Was machen die Jungs heute?

Autor*in
Heidelbach, Nikolaus
ISBN
978-3-407-79582-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Heidelbach, Nikolaus
Seitenanzahl
54
Verlag
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Weinheim
Jahr
2014
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine gelungene Montage aus Text und Bild, die Klischees aufhebt, Vielfalt zeigt, Vorurteile nicht bestätigt und nicht immer leicht zu verdauen ist.

Beurteilungstext

Der Beltz&Gelberg-Verlag hat ein Bilderbuchdoppel („Was machen die Jungs heute?“ und „Was machen die Mädchen heute?“ herausgebracht, das offen mit den 15 Jahre alten Büchern „Was machen die Jungs?“ und „Was machen die Mädchen?“ korrespondiert. Das wird nicht nur am Titel deutlich, sondern auch in Bild- und Textkorrespondenzen. Gleichzeitig wird durch die Hinzufügung des Wortes „heute“ ein Anspruch herausgestellt, dass gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen der Kindheit – und vielleicht auch der Geschlechterbilder? – in die neuen Bücher Einzug erhalten.

Aber zunächst zum Aufbau: Jede Doppelseite folgt einem klaren Muster: Auf der linken Seite findet sich der Text: Ein Satz aus wenigen Wörtern. Erstes Wort ist ein Jungenname (das Buch gliedert sich nach dem Alphabet, konsequenterweise heißt der erste Junge also Arno, der letzte Zorro), der Anfangsbuchstabe ist großgeschrieben und wird von einem weiblichen Teufel „umspielt“. Es folgt eine Aussage über den Jungen, nicht in stereotypischer Weise, sondern überraschend: „Christian geht trotzdem zur Schule“, „Jimmi wäre jetzt so weit“. Läse man nur den Text, wäre es nicht einfach, eine Vorstellung zu bilden. Kohärenz lässt sich in der Regel vor allem in Korrespondenz mit den Bildern auf der rechten Seite herstellen. Diese zeigen die Aussage des Textes, oft jedoch in überraschender Fokussierung oder mit bewusster Irritation. Gerade eher konventionelle Sätze wie „Louis hilft seiner Mutter im Garten“ werden im Bild dekonstruiert: Aus senkrechter Vogelperspektive wird Louis gezeigt, wie er auf einem Gartenweg mit einem Gewehr auf eine wenige Zentimeter entfernte Schnecke zielt. Neben dem Weg sieht man schnurgerade Gemüsereihen. Auch der Satz „Thomas kann nicht lesen“ wird im Bild „zerpflückt“. Thomas nutzt offensichtlich Bücher als Wandschmuck, die er mit Hammer und Nagel befestigt. Schaut man genau hin, entdeckt man ein Bildzitat der Vorgängerausgabe „Was machen die Jungs?“ So lassen sich viele Kleinigkeiten entdecken, die immer wieder auch zum Überdenken des eigenen Verständnisses führen, das Unerwartbare wird zur Regel.

Dieses Buch legt es nicht darauf an, dass möglichst alle Leserinnen und Leser zu einem übereinstimmenden Verständnis kommen, sondern spielt mit Deutungsoffenheit, die auch an die eigenen Erfahrungen der Lesenden geknüpft ist. So gibt es viele Lesarten dieses Buches und nicht nur eine einzige. Großartig!

Was ich bis hierhin geschrieben haben, könnte fast genauso zu dem vor 15 Jahren erschienenen Vorgängerband passen. Was ist also das Neue an diesem Buch? Zunächst kann festgestellt werden, dass es nicht mehr im Quer-, sondern im Hochformat steht. Natürlich kommen neue Inhalte hinzu, eine Modernisierung findet sich allerdings nicht. Schon in der ersten Ausgabe gab es zwar viele originelle Namen, aber nur sehr wenige, die der kindlichen Wirklichkeit an kultureller Vielfalt von heute entsprechen. Als einziger Junge sticht hier Murat hervor. Prägender sind „altmodische“ Namen wie Gustav, Eberhard oder Quasimodo. Die interkulturelle Wirklichkeit, die fast alle Kinder in Kindergarten und Schule erleben, ist damit nicht eingezogen. Weder technische Neuerungen (einzig Bodo sitzt an einem Laptop, ansonsten kommen digitale Medien nicht vor), noch besondere Moden zeigen einen größeren Bezug zum Heute als es in der Vorgängerausgabe der Fall war. Auch ist nicht erkennbar, ob es evtl. andere Traumwelten oder Wünsche sind, die hier das Neue ausmachen sollen. Das ist schade, selbst dann, wenn man sich als Strohhalm an die Aussage klammern würde, dass eben Kindheit heute wie vor 15 Jahren nach den gleichen Grundmustern verläuft. Das Geschlechterbild als soziale Konstruktion scheint sich aus Heidelbergs Perspektive in den letzten 15 Jahren also nicht gewandelt zu haben.

Für sich genommen, bleibt das Buch allerdings ein gelungenes Bilderbuch, das nicht nur von Kindern gern in die Hand genommen und gelesen wird, sondern auch für die Arbeit in der Schule geeignet ist. So liegt nahe, dass in der Klasse ein eigenes Buch nach diesem Muster entsteht: Was machen die Jungs der Klasse xy?

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 28.12.2014

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