Weihnachten mit Gisela

Schlagwörter

• Diversität
• Komik/Humor
• Ungleichheit

Teaser

„Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier“ – und dann steht nicht das Christkind, sondern Gisela vor der Tür! Die Autorin Rieke Patwardhan hat sich mit ihren Kinderromanen über die „Forschungsgruppe Erbsensuppe“ einen Namen gemacht. Nun legt sie mit „Weihnachten mit Gisela“ ein Bilderbuch vor, das vollumfänglich an den Witz und die Erzählkraft der viel gelobten Detektivromane anschließt. Eine wunderbare Vorleselektüre für die Weihnachtszeit, die mit zahlreichen Überraschungen aufwartet erwachsene Rezipient*innen ebenso anzusprechen vermag wie Kinder ab 4 Jahren.

Beurteilungstext

In medias res: Tonis Familie ist gerade dabei, die Wohnung für Weihnachten zu schmücken, als ihr plötzlich ein Brief der Weihnachtslotterie ins Haus flattert. Dieser verkündet: „Alle Teilnehmer:innen dürfen an Heiligabend einen besonderen Gast empfangen. Die Hauptgewinner*innen bekommen Besuch von einer berühmten Persönlichkeit...“ (unpag.) Sofort sind sich alle einig: Da wollen sie mitmachen! Oma erwartet einen Prinzen, Mama eine Politikerin, Papa einen Filmstar und der Ich-Erzähler und kindliche Protagonist Toni hofft auf einen Fußballer. Und wer steht dann am Heiligabend um 15.00 Uhr vor der Tür? Gisela! Eine alte Frau mit Rollator, die erklärt, dass sie der besondere Gast sei. Während die Familie noch völlig perplex ist, erklärt die schrullig-schräge Gisela freimütig, was an ihr so besonders sei: „Besonders alt, besonders schön, besonders arm – und natürlich: besonders viel erlebt!“ (unpag.). Toni und seine Familie haben kaum Zeit, mit ihrem Irrtum zu hadern, denn schon stecken sie mitten drin in einem besonderen Weihnachten mit ihrem besonderen Gast. Nach dem Kirchgang erzählt Gisela von ihrer turbulenten Lebensgeschichte mit vielen Reisen und drei Ehemännern. Nur leider war am Ende kein Geld mehr übrig. „Weihnachten mit Gisela“ präsentiert sich so warmherzig und so voller schräger Komik, dass man sich als Leser beinahe wünscht, Gisela möge zu Weihnachten an der eigenen Haustür klingeln. Und man ist froh, als Gisela schließlich verkündet, an Ostern komme sie wieder – nicht zuletzt, weil dieser Passus auf eine österliche Fortsetzung dieses rundum gelungenen Bilderbuchs hoffen lässt. Die urkomische Geschichte geht eine geniale Union mit den Illustrationen von Lena Winkel ein, die es schaffen, all das Schräge abzubilden, was Rieke Patwardhan hier narrativ entfaltet. Das ist wahre Bilderbuchkunst, die auf mehreren Ebenen funktioniert und in ihrer Vielschichtigkeit sowohl Kinder im Alter von 4-6 Jahren als auch erwachsene Vorleser*innen abholt und anspricht. Die Geschichte sensibilisiert für Diversität und Toleranz im Umgang mit Anderem und Fremden und kommt dabei an keiner Stelle plakativ daher. Sie trägt sich durch den Bruch mit Erwartungen und transportiert so auch die Botschaft, dass Weihnachten letztlich doch ein Fest der Toleranz ist oder sein sollte. Eine großartige Alternative zu all den einfach erzählten Weihnachtskinderbüchern, die sich auf den Wühltischen der Buchhandlungen finden, denn „Weihnachten mit Gisela“ ist eben mehr und anders als das altbekannte Weihnachten mit vielen Geschenken und dem Weihnachtsmann.