Wer hat den Schnee gestohlen?

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Teaser

Die Sehnsucht nach weißer Weihnacht ist allumfassend groß - und doch kann sie nur durch ein Wunder Gottes kommen.

Beurteilungstext

Weiße Weihnachten - die gibt und gab es nur in den wenigsten Gegenden von Deutschland, und doch sind sie eine kindliche ebenso wie eine erwachsene Sehnsucht. Auch das Kind Gerda wünscht sich Schnee zu Weihnachten und sie will nicht passiv warten, sondern etwas dafür tun. Sie fragt sich und andere, wer den Schnee geklaut hat. Aber die befragten Erwachsenen weichen aus, erwähnen - unverständlich für Gerda - den Klimawandel und welche Nachteile Schnee doch hätte. Ihr Vater bringt sie auf die Idee, an die Patentante in den Kaparten zu schreiben, denn dort gäbe es Weihnachten immer Schnee, und vielleicht könnte Tante Slavka mit Gottes Hilfe den Schnee auch zu Gerda schicken. Diese schreibt einen langen Brief, der auch im Buch zu finden ist. Sie bittet die Patentante und über die Patentante Gott: "gib uns bitte den Schnee von Deinem himmlischen Haus. [...] Alle brauchen Wunder." Und Gerda betet in der Nacht - tatsächlich, am nächsten Morgen schneit es, das Wunder ist da. Und es scheint für Kinder und Erwachsene ein großes Vergnügen zu sein.

Die Bilder von Ulrike Jänichen - weitgehend mit Buntstift gezeichnet und vor blaue und graue Hintergründe gesetzt - setzen das Erzählte um, malen es mit volkstümlichen Elementen aus und geben den Figuren ein Aussehen und einen Charakter. Eine besondere Rolle spielt in den Illustrationen der Himmel - als Ort Gottes? -, der mal blau und leer, mal gefüllter und am Ende voller Schneeflocken erhebliche Bildanteile einnimmt.

Zunächst erzählt dieses Buch also eine christlich-religiös geprägte Wundergeschichte, die Kinder dazu ermuntert, Gott im Gebet um etwas zu bitten und fest zu vertrauen, dass Gott manches möglich machen kann. Wer sein Kind christlich erzieht oder in christlichen Kindertageseinrichten erziehen lässt, kommt dieses Buch entgegen, und es ist durchaus legitim, dass auch nicht-christlich geprägte Kinder dieses Wunder, die Erfüllung eines Wunsches, im Bilderbuch beobachten, aber auch hinterfragen können: War es wirklich Gott oder war es ein Zufall? Denn auch die zweite Möglichkeit lässt das Buch zu. Auf dieser Ebene ist das Buch eine wunderschöne (Weihnachts-)Geschichte.

Auf der anderen Seite ist die rein religiöse Ebene sowohl des Problems als auch der Lösung schwierig. Dass es weniger Schnee gibt, ist eine Folge des Klimawandels. Und auch in einer christlich-theologischen Auslegung dieser Frage ist die Verantwortlichkeit des Menschen für das Problem und auch die Lösung des Problems eine, die die Menschen - ggf. mit der Hilfe eines Gottes - lösen müssen. Die Friday-for-Future-Bewegung hat eindrücklich gezeigt, dass gerade Kinder und Jugendliche für das Thema aufgeschlossen sind und klarer Zusammenhänge zwischen unserer Lebensweise und Klimafolgen erkennen und benennen können, als viele Erwachsene. Insofern wäre auch bei einer Zielgruppe von Kindern zwischen 3 und 6 Jahren hier mehr Aufklärung (eindeutige Benennung des Zusammenhangs von weniger Schnee und Klimawandel) und eine Lösung des Problems, die nicht nur auf intensivem Gebet beruht, sondern auch ein aktives Verändern und/oder Hinterfragen der eigenen Lebensweise sinnvoll. Schade, dass diese Verbindung hier nicht genutzt wurde, denn so bleibt das Buch weitgehend auf den engen Kreis der (sehr) christlich aufwachsenden Kinder begrenzt.