Ein Dorf am Meer

Autor*in
Fox, Paula
ISBN
978-3-414-82158-4
Übersetzer*in
Jakobeit, Brigitte
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Buchholz, Quint
Seitenanzahl
127
Verlag
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
Köln
Jahr
2008
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
11,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Emma ist für zwei Wochen zu Besuch bei Onkel und Tante. Um den bedrückenden Verhältnissen zu entfliehen, baut sie mit ihrer neu gewonnenen Freundin Bertie am nahegelegenen Strand ein kleines Dorf aus Sand und Strandgut. Doch auch bis in diesen scheinbaren Rückzugsort hinein wirkt das schwierige Verhältnis zu ihrer Tante, das wie ein drohender Schatten über dem ganzen Ort zu hängen scheint.

Beurteilungstext

Da ihr Vater sich einer schwierigen Herzoperation unterziehen muss, wird Emma von ihren Eltern für zwei Wochen zu ihren Verwandten geschickt. Onkel Crispin ist ein freundlicher, wenn auch etwas seltsamer Mann. Während er sich alle Mühe gibt, Emma den Aufenthalt zu vereinfachen und die Angst um ihren Vater zu lindern, scheint Tante Bea von den Gefühlen des Mädchens keine Notiz zu nehmen. Boshaft und sarkastisch führt sie dem Mädchen zu jeder sich bietenden Gelegenheit die Ungerechtigkeit der Welt im Kleinen und Großen vor Augen. Ohne Verständnis für andere aufzubringen, lässt sie in ihren Darstellungen eine Welt entstehen, in der nur der Neid auf alles Schöne die Bilder der Wirklichkeit zu bestimmen scheint. Während der Onkel zwischen Tante Bea und Emma zu vermitteln sucht, indem er sich selbst vorbehaltlos in den Dienst der anderen stellt, verhärtet sich die Beziehung des zehnjährigen Mädchens und der Frau mehr und mehr. Schnell beginnt Emma diesen bedrückenden Verhältnissen zu entfliehen. Mit ihrer neu gewonnen Freundin Bertie baut sie am nahegelegenen Strand ein kleines Dorf aus Sand und Strandgut. Ein unmäßiges Glücksgefühl überkommt die beiden, die im Kleinen eine perfekte Welt ohne den Schatten gestörter Beziehungen bauen. Hier ist alles einfach gut und richtig, und damit wird der Ort zum polarisierten Gegenstück zum nahegelegenen Haus und dem darin herrschenden Geist der Zwietracht. Zwei Welten stehen sich gegenüber, zwischen denen Emma nun ständig wechseln muss. Als sie das Dorf kurz vor ihrer Abreise Onkel Crispin zeigt, lobt er die Arbeit in Anwesenheit von Tante Bea überschwänglich. Diese zerstört die für sie unerträgliche Idylle daraufhin; allerdings nicht, ohne vor sich selbst und Emma die eigene Schwäche einzugestehen. Emmas unbändiger Hass auf Tante Bea verfliegt, als sie, wieder zuhause bei ihren Eltern, entdeckt, was Tante Bea heimlich in das Tagebuch des Mädchens geschrieben hat. Es gelingt ihr, Abstand zu gewinnen und das Schöne dieser der Vergangenheit angehörenden Zeit ins Zentrum ihrer Erinnerungen zu rücken.
Paula Fox' Roman erzählt wieder einmal die Geschichte einer schwierigen Beziehung. Sensibel führt sie den Leser in die Welt von Emma ein, die sich um die Angst um den Vater, die Sehnsucht nach den Eltern, den Widerwillen gegen Tante Beas Verhalten und die seltsame Zuneigung zu Onkel Crispin zu entwickeln scheint. Dabei findet kein offener Konflikt statt, sondern Paula Fox lässt ihre Protagonisten in leisen Tönen agieren. Harte Worte fallen ins Leere, indem sie nicht verurteilt werden. Konfrontation führt nicht zu offenem Streit, sondern zur Isolation der Tante. Erst als die Situation eskaliert und die Tante aus dem Schutz des passiven Rückzugs ins rein Verbale heraustritt und aktiv die Idylle des Mädchens zerstört, passiert auch etwas zwischen den Menschen. Tante Bea ist in der Lage, ihre eigene Schwäche zuzugeben und Emma wird die persönliche Dimension des Verhaltens der Tante klar. Ohne Versöhnung bleibt die Erfahrung doch nicht im Widerspruch stecken, sondern sie kann sich endlich zur Erinnerung mit all ihren unterschiedlichen Facetten entwickeln, die wenigstens für das Mädchen versöhnlich zu sein scheint.
In dieser fast statischen, und dennoch spannungsvollen Geschichte, führt Paula Fox ihre Leser an einen Ort, wo der gescheiterte Mensch mit dem Kind als Hoffnungsträger konfrontiert wird. Emmas Sicht auf die Wirklichkeit wird dabei nicht romantisiert; Fox betont lediglich die Ehrlichkeit des kindlichen Verhaltens, das den Neid auf das Leben im großen Stil noch nicht zu kennen scheint. Der hassende Mensch ist nicht nur Täter, sondern auch Opfer seiner selbst, indem er sich immer wieder selbst wiedersprechen muss. Damit wirbt Paula Fox in ihrer Geschichte eher für Mitgefühl und zeigt, dass auch schwierige Situationen Chancen für tiefgreifende Erfahrungen bieten, ohne dass immer eine fundamentale Veränderung vonnöten ist.
"Ein Dorf am Meer" wird damit zu einer Geschichte, die nicht wenig von ihrem Leser verlangt, dafür aber unendlich viel zurückzugeben scheint. Das Buch ist wärmstens zu empfehlen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von mr.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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