Die Hälfte des Himmels gehört Bo

Autor*in
Mueller, Dagmar H.
ISBN
978-3-522-17784-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bayer, Michael
Seitenanzahl
220
Verlag
Thienemann
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2006
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Hälfte des Himmels gehört Bo. Ganz bestimmt hat er ihn für drei Zitronenbonbons und zwei Himbeerlutscher gekauft. Martha ist sauer. Schlimm genug, dass ihr kleiner Bruder sich so absurde Sachen ausdenkt. Aber müssen ihre Eltern das auch noch tolerieren und gar bestätigen? Und dann erfährt Martha, dass Bo wirklich der Himmel gehören wird - viel zu bald ...

Beurteilungstext

Was für ein ergreifendes Buch, das in seiner Schlichtheit und Schönheit so bewegend ist, dass man Rotz und Wasser heult bei der Lektüre.
Der Tod - das ist ein heute jedem vertrautes Thema. Der Freitagabendkrimi, der Bericht im Fernsehen über die letzte Katastrophe, die Bilder in der Zeitung vom Kriegsschauplatz, das Computerspiel mit unzähligen “Opfern”- Leichen reihen sich an Leichen und man bleibt merkwürdig unberührt, sagt vielleicht “wie schlimm” und vergisst die Bilder im nächsten Augenblick. Und dann ein Buch, in dem es um den Tod eines einzigen Kindes geht, und tagelang spuken die durch Worte heraufbeschworenen Bilder einem im Kopf herum.
Dagmar Mueller ist ein ungewöhnlich einfühlsames Buch zum Thema “Tod eines Kindes” gelungen. Auch in der Kinderliteratur ist der Tod längst kein Tabuthema mehr (siehe allein das Thema unter den LesePeter-Preisbüchern), aber meist ist es ein Elternteil, das verstirbt und das Kind einsam und versteinert zurücklässt. Hier ist es ein Kind, das stirbt, und jeder Tod eines Kindes macht betroffen und hilflos, lässt einen unweigerlich die Frage nach dem Warum stellen.
Noch nicht einmal 6 Jahre alt ist Bo, als er erkrankt. Dabei ist er ein Junge, der das Leben genießt und aus dem Vollen schöpft, immer zuversichtlich, immer voller Fantasie und eigenwilliger Ideen, der seine beide großen Schwestern zur Verzweiflung und in das Lachen treibt. Und so spinnt denn Bo seine Geschichten vom Himmel, in dem die Menschen fliegen können und von Wolke zu Wolke hüpfen, mal eben zum Mond fliegen oder zum Mars.
Dagmar Mueller erzählt eine ungeheuer positive Geschichte von einer Familie, die sich um Normalität bemüht, als das Schicksal zuschlägt. Zunächst wissen es nur die Eltern, ahnt es auch der Leser an den mitleidigen, betont freundlichen Reaktionen anderer Erwachsener. Die großen Schwestern ärgern sich; alles was Bo sagt und will, wird toleriert, gefördert. Und dann kommt der Tag, an dem der Hauch einer Ahnung Gewissheit wird.
“Ja, ich erinnerte mich wirklich noch ganz genau daran, wie Mama an diesem Tag in meinem Zimmer gesessen und so traurig ausgesehen hatte. Aber ich kann mich merkwürdigerweise nur noch dunkel an das Gespräch mit allen zusammen beim Abendessen erinnern. Es begann überhaupt alles dunkler zu werden nach diesem Tag.”
Bo weiß, dass er sterben wird, aber er hat keine Angst vor dem Tod. merkwürdigerweise ist er der Einzige, der keine Angst hat und nicht traurig ist. Für ihn ist der Tod noch Teil vom Leben, und er ist es, der seine Schwestern tröstet.
Bo weiß Bescheid, und die Aussicht zu sterben schockiert ihn nicht.
Für Martha beginnt eine schlimme Zeit, und es dauert lange, bis sie das Schicksal akzeptieren kann. In dieser Zeit richten sich all ihre Gedanken auf Leben und Tod. Die Frage nach dem Warum macht sie hilflos und fast krank, blind vor verzweifelter Wut. Wie gelähmt, vermag sie kaum weiterzugehen, möchte selber sterben, bis sie eines Tages erkennt, wie sinnlos die Frage nach dem Warum ist.
Es ist kein religiöses Kinderbuch, aber ungeheuer trostreich. An Bos Grab lässt jeder der Familie einen Luftballon steigen, mit einem kleinen Kärtchen, auf das die etwas geschrieben haben. “Es war schwer, den Ballon loszulassen. Es war, als würde ich Bo loslassen. Und das wollte ich nicht.” (213)
Martha muss viel weinen, aber manchmal fallen die lustigen Sachen ein, die Bo gesagt und gemacht hat, und sie erkennt, dass sie immer einen Bruder hat, in alle Ewigkeit. “Er ist hier überall. Und selbst wenn keines seiner Spielzeuge hier mehr rumsteht, wird er doch noch überall sein! In unseren Herzen, in unserer Erinnerung, da wird er doch niemals weg sein, oder?” (213) Und so sieht sie ihn dann auf den Wolken sitzen und dort fliegen und den ganzen Tag das tun, wozu er Lust hat.
Auf ihrem Luftballonzettel stand: “Am 16. Dezember starb mein kleiner Bruder. Er war erst sechs Jahre alt. Aber er war der beste Bruder, den man nur haben kann. Ich wünschte, ihr hättet ihn gekannt.” (214)
Michael Bayer hat das Buch mit Bleistift-Zeichnungen illustriert, die ebenso wie der Text unpathetisch und offen sind, das scheinbar normale, fröhliche Leben einzufangen versuchen und dem ernsten Text etwas von seiner Bedrückung nehmen.
Ein wichtiger, poetischer Beitrag zur Trauer- und Verlustbewältigung, bewegend und dennoch unbeschwert-fröhlich leicht.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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