Welcher Weg ist meiner?

Autor*in
Sabbag, Britta
ISBN
978-3-948638-80-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Lange, Igor
Seitenanzahl
40
Verlag
Argon Sauerländer Audio
Gattung
Bilderbuch
Ort
Frankfurt am Main
Jahr
2022
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Vorlesen
Preis
14,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Dieses Buch möchte dich dazu ermutigen, Entscheidungen zu treffen und dein Leben selbstbestimmt und individuell zu leben.“ Das Bilderbuch zeigt ein noch kleines Menschenkind, das über dicke Seile steigt. Die sind um ein Vielfaches größer als es selbst. Am Meer, im Wasser, in der Luft und auf Eisschollen erkundet es Wege und wird von seinem inneren Kompass, Fernglas und einem kleinen Pinguin begleitet. Dazu gibt es viele Ermutigungen durch die - für das Alter leider überfordernden - Texte.

Beurteilungstext

Britta Sabbag möchte kleine Kinder ermutigen und überhäuft die kleinen Wesen hierzu mit schönen Umschreibungen und Metaphern.

Der Zeichner Igor Lange verwendet eine klare Bildsprache und fügt den Metaphern die Bildern hinzu, die ausreichen würden, um ein Kind nachdenken zu lassen. Im anthropomorphen Denken ist alles möglich und erlaubt. Da kann man schon staunen, was dem Kind so begegnet und was es sich zutraut.

Das Alter, in dem Kinder auf der von der Autorin erwarteten Ebene sprachlich philosophieren oder reflektieren können, fängt viel später an. Die einfache Frage „Hast du dich schon mal gefragt?“ setzt schon ein höheres Denkalter voraus.
Ein nett anzusehendes, offenes und kluges Gesicht – wie das des Menschenkindes im Buch - verrät nicht, wozu ein Kind zu denken in der Lage ist. Wir als Erwachsene projizieren in diese Neugier, die es ausstrahlt, oft sehr viel hinein.
Die Altersangabe von sechs Jahren passt nicht zur verwendeten bildhaft reflexiven, oft appellativ verwendeten Sprache: „Du hast schon so viele Erfahrungen gemacht“, „Dein Mut verleiht dir Flügel“.
Die Ausdrücke: „dein Herz, das Fernrohr“ oder „der Mut (ist) ein Held, der nie pünktlich kommt“, sind große Metaphern, ebenso wie die Empfehlung „Einen Schritt zurückgehen, um alles aus der Ferne zu betrachten“, um dann „deine Richtung (zu) finden“.
Hier könnten nur Bilder stehen, wo ein Kind zurückgeht, wo es plötzlich etwas Neues sieht. Der Text ist eine völlige Überforderung für Kinder in diesem Entwicklungsalter.
Die (für kleine Kinder passende) Begleitung durch den kleinen, lachenden Pinguin ist nett und empathisch gezeichnet und wohl auch so gedacht. Aber auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Metapher: “Vielleicht sind deine Flügel auch für ein ganz anderes Element gemacht.“. Könnte es sich um Lese- oder Betrachtungshilfen für Erwachsene handeln?

Es wird von der Liebe erzählt, die groß ist, stark macht und verzeiht. Welche Kinder fühlen sich da angesprochen, ja angespornt? Auf welches Alter rekurriert die Autorin? Welches Umfeld hat sie im Sinn, als sie das Menschenkind auf die Schaukel setzt , deren Sitz der Kompass ist, das Fernrohr die Halteseile auf Abstand halten und es in „unbekannte Höhen“ fliegt, wobei „dein Herz“ alles verbindet?
Ein gemütliches stabiles Holzhaus ist im Hintergrund zu sehen und die Schaukel ist an einem großen Baum befestigt, von dem noch ein weiteres stattliches Exemplar neben dem Haus steht: gesund, wohlbelaubt, die Abendröte im Hintergrund. Die Welt ist tatsächlich rundum in Ordnung hier. Und wenn nicht? (Die Autorin lebt laut Verlag selbst in einem „ Landhaus“, wo die „Ideen an den Bäumen hängen“.

Die vorletzte Doppelseite, bevor sich Menschenkind und Pinguin verabschieden, zeigt aus massiven bearbeiteten Steinblöcken ein großes“ T“ und ein „U“. Bewachsene Fugen, eine Schneckenpyramide, Pilze, diverse Schmetterlinge, Margeriten, Blüten der Sonnenblume (?) ergänzen das Idyll, das wohl für Altes und für neues Leben stehen soll. Das etwas schräg mit Holznägeln zusammengenagelte „N“, aus gesägten Brettern, stellt das Kind dazu. Es steht wohl für das aktive neue „TUN“.
Zu viel Text, zu viele Entscheidungen sind zu bedenken, anstatt die wunderbaren Bilder des stattlichen Segelschiffs auf dem einsamen Meer, des Heißluftballons im Vordergrund zu bestaunen.
Britta Sabbag setzt viel zu früh planerisches Denken voraus. Die oft klugen Gedanken im Kopf mancher Kinder entwickeln sich noch situativ.
Die Bilder, warmen Farben und Motive sind phantasievoll, oft ganzseitig gestaltet. Sie lassen sich ohne die erklärenden Texte gut anschauen. Es gibt – obwohl oft großflächig angelegt – viele Details zu entdecken.
Das „Menschenkind“ zu dem „sein Weg“ „spricht“ ist zunächst allein, dann mit Meeresbewohnern, wunderbaren Medusen, dem Pinguin, unterwegs. Es ist ausgestattet mit Rucksack, Lampe und Kompass und dem Gefühl im eigenen Bauch. Alles findet sich im begleitenden Text als Metaphern wieder. So auch das schon auf dem Titelbild aus dem Wasser herausragende mächtige Schiffsseil: „Dein Mut ist wie ein Seil, das dich Abgründe überwinden lässt“.
Die Auswahl der Fundstücke am Meer ist gut gewählt, da Kinder diese Objekte kennen oder schon einmal selbst gefunden haben. Die Frage, woher sie kommen, das Geheimnis des Rauschens der Muschel regen schon zum Nachdenken an und bringen den Weg zum historischen Denken in Gang.
Die Bilder eignen sich zu eigenen gemeinsamen Überlegungen. Sie sind kindgerecht. Vielleicht hätten sie genügt als Impulse zu Gesprächen und könnten das angedachte Ziel eher bewirken.
Bilderbücher sollten alle Kinder anregen und ansprechen, sie sollten Phantasieräume eröffnen- auch schöne und harmonische -, vielleicht auch Wege beginnen lassen. Doch dieses Buch scheint eher für begleitende Eltern getextet zu sein, die selbst gern dieses Kind wären.
Sabbag lässt außen vor, dass manches Kind, gerade am Meer, an dem oft Stürme die eigenen Entscheidungen sehr schnell ad absurdum führen können, eher beschützt werden sollte. Da greift keine Metapher, sie wäre sogar gefährlich.
Auch ist die hier propagierte Form des Mutes für manche Kinder – die die Aufforderungen wörtlich lesen – eine fatale Überforderung.

Da tauchen im Kopf der Rezensentin einige sehr kluge ProtagonistInnen auf, bei denen dieses Buch mit dem Text kontraindiziert wäre (zu belegen durch Erfahrungen und Kenntnisse der Entwicklungspsychologie.)

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 14.01.2024

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