Du bist sowas von raus

Autor*in
Dölling, Beate
ISBN
978-3-423-78287-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
303
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2015
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
8,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Acht Geschichten von Jugendlichen, die in der Großstadt leben, gewähren Einblicke in Familien, die am Rand des Wohlstand- und Sozialstaates Deutschland ihren Alltag bewältigen oder daran zerbrechen. Gewalt, Drogen- und Alkoholkonsum begleiten sie von Kindes Beinen an, dennoch halten sie fest an ihren Träumen und suchen verzweifelt nach einem Strohhalm, nach ein bisschen Glück und Geborgenheit.

Beurteilungstext

Allen acht Geschichten ist gemeinsam, dass sie nicht fiktiv sind, sondern ein Leben wiedergeben, dem Liebe, Geborgenheit und der Fürsorge der Eltern fehlen, in dem sie sich gegen andere behaupten müssen, um überlegen zu können im Strom von Gewalt und Ausgrenzung. Die Eltern, meist sind es nur noch die Mütter, haben längst resigniert, sich gegen ihr Schicksal zu behaupten, zum Teil haben sie als Kinder dasselbe erlebt, was nun ihren eigenen Kindern wiederfährt. Jede Geschichte hat ihre eigene Färbung, spiegelt in erschreckend offener Weise den Versuch eines jungen Menschen wider, sein Leben in der ihm möglichen Weise ‚überlebenswert' zu machen. Die Mädchen erleben die Prostitution der Mütter in der eigenen Wohnung, es fehlt ihnen an Rückzugsraum, die Straße bildet Fluchtpunkt und Plattform für das Treffen und Gleichgesinnten und Gleichgestellten. Es ist leicht, das Versagen der Kinder in der Schule der so genannten ‚Bildungsferne' des Elternhauses zuzuweisen, aber wo bleibt die Verantwortung der Gesellschaft? Gerade in den Großstädten bietet die Ghettobildung der Sozialschwachen, als Brennpunktgebiete verallgemeinernd und klischeehaft abgestempelt, die Möglichkeit den sozial Etablierten, die Tatsache auszublenden, dass es auch eine Schattenseite unseres Wohlstandes gibt.
Auf der Suche nach Anerkennung und Liebe, sowohl bei Eltern, Freunden und in der Schule, riskieren die Jugendlichen vieles, lassen sich demütigen, schlagen, nehmen Drogen und schauen über die Gewalt hinweg, die sie im Elternhaus erfahren. Wen wundert es, dass einige, wie ein schlafender Vulkan, bei der entsprechenden Situationen und Reizkombinationen explodieren, zu gewaltbereiten und gewalttätigen Monstern werden, die sich ihres Handelns nicht mehr bewusst sind. Viele erleben Familie als einen Mangelzustand, in dem die Mutter nicht ansprechbar ist, ihre Mutterrolle längst negiert hat oder einfach nicht in der Lage ist, für ihre Kinder zu sorgen. Die Väter bleiben meist außen vor, werden ihrer Aufgabe als Unterhaltzahler nicht gerecht oder kümmern sich nur um die Kinder, die sie erzeugt haben. Was mit den anderen Kindern ist, interessiert sie nicht. Aber die Geschwister fühlen sich als Gemeinschaft, das größte Chaos zuhause stemmen sie, nur damit nichts nach draußen dringt und das Jugendamt die Kinder voneinander trennt. Jedes Kind trägt sein Sorgenpäckchen und muss seinen Überlebenskampf tagtäglich bestehen und dies alles in einer Welt, in der in unmittelbarer Nähe Kinder derselben Altersgruppe im Wohlstand schwimmen und glücklich bzw. überbehütet zu sein scheinen. Dass hier häufig der Schein trügt, ist nicht neu, bleibt aber den Kindern aus den sozialen Randgruppen verborgen, weil sie mit Geld auch die Erfüllung ihrer Träume gedanklich und perspektivisch verbinden.
Deutschland ist ein Land, in dem die Politiker die Themen ‚Soziales' und ‚Bildung' gerne mit dem Bild der glücklichen Kinder verbinden. Dies mag für die Jugendlichen zutreffen, die dank ihrer Herkunft ein ‚sorgenfreies' Leben erwartet oder die es geschafft haben, die Hürde von Armut zu bewältigen. Dennoch ist das Bild unserer Großstädte geprägt von Jugendlichen, die keine Perspektiven haben, die sich zusammentun, um zu überleben und nicht ins Elternhaus zurückkehren zu müssen. Diesen eine Chance zu bieten, ihr Leben in die Hand zu nehmen und aus dem negativen Kreislauf auszubrechen, haben sich etliche soziale Einrichtungen, unter anderem ‚die Arche' und deren Mitarbeiter, zur Aufgabe gemacht.
Die Geschichten sind eindringlich geschrieben, sie regen zum Nachdenken und diskutieren an. Daher ist das Buch auch als Klassenlektüre empfehlenswert, sollte dabei nur einen Einstieg in die Thematik aufgrund der Verschiedenheit der abgebildeten Schicksale darstellen. Wünschenswert wäre der Austausch mit Menschen, die beruflich in die Betreuungsarbeit eingebunden sind und anhand ihrer Erfahrungen klarstellen können, dass die so negativ abgestempelten ‚Penner' oder ‚Straßenkinder' sicherlich nicht freiwillig einen solchen Status angenommen haben. Gleichzeitig darf nicht außer Acht gelassen werden, dass viele Kinder aus sozial gesichertem Elternhaus ‚Sozialwaise' sind, weil beide Eltern alles tun, um den Wohlstand zu sichern oder zu erreichen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.01.2016

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