Unsichtbar in der großen Stadt

Autor*in
Smith, Sydney
ISBN
978-3-8489-0176-0
Übersetzer*in
Ott, Bernadette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Smith, Sydney
Seitenanzahl
40
Verlag
Aladin
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Stuttgart
Jahr
2021
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Klein in der Stadt, wäre die wörtliche Übersetzung des Titels. Klein ist das Kind, das allein seinen Weg durch die Stadt finden muss. Es kennt sich aus mit der Bahnfahrt, mit den lauten Straßen, die von Hochhäusern gerahmt sind, mit Lärm und Enge. Ein Kind sollte hier nicht allein unterwegs sein. Dass es nicht beachtet wird, nicht auffällt zwischen den vielen umtriebigen Menschen, kann uns nur besorgt machen. Die Bilder sprechen zunächst eine düstere Sprache, bis sie später freundlicher werden.

Beurteilungstext

Dick in schwarz umrahmte Szenen von der Fahrt und dem Weg eines Kindes durch die große Stadt geben eine unendliche Traurigkeit wider. Der Blick aus dem Fenster der Bahn verschwimmt. Die Ausschnitte und ersten großformatigen Bilder wirken wie Zeichnungen aus einem Skizzenbuch.
Taucht das Kind auf, kommen zu dem Schwarz und dem Grau auch noch ein Oliv, ein roter Mützentupfer und wenige beige- orangene Tupfer hinzu. Es überwiegen aber viele Seiten dunkler Schatten, schwarzer geometrischer Fluchtwege und Hausschluchten, die sich in Glasfassaden spiegeln. Die niedrige Augenhöhe des Kindes ermöglicht ihm nur einen stark eingeschränkten Blickwinkel. Sein Blick fällt auf Beine oder reicht den Menschen bis zur Taille. Einzelne Szenen wirken regelrecht bedrohlich. Dies zeigt auch der Gesichtsausdruck des Kindes auf mehreren Bildern im Profil, das nicht einmal immer seine Augen zeigt.
Bis alles etwas heller und ein wenig farbiger wird, gelb und orange getupfte Gummistiefel hinzukommen und die Nase des Kindes von der Kälte gerötet zu sein scheint, haben die Betrachter das Kind schon eine Weile begleitet und sind mit ihm traurig aus der Bahn gestiegen.
Die Körperhaltung ändert sich erst, als es die Straßen der Innenstadt verlassen hat. Die wenigen kurzen Texte wechseln vom „ich“ zum „du“. Das Kind spricht sich zunächst selbst Mut zu, wahrscheinlich von der Mutter oft gehört, gibt dann aber die Ratschläge an jemanden anderen weiter. Bis hierher sind Bild- und Texterzählung für kleine Kinder beängstigend.
Nach dieser Stelle können Kinder bedenkenloser hinzugenommen werden. Die Farben werden heller, die Umgebung ist klarer strukturiert. Die Gassen sind bekannt sowie auch die Ecken, die lieber zu meiden sind.
Es sind jetzt Orte, die vom Kind eingeordnet werden können. Manche sind sogar im Winter heimelig. Doch wer ist das „Du“? Es ist doch nicht das Kind selbst, das im Winter mit Schultasche auf den Walnussbaum steigen möchte oder sich vom Fischhändler einen Fisch zu erschleichen hofft?
Erst im letzten Drittel wird klar, zu wem das Kind spricht und aus welchem Blickwinkel es die Verstecke und Möglichkeiten des Weges überdenkt. Es spricht zu der Katze.
Das Kind sucht seine Katze. Sie ist es, die gerne klettert, Musik aus dem Kirchenfenster hört, warme Plätze liebt und auf der Parkbank gestreichelt werden möchte. An verschiedenen Stellen bringt das Kind nun große Zettel an, dass diese Katze vermisst wird.
Inzwischen sind die Bilder überwiegend winterlich weiß. Schnee fällt. Die Rücklichter der Autos verschwinden in der zudem noch nebligen Luft. Das Kind hat freiere Flächen erreicht. Dunkle Stämme und Äste sind zugeschneit. Da sollte doch die Katze nach Hause kommen, wo eine Schale Milch und ihre Decke warten. „Wenn Du magst.“, hofft das Kind.
Noch weiter stapft das Kind. Völlig allein. Andere Menschen gibt es schon seit dem Fischhändler in der Mitte des Buches nicht mehr. Dann ist es auf den letzten drei Seiten, auf denen die Bilder Trost und Heimkehr versprechen, angekommen. Seine Mutter wartet auf der zugeschneiten Straße. Die Häuser werden ein wenig farbiger, erst recht das eigene, aus ockerfarbenen Steinen. Die Tür ist rot, sie leuchtet einladend. Auch der säulenartige Türrahmen wirkt wie eine Umarmung. Warmes Licht scheint aus den oberen Fenstern. Kind und Mutter halten sich fest. Das Kind wurde erwartet, wie sonst auch?
Der letzte Satz könnte von beiden gesprochen sein: „Ich weiß, du findest dich schon zurecht.“ Wer denn? Ist die Katze gemeint oder das Kind, das täglich diesen Weg meistern muss? Beide könnten gemeint sein.
Es ist möglich, dass die Katzenspuren, die auf das Haus zu und dann weiter zu den im Winter noch rot blühenden Sträucherspitzen führen, zeigen, dass auch die Katze zurück gefunden hat. Das bleibt unbeantwortet.
Gegen diese Annahme spricht möglicherweise das zweite Bild ganz vorne im Buch, auf dem ein paar abgebrochene Zweigstücke mit roten Blütenspitzen in einer Tasse Wasser stehen. „In Gedenken an Sheila Barry“.
So könnte das ganze Buch als eine Metapher gelesen werden und wäre eher an Erwachsene gerichtet, die einen eigenen Verlust aus ihrer Kindheit kennen. Sie werden die seelische Verfassung dieses Kindes gut nachvollziehen können. Sie werden Verluste verstehen können, die ein Kind erleidet oder erlitten hat.
Die Gestaltung berührt. Doch wie gehen Kinder damit um? Auch Kinder müssen an Traurigkeit und Sorgen herangeführt werden. Das Buch bietet viele Gesprächsanlässe.
Die Rezensentin rät daher, die lesenden und betrachtenden Kinder auf dem Weg durch die Bilder auf jeden Fall zu begleiten. Bei dem eigenen Versuch, das Buch mit 4-7 jährigen Kindern anzuschauen, haben diese es – unabhängig voneinander - sofort zur Seite gelegt und nach anderen Büchern gegriffen. Es schien ihnen klar zu sein, dass es um etwas sehr, sehr Trauriges geht.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 08.02.2022

Weitere Rezensionen zu Büchern von Smith, Sydney

Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen
Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen
Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen
Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen
Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen
Smith, Sydney

Unsichtbar in der großen Stadt

Weiterlesen