Talitha

Autor*in
Philipps, Carolin
ISBN
978-3-85197-825-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
218
Verlag
Obelisk
Gattung
Ort
Innsbruck
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

"Was sie nicht kennen, befeinden die Menschen". Mit diesem arabische Sprichwort leitet Philipps die Kindheits- und Fluchtgeschichte der 16-jährigen Talitha aus Syrien nach Deutschland ein. Talithas glückliche Kindheit und Jugend ist mit dem Tod der Großmutter und dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vorbei. Als die Lage für die wohlhabende christliche Familie zu gefährlich wird, machen sie sich auf langen Fluchtweg über die Türkei, das Ägäische Meer, Griechenland, die Balkanstaaten.

Beurteilungstext

Ein Septembertag im Jahr 2015: Auf die Weiterfahrt wartend, ín einem überfüllten Zug in Budapest, voller Sorge und Angst beginnt Talitha in ihr Tagebuch zu schreiben. Dies tut sie wie in einem Zwiegespräch mit ihrem geheimen Freund Fady, von dem niemand weiß, wie es ihm zuhause ergangen ist, war er doch aktiv gegen die Regierung Assads.
Rückblickend sucht Talitha angeregt durch den Rat ihrer Mutter "etwas Schönes in der Erinnerung" (S. 8) und beschreibt ihren Alltag und den ihrer Familie und Freunde in Damaskus seit September 2013, als ihre Großmutter unerwartet stirbt. Sie wollte nie ein Flüchtling werden (S. 5), aber es war zu gefährlich geworden - durch den Krieg, die Bombardierungen, die Anschläge und die unklare politische und militärische Situation für die christliche Familie. Als ihr Bruder durch eine Autobombe ums Leben kommt und Talitha durch eine unbedachte politische Aktion in die Hände der Geheimpolizei gerät, bleiben nicht mehr so viele Alternativen für die Familie - sie fliehen.
Der Hauptteil des Buches besteht aus den in vier Teile gegliederten Rückblicken Talithas: In Teil eins und zwei berichtet sie vom zunehmend bedrohlicher und gefährlicher werdenden Leben in Damaskus vom Herbst 2013 bis zur Flucht im Juli 2015. Sie schreibt: "Wir haben im Paradies gelebt. Aber die Zeit ist gekommen, das Paradies zu verlassen, das längst zur Hölle geworden ist." (S. 140) Teil drei ist der Beschreibung der Flucht der Familie über Österreich nach Deutschland gewidmet, bei der sie durch unglückliche Zufälle nicht nur den Vater, sondern dann auch die Mutter und den kleinen Bruder Noah verliert. Aber schließlich finden sich alle wieder und sogar von ihrem Freund Fady kommt endlich die Nachricht, dass er in der Türkei ist - pleite, aber in Sicherheit. (S. 218)
Gelungen finde ich die literarische Konstruktion des Jugendromans als Tagebuch bzw. Brief an den Freund, der die Erinnerungen der Protagonistin wach hält und das in der aktuellen Situation nicht mögliche Gespräch mit dem Geliebten ersetzt. Insbesondere die Gefühle wie Angst und die Sorge um Freunde und Familienmitglieder werden, auch in der Widerholung, nachvollziehbar und glaubwürdig erzählt.
Der poetische Schmuck am Rande, vor allem die leitmotivisch gesetzten Aphorismen von Khalil Gibran, bilden den Rahmen dieser fiktionalen Geschichte über ein junges Mädchen in einer Extremsituation.
Sehr kritisch sehe ich allerdings den Versuch der Autorin, die unübersichtliche und schwer zu beurteilenden politisch-militärische Lage in Syrien in den vergangenen Jahren in das Tagebuch ihrer Protagonistin einfließen zu lassen. Dies liest sich leider manchmal wie ein schlecht gemachter Zeitungsartikel im bundesdeutschen Blätterwald über das verbrecherische Assad-"Regime", dem fast ausschließlich die Schuld für die furchtbare Entwicklung und das Leid der Zivilbevölkerung gegeben wird. Obwohl die meisten Familienmitglieder als Christen keine wirklich Alternative zu Assad sehen (S. 48), werden doch die Verbrechen des Geheimdienstes (Verhaftung und Ermordung von Regierungsgegnern - sogar von Kindern und Jugendlichen) als die bedrohlichsten und gefährlichsten für Talitha und ihr Umfeld geschildert. Talitha, behütet auf einer internationalen Schule aufgewachsen, erzählt dann von der staatlichen Schule, die sie hasst und auf die sie nun gehen muss. Die Schilderungen (ab S. 66) lassen jegliche Sachlichkeit vermissen, was zwar der Protagonistin nicht vorzuwerfen ist, aber doch der Autorin: Muffige, alte Schulgebäude, Schuluniform, Appelle und Durchhalteparolen und das Verbot religiöser Symbole - alles ziemlich furchtbar für jugendliche Leser in Deutschland.


Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.07.2016

Weitere Rezensionen zu Büchern von Philipps, Carolin

Philipps, Carolin

Tuvalu - Bis zum nächsten Sturm

Weiterlesen
Philipps, Carolin

Amina. Mein Leben als Junge

Weiterlesen
Philipps, Carolin

Amina - mein Leben als Junge

Weiterlesen
Philipps, Carolin

Apfelblüten + Jasmin

Weiterlesen
Philipps, Carolin

Tanz auf Scherben

Weiterlesen
Philipps, Carolin

Talitha

Weiterlesen