Villains-Collection-6 mp3

Autor*in
Disney,
ISBN
978-3-8445-4312-4
Übersetzer*in
Kurtz, Ellen
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in / Sprecher*in
Umfang
2123  Minuten
Verlag
Der Hörverlag
Gattung
Digitale MedienMärchen/Fabel/Sage
Ort
München
Jahr
2021
Alters­empfehlung
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
39,00 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

Es sind keine Neuerzählungen von Märchen (s. CD). Die Autorin entwickelt „die Geschichten hinter den Bösewichten“ (nahezu ausschließlich Frauen, Hexen) zu gänzlich neuen Erzählungen, indem sie Märchen mit Inhalten und Figuren anderer Gattungen verbindet, um damit einen übergreifenden Zusammenhang nahezulegen. Gräuel, in Details geschildert, stehen im Fokus. Intrigen, Eifersucht, und Zerstörung, bis weit über den Tod hinaus, werden von Valentino genüsslich ausgebreitet.

Beurteilungstext

Den 6 Hörbüchern mit Märchenmotiven aus den Sammlungen der Brüder Grimm liegen die „Neufassungen“ (wie leider vorgegeben wird) von Serena Valentino zugrunde. In Unkenntnis der Villains-Scene von Disney und der früheren Arbeiten von Valentino können potentielle HörerInnen nur rat- und hilflos dem Gehörten folgen. Das (vorherige) Lesen der Bücher mag möglicherweise eine andere Wirkung haben.
Es geht in der Sammlung hier um die Motive „Schneewittchen“, „Die Schöne und das Biest“, „Arielle mit der Seehexe Ursula“, „Dornröschen“, „Rapunzel, mit der Stiefmutter Gothel“ und „Das Geheimnis der Schwestern „ (Die verdrehten Schwestern). Weitere Bücher sind in Arbeit.
Die sechs Erzählungen haben miteinander zu tun. Die erdachten Zusammenhänge werden aber auf den CDs nicht immer neu verknüpft. Daher sind manche Bezüge nur im Ganzen verstehbar. Die CDs sollten daher nacheinander gehört werden.
Valentino adaptiert die Sprache der Märchen perfekt. Sie entwickelt eigene „Geschichten hinter den Bösewichten“ und gibt damit vor (lt. Deckeltext des Hörbuchverlages und den Herausgebern des Carlsen – Verlages), Antworten für deren böses Verhalten gefunden zu haben. Dabei übersteigen ihre Fantasien die bekannten Grausamkeiten der Märchen bei Weitem.
Valentino will die Geschichten hinter den Bösewichten herausfinden. Sie verflicht und verknüpft Sagen- und Märchenpersonal mit Versatzstücken von Legenden und Fabeln und baut - durch eigene Fantasie und Ergänzung weiteren Personals - diese Teile zusammen.
Ziel ist offenbar, die übergeordnete Erklärung für jegliches Handeln aller in Märchen vorkommenden bösen Figuren zu finden.
Dabei kann die Autorin Valentino erzählen. Ihre Beschreibungen der noch intakten Schlösser, der Stimmung in den unterschiedlichen Räumlichkeiten, der Blumenfelder, der vielen genüsslich zubereiteten und aufgetragenen Speisen, lassen immer mal für kurze Zeit Harmonie im Äußeren aufblitzen. So sorgen z.B. die Kontakte des Skelettes Jakob im Totenwald (Das Geheimnis der Schwestern) dafür, dass alle Wünsche der Schlossbewohner jederzeit, durch Kontakte zum Dorf in der Nachbarschaft, erfüllt werden. Von wunderbaren Stoffen und Möbeln bis zu den Lieblingsspeisen ist alles beschaffbar. Wie dies geschieht, bleibt ebenso unerwähnt, wie die genauere Aufteilung in reale und magische Welt.
In allen sechs Fassungen spielen die „gemeinsten Schwestern der Welt“ eine ursächliche Rolle für das Geschehen und jegliche Niedertracht, sowie die Zerstörung aller Menschlichkeit. Die Autorin behält sich vor, die Charaktere der Schurkinnen genauer zu definieren. Dies wäre aber wichtig, wenn denn überhaupt ein Interesse an den Hintergründen der Figurenmotive bestünde. Sie gibt keine genauen Anhaltspunkte zum Mitdenken, außer Hass und Eifersucht.
Neben Triton, dem Meereskönig, Feen (u.a. der dreizehnten Fee bei Dornröschen), der bösen Hexe Gothel (auch ihr Verhalten wird neu erklärt), spielt sogar Oberon eine Rolle. Er ist einer der wenigen männlichen Figuren mit magischen Fähigkeiten. Leider werden auch diese nicht explizit genannt, obwohl er über den Hexen zu stehen scheint, wenn er im Konflikt von ihnen zur letzten Entscheidung gerufen wird.
Die Schwestern Lucinda, Ruby und Martha sind Hauptgestalterinnen des Bösen, der „Verschlagenheit und Tücke“. Mithilfe ihres (niemals vorher einschätzbaren) magischen Potentials und dem ihrer Helfer, zerstören sie wirklich alles.
Warum werden diese „Märchen“ hier erzählt? Welches Weltbild steckt dahinter? Welche Frauenbilder? Worum geht es?
- Mal geht es immer wieder neu um Schönheit, die als Wert absolut steht. Wenn sie vergeht, gibt es kein Recht auf Anerkennung oder Liebe.
- Mal geht es um Blut. Das Blut der Mutter, unser Blut der Schwestern, euer Blut der Familie. Blutzugehörigkeit entscheidet und entschuldigt alles Tun. Das Blut eurer Mutter, welches Fähigkeiten und Kräfte weiterträgt oder alles vernichten kann. Nur das Blut definiert Zugehörigkeit. Kein anderes Attribut wird je anerkannt.
- Mal gibt es als weiteres großes Motiv seit Schneewittchen, den Spiegel. Spiegel zeigen Wahres, verzaubern durch ihr Licht, lassen in andere Welten sehen und gehen, Spiegel zeigen paralleles Geschehen, lassen sich befragen. Der Spiegelmacher, seine schöne verstorbene Frau und die angeblich hässliche, von ihm abgelehnte Tochter und seine magischen Spiegel, haben ungeahnten Einfluss an vielen Stellen der Erzählungen.
- Mal geht es um undefinierte magische Kräfte. Hier wird es - im negativen Sinne -besonders mysteriös. Den magischen Kräften der Schwestern, der magischen Tiere - wie Raben, Katze, der besonders stark magischen Blumen - gelingt es, alles zu zerstören oder - auf unerklärbare Weise - auch nach Jahrhunderten wieder entstehen zu lassen. Warum wird dann nicht abgewartet, bis sich die Magie fügt?
- Mal geht es einfach nur um eine beschworene Magie an sich. Um die magische Kraft, von der selbst die Person, der diese Kraft innewohnt, nichts weiß. Das hätte sogar Potential im Sinne einer Entwicklung. Doch: Ergibt sich ein Problem, werden die Hexen an irgendeine Magie appellieren und sie im bösen Sinne entfalten. Welche es genau ist, bleibt unklar.
Doch dem Grauen, Töten und Verletzen nicht genug. Selbst, wenn LeserInnen annehmen, dass nun endlich eine Linie auserzählt ist, weil gestorben, tauchen plötzlich irgendwoher neue Fähigkeiten auf, die alles wieder rückgängig machen können.
Woher kommen diese Fähigkeiten? Wer hat genau welche? Wer hat sie von wem bekommen (außer durch das Blut)? Welche magischen Kräfte stehen über anderen?
Mitdenken hilft da nicht. Es wird nicht nachvollziehbar, ob die Magie durch Zusammenschluss angeregt werden kann, es eindeutige Hierarchien gibt oder, vielleicht das Nebenpersonal, die eigentlichen Fäden in der Hand, in der Pfote oder Kralle, in der besonderen Erde hat.
Alles Gute bleibt dem Bösen ohne Gnade ausgeliefert. Der Unort Totenwald, in dem Gräber geöffnet werden können, in dem aber nichts mehr wächst und irgendwelche Hexen versuchen, den Skeletten ihre Rollen zuzuweisen, beendet die Schilderungen des Grauens. Es geht um alle Toten, die den Hexen versprochen wurden und um zukünftige Tote. Jakob,das Skelett, der frühere Liebhaber und Vater der Schwestern, geht um, organisiert, tröstet, kennt offenbar die ganzen Zusammenhänge. Er wird trotz seiner Erscheinung geliebt und akzeptiert.
Insgesamt bleibt ein Chaos in der Welt und im Kopf zurück. Das Verständnis der Vorgeschichten (auf den CDs 1-5) hilft nicht wirklich beim Weiterlesen. Nichts wird klarer am Kern der Urfassungen dieser Märchen. Neue Perspektiven bleiben aus.
Diese Mixtur ist auf gar keinen Fall Kindern und Jugendlichen im frühen Alter zuzumuten. Sie wird bei den Büchern sogar Kindern ab 10 empfohlen. Die Cover könnten warnen. Unvorbereiteten Kindern werden sie zum Glück Angst machen.
Ja, Valentino kann erzählen. Die Sprache ist gleichbleibend flüssig, ausschmückend beschreibend, wortgewandt und dennoch leicht zu verstehen. Der Sprachfluss verläuft ohne Brüche unverändert weiter, egal, ob er die Natur, das Schloss oder immer wieder die unglaubliche Schönheit der Protagonistinnen beschreibt oder die Zerstörung und den Hass. Das könnte auch als zynisch bezeichnet werden.
Als perfide empfindet es daher zumindest die Rezensentin, dass die Lesung von Tanja Geke und dem Hörverlag daherkommt, als könne man sich für die Zeit der Lesung, auf eine – und sei es noch so grausame – neuerzählte Märchenwelt einlassen.
Die Stimme der Lesung nimmt zunächst gefangen, selbst wenn mit der 6. CD, dem gruseligsten Geschehen, begonnen wird.
Geke liest säuselnd und „ empathisch“ selbst wenn es um die ungeheuerlichsten Vernichtungen geht: Natürlich muss man die eine oder andere gräuliche Tat verstehen, so suggeriert diese Stimme. Schließlich wurde wieder einmal die Schönheit nicht erkannt oder es war das falsche Blut. Es ist so in Märchen (obwohl auch die nicht für Kinder verfasst wurden).
Geke gibt den Hexen nicht immer deutlich unterscheidbare Sprechstimmen. Hinzu kommt, dass selbst in deren jeweiligen Stimmen emotionale Differenzierungen fehlen: Wenn eine der Hexen“ flüstert“ oder wütend ist, ist es aus der Lesung selbst nicht herauszuhören, sondern an der danach gelesenen Erklärung: „flüsterte Ruby“ oder „regte sich Martha auf“.
In über mehr als 35 Stunden ist der überwiegend gleichbleibende Vorleseduktus schwer zu ertragen. So lange - selbst portioniert, in jeweils mehr als vier, fünf, sieben oder achtstündiger Lesezeit der CDs - sind Zerstörung und Bösartigkeit sogar in unserer Welt, die viele Horrorszenarien kennt, kaum auszuhalten. Will man an den Horror gewöhnen? Soll er das Normale sein?
Bettelheim fordert Märchen für Kinder. Auch grausame Stellen der Grimmschen Sammlung machen es Kindern möglich, sich auf das Böse in der Welt vorzubereiten, auf das Ungerechte. Diese Motive finden sich weltweit in allen Kulturen wieder, in denen Märchen erzählt und aufgeschrieben wurden. Doch geben Märchen Raum für eigene Überlegungen, lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen deuten, warnen, trösten, und Vieles mehr. Sie bewirken Rezeptionsgeschichten, und es gilt, ihre Leerstellen zu füllen.
Dies geschieht hier nicht. Alles wird ausführlichst und genüsslich auserzählt. Valentino gibt aus Sicht der Rezensentin in allen Adaptionen nur scheinbar vor, dass erklärt werden kann, warum das böse Personal, z.B. die Stiefmutter bei Schneewittchen (CD 1), sich so unmenschlich verhalten hat. Sie war lt. Valentino ursprünglich auch mal gut. Sie war sogar in besonderer Weise herzlich zu „Schnee“. Es wurde ihr Böses angetan, sie wurde nicht umfänglich genug geliebt, sondern von ihrem Vater wegen ihrer Hässlichkeit (s. Spiegelmacher) verflucht. Ihre (äußere) Schönheit wurde nicht erkannt. Daher kann sie auch spätere Ablehnungen nicht verkraften. Sie musste böse werden und die zuvor geliebte Stieftochter töten lassen. Das muss man doch verstehen?
Eine ähnliche Logik entspinnt Valentino auch an anderen Stellen immer wieder, u.a. bei der Darstellung der Verwandlung vom ursprünglichen schönen Prinzen zum Biest.
Immer wieder münden die Erklärungen bei einem undurchschaubaren Verwandtschaftsgeflecht in der Welt der Hexen, bei dem Geliebt-Werden wegen der außerordentlichen Schönheit oder bei der Gemeinsamkeit des mütterlichen Blutes.
Die Vorlesesprache spricht gleichermaßen empathisch, wenn sich die Schwestern oder Cousinen oder enge Verwandte mit „meine Liebe“ ansprechen. Diese Ansprache wird aber ebenso benutzt, wenn sie nicht ehrlich gemeint ist. Schade ist, dass keine der Beteuerungen „meine Liebe“ von den Zuhörern aufgrund des Geschehens und der Lesart je eingeschätzt werden kann. Ironie, echte Zuneigung oder Abwertung sind nicht herauszuhören.
Geke verschluckt häufig Endungen, was allerdings nicht durchweg störend ist.
Beim Abhören ist bei normaler Lautstärke wiederholt der Beginn des neuen Tracks nicht zu verstehen (nur ein technisches Problem der genutzten Anlage?).

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Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 08.02.2022

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