Rico, Oskar und die Tieferschatten

Autor*in
Steinhöfel, Andreas
ISBN
978-3-551-55551-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schössow, Peter
Seitenanzahl
220
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2008
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
12,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Rico bekommt von seinem Lehrer im Förderzentrum die Aufgabe, ein Ferientagebuch zu führen. Anfangs reizt ihn die Aufgabe nicht besonders, aber dann passieren so viele Dinge gleichzeitig. Da lernt er zufällig seinen Freund Oskar kennen, der plötzlich entführt wird. Rico beginnt, diesen Fall zu lösen, und er besteht in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Abenteuern. Und plötzlich fällt es ihm ganz leicht, das Ferientagebuch mit interessanten Geschichten zu füllen.

Beurteilungstext

Andreas Steinhöfel ist schon seit vielen Jahren ein renommierter Autor von Kinderliteratur. Darüber hinaus ist er Übersetzer, schreibt Drehbücher und arbeitet bei verschiedenen Zeitschriften als Rezensent von Kinderliteratur. Er erhielt so prominente Preise wie den Erich-Kästner-Preis, den Luchs oder den IBBY Honor-Award und wurde schon mehrfach für den Kinderliteraturpreis nominiert. Unvergessen sind seine Bücher "Paul Vier und die Schröders" und "Der mechanische Prinz". Auch das vorliegende Buch wurde schon 2008 mit dem Corine ausgezeichnet.
Typisch für die Bücher Steinhöfels ist ein besonderer erzählerischer Stil, der gleichzeitig sehr kompakt und kunstvoll, aber auch leicht und humorvoll ist. Dieser Stil prägt nun in besonderer Weise das Buch "Rico, Oskar und die Tieferschatten".
Im Buch stecken eigentlich gleichzeitig drei Geschichten. Auf einer ersten Erzählebene zeichnet Steinhöfel ein sehr eindrucksvolles Bild von Rico. Dieses Bild ist auch deshalb so intensiv, weil Steinhöfel die Geschichte aus der Perspektive dieses Jungen erzählt. Rico ist anders als die anderen Kinder. Aus der Tatsache, dass er keine normale Schule, sondern ein Förderzentrum besucht, weiß der Leser, dass er eine Lernbehinderung, vielleicht sogar eine geistige Behinderung hat. Wir erfahren nicht das genaue Alter des Jungen und die exakte Art der Behinderung. Die Leserinnen und Leser erfahren aber von Rico selbst, was ihn behindert. Nach seiner eigenen Aussage denkt er eigentlich sehr viel, nur dass es bei ihm länger dauert als bei den meisten anderen Menschen. Im Verlaufe der Geschichte wird aber klar, dass dies deshalb nicht weniger ist. Und dann hat Rico noch bemerkt, dass aus seinem Gehirn manchmal ein paar Sachen raus fallen, die er dann nicht wiederfindet. Er vergleicht dies immer mit Bingo-Kugeln, die sich in seinem Kopf bewegen und dort für Unruhe sorgen. Deshalb hat er zum Beispiel Angst, sich in der Stadt zu verlaufen. Und manchmal braucht er länger, um sich an eine Sache zu erinnern. Diese Handicaps werden aber so nachvollziehbar beschrieben, dass es kaum einen Leser oder eine Leserin geben wird, die ähnliches nicht auch bei sich selbst - wenn auch in anderer Intensität - beobachten können. Dazu kommt, dass sowohl Rico als auch seine Mutter sehr offen mit diesem Thema umgehen. Alle Bewohner des alten Mietshauses im Prenzlauer Berg, in dem Rico mit seiner Mutter lebt, sind über diese Eigenheit des Jungen informiert. Und Rico stellt sich auch jedem neuen Bekannten sofort vor, indem er sich als "tiefbegabt" beschreibt.
Auf einer zweiten Erzählebene des Buches wird gezeigt, wie Rico am Beginn der großen Ferien einen Freund findet. Es ist von Anfang an eine sehr intensive, aber doch eigenwillige Freundschaft. Sie empfängt ihre Spannung vor allem aus einem riesigen Kontrast. Rico begegnet plötzlich und scheinbar zufällig Oskar. Oskar ist einige Jahre jünger und ganz offensichtlich hochbegabt. Er weiß ungeheuer viel und zögert auch nicht, alle Personen an diesem Wissen teilhaben zu lassen. Dies wird insbesondere beim Zusammentreffen mit Erwachsenen von diesen oft nicht geschätzt. In diesem riesigen Wissen ist er das ganze Gegenteil von Rico. Auf der anderen Seite ist Oskar aber sehr ängstlich. Dies äußerst sich zum Beispiel darin, dass er mitten im Sommer und als Fußgänger einen Motorradhelm trägt, weil die Welt - wie er sicher aus verschiedenen Statistiken weiß - äußerst gefährlich ist. So sind die Jungen also in mehrfacher Hinsicht sehr verschieden, und gerade aus diesem Unterschied heraus entwickelt sich eine Freundschaft.
Und da wird auf einer dritten Erzählebene eine spannende Kriminal- und Detektivgeschichte erzählt. In der Stadt hat seit einiger Zeit der Entführer "Mister 2000" schon eine ganze Reihe von Kinder entführt und sie gegen die Summe von 2000 € wieder frei gelassen. Plötzlich wird auch Oskar entführt. Und Rico gelingt es fast ganz auf sich gestellt, den Kriminalfall zu lösen. Da aus der Perspektive Ricos erzählt wird, erfährt der Leser oder die Leserin immer genau so viel, wie Rico über den Fall weiß. Er oder sie kann deshalb mit kombinieren und den Fall fast zeitgleich lösen. Während dieser spannenden Ermittlung hat der Leser oder die Leserin am Ende fast gar nicht mehr das Gefühl, dass Rico "tiefer begabt" ist als andere. Dieser Eindruck entsteht allerdings nicht dadurch, dass die bestehenden Handicaps verharmlost werden, son-der durch die Betonung anderer Eigenschaften, die Rico als ganz besonderen Jungen zeigen.
Die drei Erzählebenen sind meisterhaft miteinander verknüpft und bilden ein großes Ganzes. Dazu kommt der sehr leichte und oft humoristische Sprachstil Steinhöfels. Dieser Humor wird in der Ausgabe bei Carlsen durch sehr interessante Illustrationen von Peter Schössow unterstützt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die beiden Helden Rico und Oskar viel Interesse bei den Leserinnen und Lesern finden werden.

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Diese Rezension wurde verfasst von ns.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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