Die Erfindung des Hugo Cabret

Autor*in
Selznick, Brian
ISBN
978-3-570-13300-2
Übersetzer*in
Gutzschhahn, Uwe-Michael
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Selznick, Brian
Seitenanzahl
544
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2008
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Unverhofft entdeckt Hugo Cabret nach dem Tod des Onkels im Gerümpel ein mechanisches Wesen, das ein Geheimnis bereit hält. Aber nur, wenn er die Mechanik reparieren kann, wird sich das Geheimnis entfalten. Hugo ist bereit, alles dafür zu riskieren, und die Gefahr lauert bereits ...

Beurteilungstext

"Doch ehe ihr die Seite umschlagt, möchte ich, dass ihr euch vorstellt, im Dunkeln zu sitzen wie zu Beginn eines Kinofilms. Gleich wird auf der Leinwand die Sonne aufgehen und ihr erlebt, wie euer Blick auf einen Bahnhof inmitten einer Stadt zu zoomt. Dann führt die rasante Fahrt durch die Eingangstüren hinein in die überfüllte Bahnhofshalle. Schließlich werdet ihr in der Menschenmenge einen Jungen entdecken und der Junge wird sich auf den Weg durch den Bahnhof machen. Folgt ihm, denn das ist Hugo Cabret. Sein Kopf steckt voller Geheimnisse und er wartet darauf, dass seine Geschichte losgeht."
So fängt ein Buch an, das sich jedem Genrebegriff entzieht, kaum dass man ihn gedacht hat - es ist sozusagen ein "multimediales" Buch, mit dem Brian Selznick dem Leser ein völlig neues und ungewohntes Leseerlebnis verschafft. Und so, wie in dem bereits zum Roman gehörenden Vorwort angekündigt, geht es auf den 540 Seiten der Geschichte weiter, die sich am Ende als eine Hommage an den großen Georges Meliès erweist, einen der Pioniere des Films und großartigen Filmregisseur.
Méliès, der zunächst in der Fabrik seines Vaters gearbeitet hatte und dann als Zeichner für ein satirisches Magazin tätig war, kam während eines Aufenthalts in London mit dem Zauberhandwerk in Berührung. Diese Begegnung sollte sein Leben bestimmen, denn er erwarb das Robert-Houdin-Theater in Paris um hier magische Vorführungen zu inszenieren. Als er einer der ersten Filmvorführungen der Brüder Lumière beiwohnte, erschloss sich ihm die faszinierende Welt der Kinematographie und der Film als Fabrik der Illusion.
Brian Selznick, der Autor des Romans von Hugo Cabret, hatte geplant, eine Geschichte über Georges Méliès zu schreiben, aber als ihm das Buch EDISON'S EVE: A MAGICAL HISTORY OF THE QUEST FOR MECHANICAL LIFE in die Hand fiel, nahmen seine Pläne eine völlig andere Gestalt an. Das Buch, das von der Automatensammlung George Méliès' erzählt, ließ in seiner Vorstellung die Geschichte von einem Jungen entstehen, der einen dieser Automaten im Müll findet.
Elternlos, überwacht der 12 Jahre alte Hugo Cabret nach dem Tod des Vaters zusammen mit seinem Onkel die Uhren. Pünktliches Aufziehen und Kontrolle ihrer Genauigkeit ermöglichen den beiden das Überleben - bis der Onkel stirbt. Aber Hugo will weiter so leben, und so schlüpft er anonym in die Rolle des toten Onkels, erfüllt dessen Aufgaben; sein Überleben hier in den Gemäuern des Bahnhofs von Paris hängt davon ab, dass er nicht entdeckt wird, nicht auffällt. Die Schecks, die mit schöner Regelmäßigkeit per Post eintreffen, wagt er nicht einzulösen, weil er nicht weiß, wie das geht, und so lebt er das Leben eines Diebs, um sich am Leben zu erhalten.
Aber eines Tages bricht seine Welt wie ein Zahnrad in einer alten Uhr zusammen. Ein merkwürdiges Mädchen taucht auf und ein grimmiger alter Mann, Eigentümer eines Spielwarengeschäfts (auch der echte Méliès verdiente eine Zeitlang seinen Lebensunterhalt als Spielzeughändler). Sie ertappen Hugo beim Diebstahl, und damit setzt er sein Leben und sein kostbarstes Geheimnis aufs Spiel. Eine kryptische Zeichnung, das heiß geliebte Notizbuch seines Vaters, ein gestohlener Schlüssel, ein mechanisches Wesen und eine darin verborgene Botschaft, die sich nur offenbaren wird, wenn der Automatismus des Wesens zum Leben erweckt wird - das sind nur einige wenige der spannenden Ingredienzien, mit denen Selznick den Roman vorantreibt.
Erst am Ende merkt der Leser, dass er eigentlich die Geschichte des Georges Méliès gelesen und gesehen hat. Dabei wird in der Erzählung ein großer Teil (mehr als die Hälfte der Seiten) der erzählten Geschichte in Bilder wiedergegeben, und hier erinnere man sich an die Aufforderung im Vorwort. Wie im Kino in den Film soll der Leser hier im Buch eintauchen in diese schwarz-weißen Bleistift- oder Kohlezeichnungen, die - wo immer eingefügt - die erzählte Handlung nicht begleiten, sondern ersetzen, auf schwarzem Papier, düster, unheimlich, altertümlich. Bilder, die das Geschehen nicht für den Leser, sondern für den Kinozuschauer einzufangen versuchen. die massiv schwarzgerandeten Bilder signalisieren den dunklen Vorführraum im Kino; wie auf der Leinwand
Meist zoomt sich das Bild heran; so gleich am Anfang auf doppeltseitigem schwarzem Papier in der Mitte eine kleine Erde; umblättern, eine etwas größere Erde; umblättern, eine Stadt, als solche nur erkennbar durch den Eiffelturm, der sich aus gestrichelten Flächen erhebt; dann Dächer; ein Gebäude; ein Bahnhof; der Eingang; die Halle innen, in der Masse der Hüte ein Junge hervorgehoben; das Gesicht des Jungen, der sich heimlich nach hinten umblickt, als wolle er sicher sein, dass er nicht verfolgt wird; der weitere Weg des Jungen durch die trostlose düstere Umgebung des Bahnhofs; der Eintritt durch eine Tür; unheimliche einsame Gänge, man glaubt das Klacken der Schuhe zu hören; ein Gitter; das Gitter mit einem Fuß davor - der Junge ist hindurchgeschlüpft; eine andre Straße, die sich öffnet; ein Laden; ein Mann im Spielzeuggeschäft; Zoom: das misstrauische Gesicht des Mannes; Zoom: das Auge des Mannes; eine Uhr; die Ziffer 5 auf der Uhr und ein Guckloch dahinter mit einem Auge darin; das Gesicht, zu dem das Auge gehört: der Junge.
An dieser Stelle hat der Leser noch nicht ein einziges Wort gelesen, ist aber auf S. 56 angekommen, und die Erzählung fährt fort in Worten, als sei das Geschehen völlig vertraut: "Von seinem Platz hoch oben hinter der Uhr konnte Hugo alles genau überblicken."
In das Buch ist vieles aus dem Nachlass des George Méliès eingeflossen, Zeichnungen und Skizzen, Standbilder aus Filmen; auch anderes zeitgenössisches Material ist aufgenommen oder erwähnt und vermittelt den Eindruck der Authentizität, filme der Brüder Lumière, die Geschichte von Harald Lloyd mit der Uhr am Wolkenkratzer; Filme von René Clair, Walt Disney, Charlie Chaplin, Bustor Keaton, Jean Renoir.
Eine absolut neuartige und ungewöhnlich kühne Mischung der Genres, die das Medium Buch vielleicht in nicht allzu ferner Zeit auf eine ganz neue Ebene stellen wird.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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