Ein Ritter um halb vier

Autor*in
Morgenroth, Matthias
ISBN
978-3-423-76083-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Stotz, Imke
Seitenanzahl
172
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2013
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Für Theo ist nichts mehr in Ordnung, denn die Mutter ist ""abgehauen"". Der Vater ist mit ihm und der kleinen Milli völlig überfordert. Er hatte bisher nie mit Haushalt, Hausaufgaben und Geburtstagsplanung zu tun. Ritter Kasimir, der auf dem rosa Meerschweinchen reitet und einen Schatz für die Liebste finden muss, könnte helfen. Schätze suchen und die Liebste zurückzugewinnen sind auch Theos Probleme. Hilfreich ist das Wissen des Ritters, der nette Student im Haus, sowie die neue Mitschülerin.

Beurteilungstext

Im Buch treffen zwei Welten aufeinander: Da ist zuerst die augenblicklich etwas chaotische Welt der Familie Herzog, mit Vater, Theobald und der kleinen Schwester Milli aber ohne deren Mutter; und zum anderen die Welt des völlig überforderten kleinen Ritters. Kasimir - mit seinem rosa Reittier - ist ebenso wie Theobald aus seiner Welt gefallen. Seine Schatzkarte aus dem Ritterreich überträgt er ohne zu zweifeln auf die moderne Welt von heute. So erkennt er im Lärm des vorüberrauschenden Verkehrs, den gefährlichen Hauch des fauchenden Drachen. Er ist winzig. Jede Pfütze könnte ein Berg, jedes Loch für ihn ein Gebirge bedeuten. Auch die ihm unbekannten Namen überträgt er in seine Sprache. So wird Theobald Herzog, zu Theo - bald Herzog, nämlich dem Herzog des endlich erreichten Fürstentums. Der Vater ist für ihn der Herrscher des Fürstentums, in dem er den Schatz für seine Liebste zu finden hofft. Sie fehlt ihm sehr. Die Mutter wiederum fehlt Theo sehr, denn bald will er mit ihr Geburtstag feiern. Also stehen beide unter Zeitdruck: Kasimir muss seine Aufgabe bis um halb vier erfüllt haben, Mutter muss zum Geburtstag zurück sein. Nur, Kasimirs Uhr ist dabei nicht hilfreich und so bleiben ihnen für die Lösung der Aufgaben zum Glück auch noch die Nächte.

Weitere echte Personen sind die schimpfende Nachbarin, die offenbar keine Kinder und schon gar nicht deren Lärm mag, ein junger Student, der in der Wohnung über ihnen wohnt und eine neue Freundin aus Theos Klasse, mit der er seine Geheimnisse teilen kann.

Theo selbst hat - wie meist noch alle Kinder in seinem Alter - keine Mühe, die beiden Welten nebeneinander zu denken. Die Spuren sind ja auch deutlich zu erkennen. Das gesattelte Meerschweinchen bleibt dem Vater nicht verborgen. Auch die kleine Schwester findet den Ritter und sein rosa Reitschweinchen lustig. Später auch seine Schulfreundin. Sie sind also wirklich da.
Der kleine Ritter wird schnell zum Ratgeber dafür, wie der Vater der Mutter seine Liebe gestehen könnte, um sie zurückzuholen. Er ist ja auch ein Mann. Als Lohn für seine Dienste hilft Theo auf seine Art.
Der Student ist zum Glück belesen und zitiert wichtige Gedichte. Diese Fähigkeit wollen sie für Vaters Minnegesang nutzen.
Morgenroth erzählt in einer einfachen Sprache, fügt aber an vielen Stellen Bezüge zur Kinderliteratur ein. Sie provozieren zusätzliche Verstehensebenen, die erwachsene Leser erkennen werden (z. B. Don Quichote, Günter Eichs rosa Pferd, Gedichtzeilen) und ihren Spaß beim Vorlesen haben. Die viellesenden Kinder vielleicht ebenso. Andere müssten diese Stellen erklärt bekommen. Sie erschließen sich nicht von selbst. Werden sie nicht verstanden, geht ein Reiz beim Lesen verloren. Allerdings ist die Anleitung des Ritters zum Umgang mit und Nutzen von Gedichten und Texten eine schöne Anregung:
Das Problem muss erkannt, passende Texte dazu müssen gefunden und auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Notfalls sind sie selbst zu erdichten.
Im Text stecken viele Anspielungen auf die Un-genauigkeiten der Umgangssprache und Morgenroth mischt kreative Ideen hinzu. Es entsteht ein Sprachwitz, den Kinder von sich aus gut nachvollziehen können und der ihnen gefallen wird. So ist z. B. das Kraut, das gegen Drachen (dragon) helfen könnte, natürlich das Kraut ""Estragon"".

Ob dieser Kindertext aber tatsächlich gegen abgehauene Mütter hilft, kann nur durch die jungen Leser bzw. Zuhörer erprobt werden. Der Vater lässt sich hier zum Glück der Protagonisten in leichter Weinseligkeit auf die Ratschläge der Kinder und den imaginären Ritter ein und die Mutter ist pünktlich zum Geburtstag mit Schatzsuche zurück.
Das wird im echten Leben natürlich nicht so gut klappen, auch nicht mit der allerschönsten Fabulierkunst der Kinder und Erwachsenen. Immerhin ist das Buch ein Trost und lädt zum Weiterspinnen und Ausprobieren ein. Wenn es dann noch eine gute Freundin, einen guten Freund oder eine nette Klasse gibt, kann die Textsuche losgehen.

Die Zeichnungen von Imke Storz gestalten den konkreten Handlungsverlauf an vielen Stellen. Die Figuren sind leibevoll ausgearbeitet und farbig. Die Phantasiewelt in den Köpfen ist ebenso konkret gezeichnet wie z. B. das echte Chaos im Kinderzimmer. Da fällt es den Lesern natürlich leicht, sie auch als echt anzunehmen. Sie zeichnerisch von der Realwelt abzuheben, wäre eine Chance gewesen, die Phantasie in Textstellen aufzugreifen und auch hier eigenen Ideen zusätzlichen Raum zu geben.

Lesealter: Grundschule, weil es ein gewisses Reflexionsniveau voraussetzt. Mit Anleitung kann es in Klassen durchaus zum Erstellen von eigenen und gemeinsamen Freud- und Leid-Gedichten auffordern.


Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von Morgenroth, Matthias

Morgenroth, Matthias

Z wie Zorro

Weiterlesen
Morgenroth, Matthias

I can see you

Weiterlesen
Morgenroth, Matthias

Z wie Zorro

Weiterlesen
Morgenroth, Matthias

I can see U

Weiterlesen
Morgenroth, Matthias

Kidnapping Oma

Weiterlesen
Morgenroth, Matthias

Fröhliche Weihnachten, Yara! Eine Adventskalendergeschichte über Freundschaft und Toleranz

Weiterlesen