Schallplattensommer

Autor*in
Bronsky, Alina
ISBN
978-3-423-76370-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
192
Verlag
dtv
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ein heißer Sommer irgendwo im Nirgendwo. Ein Mädchen, das nicht nur ihr Leben wie eine Erwachsene meistern muss, sondern auch die Verantwortung für die Großmutter und die gemeinsame Gastwirtschaft schultert. Die merkwürdigen neuen Nachbarn und die aufkeimende Liebe zu Caspar. Eine geheimnisvolle Schallplatte, die direkt zur eigenen Familie führt. Alina Bronsky erzählt leicht und lakonisch von tiefgehenden Fragen der Adoleszenz.

Beurteilungstext

Maserati hat nicht nur einen eigenartigen Namen, sondern lebt auch unter eigentümlichen Umständen. Trotz ihrer außergewöhnlichen Intelligenz hat die knapp Siebzehnjährige seit Monaten die Schule nicht mehr besucht; stattdessen schuftet sie gemeinsam mit ihrer leicht dementen Oma in der Garten-Gastwirtschaft auf einem Dorf in der tiefsten Provinz. Während die Oma kocht, bedient sie die Gäste, die in Massen kommen, denn das kleine Restaurant hat sich längst als ""Geheimtipp"" in Internetforen und Reiseführern etabliert. Maserati hat nur ein altes Handy, das sie irgendwann verliert, kein Fernsehen, kein Radio und kein Internet. Das hat einen Grund: Die Oma soll so gut wie möglich von Informationen aus der Außenwelt abgeschirmt werden. So soll die Gefahr verringert werden, dass sie irgendetwas von ihrer Tochter, Maseratis Mutter, erfährt - einer ""It-Woman"", einer Königin der Klatschspalten, die nicht nur die hundertste plastische OP hinter sich hat, sondern auch ihre Kinder bei einem Totalabsturz beinahe verhungern ließ. Maserati meint, all dies im Griff zu haben. Aber die neuen Nachbarn, die die Villa am Ortsrand gekauft haben, bringen ihr Gleichgewicht ins Wanken. Sie stören durch den Lärm ihrer teuren Autos und der Baumaschinen nicht nur die ländliche Idylle; vor allem die beiden Söhne lassen ihr keine Ruhe mehr. Theo - depressiv, leicht autistisch und auf ""seine"" Musik fixiert; Caspar - hübsch, frech und offensichtlich an ihr interessiert. Dass Theo ihr gleich in den ersten Tagen auf dem Cover einer Schallplatte ein Foto zeigt, das Maserati abzubilden scheint, macht die Sachlage nicht übersichtlicher. Maserati versucht Distanz zu halten; flieht in die Arbeit und zu Georg, ihrem Freund; wie sie ein Außenseiter. Doch sie kann der sich entwickelnden Liebe zu Caspar ebenso wenig ausweichen wie der Konfrontation mit der Geschichte ihrer ""kaputten"" Familie.
Alina Bronsky besticht schon in ihren früheren Büchern mit einem sehr individuellen ""Sound des Erzählens"", mit einer sehr eigenständigen Tonlage - lakonisch, beinahe karg, dabei präzise, lebendig und fernab aller Klischees. Es ist in erster Linie die stilistische Brillanz, die ""Schallplattensommer"" zu einem Leseerlebnis macht. Bronsky verzichtet auf allen tatsächlichen und vermeintlichen Jugend-Slang, ihr Ausdruck ist luftig und ohne alle bedeutungsschweren Erläuterungen; die Dialoge pointiert und frisch. Die Struktur des Romans ist einfach gehalten. Es wird linear in der dritten Person erzählt; mit wenigen kleinen Rückblenden. Der Spannungsbogen, den die Autorin aufbaut, ist allerdings bemerkenswert - vergleichbar einer Hyperbel. Lange verläuft das Geschehen ruhig, alle Handlungsmuster entwickeln sich sehr bedächtig. Um dann zum Ende des Buches hin eine große Dynamik zu entwickeln: die unvollständige Auflösung der Geschichte hinter dem mysteriösen Cover-Foto; der Durchbruch der Liebe zwischen Maserati und Caspar und der gleichzeitige Verlust Georgs in mehrfacher Hinsicht; die Ursachen für Theos Depression und Verschlossenheit - all das wird auf wenigen Seiten dichtgedrängt einem Ende zugeführt, das ganz bewusst in einem Schwebezustand bleibt. Ob es ein Happy-End ist, obliegt der Sichtweise des Lesenden. Das gesamte Figurenensemble ist atypisch. Es gibt keine wirklich ""normalen"" Menschen unter den Protagonisten - die vermeintliche Normalität bleibt Maseratis zweimal auftauchendem Lehrer und den Sommergästen im Restaurant vorbehalten. Dennoch erscheint keine der Hauptfiguren überzeichnet und konstruiert. Die jeweiligen einzelnen Biografien sind glaubwürdig und bei aller Komplexität nachvollziehbar. Berührend ist der Mut, sich verqueren und schwierigen Lebenssituationen zu stellen, mit dem Bronsky ihre Helden ausstattet und dabei Gefühle und Einsichten zuzulassen, auch wenn sie schmerzhaft sind.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ.

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