Wilde Hunde

Autor*in
Zusak, Markus
ISBN
978-3-570-40005-0
Übersetzer*in
Plenzdorf, UlrichErnst, Alexandra
Ori. Sprache
australisches Englis
Illustrator*in
Seitenanzahl
365
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2010
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
7,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei Erzählungen: In “Ruben Wolfe” erzählt dessen Bruder Cameron von ihrer gemeinsamen Boxkarriere, in der Ruben zum Star wird, aber als er gegen Cameron kämpfen soll, gewinnt der Familiensinn. In “Cameron Wolfe” entdeckt der Ich-Erzähler seine Welt der Empfindsamkeit, die der der Familie diametral entgegen gesetzt ist. Nach vergeblicher Schwärmerei wird er von einem musischen Mädchen entdeckt und erfährt, was Liebe ist.

Beurteilungstext

Der Ich-Erzähler Cameron ist der sensiblere der beiden Brüder, die in einem extremen Job gegeneinander boxen müssen. Cameron ist kaum in der Lage, sich wirklich mit den Gesprächspartnern zu unterhalten, ihm fallen nur Wortbrocken, Worthülsen ein. Schreiben dagegen kann er. Auch hier überwiegen Kürzestsätze und Ellipsen, dafür aber erfasst er auch Situationen, die die beiden Brüder im Gespräch nie hätten erklären können.
Ihre Eltern leben von der Hand in den Mund, seit der Vater durch einen Arbeitsunfall arbeitslos geworden ist - eine Situation, wie wir sie in Deutschland (noch) nicht so kennen. Dabei ist er zu stolz, um Arbeitslosengeld zu beantragen und geht lieber Klinkenputzen als staatliche Hilfe anzunehmen, die ihm peinlich ist. Das Gehalt der Mutter kann den Ruin nur hinauszögern, nicht verhindern. Geld von den beiden älteren Kindern nehmen sie nicht an. Auch das erlaubt ihnen der Stolz nicht. So sehen die beiden Brüder keinen Ausweg als den, Show-Boxer zu werden. Das Angebot bekommen sie von einem Agenten, der sie bei ihrem Hobby-Training gesehen hat. Die Bedingungen sind hart aber klar; der ältere Ruben soll als Fighting Wolfe starten, der jüngere Cameron als Underdog Wolfe, der nicht die Prämie von 50 $, sondern nur Trinkgeld bekommt. Das geht die ganze Saison über gut, Ruben gewinnt fast immer, Cameron bekommt so viel Trinkgeld, dass Ruben ernsthaft überlegt, welche Rolle die bessere ist. Aber er verändert sich zusehends. Er wird ernster, verbissener, nimmt die Mädchen, die sich dem Sieger anbieten, ohne mit der Wimper zu zucken, mit, vergisst sie wieder. Er ist nicht Sieges gewiss, obwohl er immer gewinnt, er ist sicher zu gewinnen, ohne etwas daran zu finden. Der Agent bereitet als krönenden Abschluss einen Kampf der beiden Brüder gegeneinander vor. Ruben will jetzt die Geheimniskrämerei beenden und sie legen den Eltern ihr gewonnenes Geld auf den Tisch. Die Familie spielt mit. Im letzten Kampf sind die Stärken ausgeglichen - ob von Ruben gelenkt oder nicht: Keiner siegt. Und die Brüder leben weiter miteinander.
Plenzdorfs Übersetzung ist - was ja wohl keinen überraschen dürfte - eine, die mitreißt, die die Sprache des merkwürdigen Jungen, der kaum reden, wohl aber schreiben kann, glaubhaft macht.
Die zweite Erzählung spielt ein Jahr später. Im Zentrum steht hier - nach dem Thema der Aggressivität - die Liebe. Zuerst ist es die Liebe innerhalb der Familie. Die drei Brüder bekriegen sich verbal, manchmal in unglaublich aggressivem Ton - es bleibt aber bei dem Ton, dahinter steckt die gegenseitige, vorbehaltlose Liebe. Jeder weiß, dass er sich auf jeden der Brüder verlassen kann. Der jüngste, Cameron, schmilzt geradezu, als er mitbekommt, wie er vom ältesten einen anerkennenden Blick bekommt; kein Wort fällt, beide verstehen das auch so. Mit der Sprache haben sie es allesamt nicht so, allein Cameron bringt das alles zu Papier, aussprechen aber kann er es deswegen noch lange nicht. Die Stummel- und 1-Wort-Sätze, Parataxen, nur wenige Hypotaxen, zeigen deutlich, dass auch zwischen dem vielen Geschriebenen Vieles unausgesprochen bleibt.
Die drei Brüder lieben ihre Schwester, da sie sich aber alle drei mit der Liebe Frauen gegenüber schwer tun, wird diese Liebe nur schwer erfassbar für sie; um so offener lieben sie die Mutter, die überhaupt nicht kochen kann, monatelang gibt es nur Erbsensuppe, aber auch sonst ist es nicht besser - die Liebe zu ihr wird nicht in Frage gestellt, ebenso wenig wie die zum Vater, der inclusive Klositzungen alle Elemente eines Unsympathen hat, aber er wird von den Jungs angehimmelt.
Eine amüsante Nebenhandlung ist die mit dem Hund des Nachbarn. Die beiden jüngeren Brüder führen ihn täglich aus, finden ihn abgrundhässlich und blöd, schämen sich seiner - aber als er stirbt, trauern sie um das geliebte Hundewesen - und liefern ein Kabarettstück mit der sie verabscheuenden Herrin des Hundes.

Diametral entgegengesetzt ist Rubens Liebesunfähigkeit: Zu seinen Freundinnen - er sieht blendend aus - kann er keine Beziehung aufbauen; Cameron möchte gerne lieben, ist aber zu schüchtern; erst eine ehemalige Freundin des Bruders öffnet ihn, erkennt seine versteckten Fähigkeiten.

Vollends dem Status des Jüngsten entwächst Cameron, als er seinen Bruder, der bös zusammengeschlagen wurde, in einer Par-Force-Tour nach Hause bringt. Derlei körperliche Leistungen sind in der Familie hoch angesehen.

Ein merkwürdiges Buch ist dies: Innerhalb einer Familie, in der Gewalt und Kraft, Energie und Durchsetzungsvermögen, Sprachlosigkeit und Raubeinigkeit zählen, beschreibt der jüngste Sohn sensibel die Regungen, zu der außer ihm keiner in der Familie fähig ist. Gegen die als feindlich empfundene Umwelt setzt diese Familie ihre Liebe und ihren Zusammenhalt und bildet eine Insel von Selbstverständnis. Daraus aber entsteht die Spannung, die den Leser über die ganzen 360 Seiten gebannt hält.

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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