Wir Kühe

Autor*in
Murdock, Catherine Gilbert
ISBN
978-3-551-58155-6
Übersetzer*in
Bean, Gerda
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
270
Verlag
Carlsen
Gattung
Taschenbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2006
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach einem Arbeitsunfall des Vaters bleibt die ganze Farmarbeit an der 15-jährigen DJ hängen. Sie lebt auf einem verlotterten Bauernhof, die fußballbegeisterte Familie redet kaum miteinander, und dann soll der Angeber Brian, aus der gegnerischen Mannschaft auf dem Hof helfen. Das ist zuviel für DJ, aber beim gemeinsamen Fußballtraining lernt DJ, über ihre Situation nachzudenken, zu reden und Einfluss auf ihre Situation zu nehmen.

Beurteilungstext

Ein sehr amerikanisches Buch, in dem es anscheinend “nur” um american football und Kühe geht, aber der Autorin gelingt es in immer wieder überraschender und amüsanter Weise das Innenleben eines Mädchens vor Augen zu führen, das in diesem Sommer und bei der anhaltenden Überforderung auf dem Hof herausbekommt, was für sie selber wichtig ist - an anderen Menschen, aber auch für sie selbst.
Erst nach und nach erfährt man als Leserin aus der Perspektive der Ich-Erzählerin DJ, wie ihr Leben aussieht und worin ihr Problem besteht. Die Familie redet nicht miteinander. Der Vater, ehemaliger Fußballtrainer, übernimmt zwar nach seinem Unfall mit dem Mistlader, häusliche Aufgaben, aber die Resultate seiner Kochkunst sind selten so essbar wie die flüssigen Brownies. Die Mutter ist Schulleiterin in der nächsten Kleinstadt und mit diesem Job voll ausgelastet. Die beiden älteren Brüder sind nach einem heftigen Streit weggegangen, aber niemand spricht darüber. Und über ihren jüngere n Bruder sagt DJ, dass sie neben ihm wie eine Quasselstrippe wirkt, obwohl sie sehr oft nicht sagen kann, was sie sagen will.
Sowohl die schulische Situation, die Kleinstadtatmosphäre mit “ewiger” Konkurrenz zwischen den Sportteams der beiden High Schools wie auch die Arbeitsbelastung in einem Familienbetrieb werden in ihrer Schilderung alltäglicher Situationen sehr lebendig. Zu den Selbstverständlichkeiten gehört auch, dass ihr jüngerer Bruder von jeder Farmarbeit freigestellt wird, wenn er zum Baseballtraining muss.
Was zunächst wie eine Verschärfung wirkt, entpuppt sich nach und nach als Katalysator einer allmählichen Veränderung. Ein alter Freund des Vaters schickt den Spielmacher der gegnerischen Mannschaft zu DJ, weil er auf der Farm helfen soll, um seine Chancen zu verbessern, beim Fußball als Spieler eingesetzt zu werden. Eine pädagogische Maßnahme gegen Brians Schwächen beim Football. In dem bei allen Gegensätzen nachbarschaftlich geprägten Milieu dieser Kleinstadt gehen alle Beteiligten darauf ein. DJ braucht Brian nur in ihre tägliche Arbeit einzubeziehen - z.B. bei der Heuernte (S.21ff), um ihn bis an die Grenzen seiner Ausdauer zu provozieren. Zugleich enthalten diese Szenen eine höchst anschauliche Beschreibung der Schufterei auf einer verarmten Farm, was auch auf andere Szenen zutriftt, so etwa DJs Beschreibung des täglichen Ausmistens im Kuhstall.
Mit Brian hat DJ zum ersten Mal einen Menschen, der mit ihr redet, auch wenn sie sich in dieser Beziehung ständig unterlegen fühlt. (S.105f, 111) Aber sie weiß von ihren Brüdern, wie man Fußballer trainiert und ist eine starke Läuferin und sie trainiert mit Brian den ganzen Sommer.
Über ihre Zukunftsaussichten macht sich DJ nichts vor. Was sie kann, Farmarbeit, will sie nicht ihr ganzes Leben lang machen (S.95f), ein Job mit “Reden und Umgang mit Menschen” wäre nichts für sie, genauso wenig als Kassiererin an der Supermarktkasse, wie es sich ihre Freundin Amber wünscht.
Doch immer wieder kehren ihre Gedanken zu Brians Behauptung zurück, sie sei eine Kuh un d wie diese mache sie stumpf ihre Arbeit, bis sie altersschwach vom Viehhändler abgeholt werde. DJ fängt an, die Arbeitssituation ihrer Umwelt kritisch zu betrachten. Ist nicht auch die Mutter eine Kuh, die sich ohne Protest den Zusatzjob als Schulleiterin hat aufbürden lassen? “Vielleicht besteht ja die ganze Welt nur aus Kühen.”(S.119), d.h. aus Tieren, die stumpf ihre stumpfsinnige Arbeit machen.
Dagegen wird Football als Alternative gesetzt, denn beim Training mit Brian entdeckt DJ, welche Lust sie am Laufen und Fangen hat, und sie beschließt, selber in die Fußball-Mannschaft ihrer Schule zu gehen. Welche Widerstände sie als Mädchen dabei zu überwinden hat, wird ernsthaft, und zugleich urkomisch erzählt. Aber im spannenden Finale stehen sich DLJ und Brian in den gegnerischen Manschaften gegenüber und kennen die gegnerischen Stärken genau. In der Schilderung wird durchaus nicht verschwiegen, wie ruppig und hart es zugeht. Aber es wird angedeutet, dass die Freundschaft zwischen brian und DJ nicht zu Ende sein muss, obwohl sie in zwei gegnerischen Mannschaften spielen.
Auf den beiden letzten Seiten wird die Fiktion des Buches unterstrichen, dasss es sich dabei um den Aufsatz gehandelt habe, den DJ hat schreiben müssen, um eine ausreichende Englisch-Note für ihre Versetzung zu erreichen. Den Text traut man der 15-Jährigen nicht zu, aber der Autorin, die auf einer kleinen Farm aufgewachsen ist, ist mit diesem Erstling einsympathisches und lesenswertes Buch gelungen.
Dass die Übersetzerin alle Fachbegriffe des Fußballs in Englisch beibehält, hat seine Berechtigung. Trotzdem wüncht sich sicher mancher Fußballlaie hin und wieder eine Erklärung.

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Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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