücksichtnahme für Andersdenkende auf, bezieht aber eindeutig Stellung, wenn es um Tier- und Naturschutz geht und fragt nach der Existenz des Einzelnen. Nicht umsonst werden die Existenzphilosophen Kierkegaard, Husserl, Bergson oder Knausgård genannt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WaMi; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 02.04.2020

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