Mädchenmeute

Autor*in
Fuchs, Kirsten
ISBN
978-3-499-21758-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
464
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Idee, dass die fünfzehnjährige Charlotte an einem Survival-Camp-Abenteuer an der Ostsee teilnehmen sollte, kam von ihrer Mutter. Hätte sie geahnt, wie sich dieses Abenteuer gestalten würde, wäre es sicherlich nie zu einer Anmeldung gekommen. Da Charlotte nicht wieder die Ferien bei Oma verbringen wollte, nahm sie die Herausforderung an. Was dann geschah, übertraf alle Erwartungen - in positiver wie in negativer Weise.

Beurteilungstext

Die Ich-Erzählerin Charlotte steckt mitten in der Pubertät, kämpft mit ihren Selbstzweifeln wegen ihres häufigen Rotwerdens und ihres Aussehens. Das Verhältnis zu ihren Eltern, die völlig in ihrem Hausreinigungservice Nowak & Nowak aufgehen, ist ziemlich gespannt, da Charlotte weder im Auto noch im ‚Familienleben' einen Platz für sich findet bzw. sieht. Ihr Mangel an Selbstbewusstsein und die offensichtlich geringe Akzeptanz in ihrer Klasse führten dazu, dass Charlotte sich optisch - und offensichtlich auch sozial bzw. gruppenspezifisch - immer in die letzte Reihe einordnet und das Sprechen ihren Mitmenschen überlässt.
Bereits auf der Hinfahrt, spätestens bei der Ankunft der kleinen Gruppe, die aus acht Mädchen und der Reiseleiterin bzw. Survivaltrainerin Inken besteht, ahnen die Mädchen, dass diese Freizeit sicherlich nicht ‚nach Prospekt' verlaufen wird. Sie landen mitten in der Nacht in einem ehemaligen Lager der DDR-Jungpioniere, im strömenden Regen sollen sie ihre Baracken beziehen, die von Inken ausgeteilten Taschenlampen sind ohne Batterien, die Überlebenspakete enthalten nicht einmal das Notwendigste zum Leben. Merkwürdige Geräusche, ein ekelhafter Verwesungs- und Brandgeruch, der ihnen beim Toilettenhaus entgegenwabert, von außen abgeschlossene Barackentüren führen zu den ersten angespannten Nerven. Als Charlotte und ihre Bettnachbarin Bea am nächsten Morgen einen schrillen Schrei hören und nicht nur Inken, Mimiko und ihr Gepäck fehlen, sondern sie auch noch in einer Baracke frische Blutspuren auf dem Boden und Schmierereien an den Wänden entdecken, vermuten die Mädchen, dass irgendetwas nicht stimmt. Bekanntlich schmiedet Not am engsten zusammen und schnell lernen die Mädchen einander kennen: Rike, Yvette, Antonia, Anuschka, Bea, Freibunga und Charlotte. Nach und nach erfahren sie die Gründe der Teilnahme an diesem Camp, die genauso verschieden sind wie die sozialen Kontexte, aus denen die Mädchen stammen. Aber genau dieser Umstand führt zu individuellen Stärken und Schwächen, die sie in den kommenden Wochen benötigen, um ihr Abenteuer zu überstehen.
Am nächsten Morgen taucht Inken wieder auf und teilt ihnen mit, dass Mimiko abgeholt worden sei. Den Tag verbringen sie damit, aus alten Brettern, die der Busfahrer Bruno angekarrt hat, ein Camp zu errichten, was ihnen nur zum Teil gelingt. Inzwischen haben sie herausgefunden, dass der Verwesungsgeruch aus der Pfütze neben dem Toilettenhaus kommt. Daher beschließen sie am Abend, nur als Gruppe diesen Sanitärraum aufzusuchen, während Yvette und Inken am Lagerfeuer bleiben. Wenige Minuten nach Betreten dieser Baracke werden die Tür von außen verriegelt und die Duschen von unbekannter Hand angedreht, Panik bricht aus - weder Inken noch Yvette reagieren auf ihre Hilferufe. Gemeinsam reißen sie die Bank des Umkleideraumes aus der Verankerung und rammen diese durch die Tür, wobei drei der Mädchen erhebliche Verletzungen erleiden. Sie treffen nur auf Yvette, weshalb sie vermuten, dass Inken hinter dieser Aktion steckt - ihnen reicht es allmählich. Auf dem Gang zu der Baracke, in der ihr inzwischen wieder aufgetauchtes Gepäck liegt, entdecken sie Inken, die völlig aufgelöst in der bereits genannten Pfütze steht und aus dieser Tierkadaver herauszieht. Für die Mädchen steht fest - an diesem Platz bleiben sie keine weitere Sekunde. Ausgerüstet mit den vorhandenen Lebensmitteln begeben sie sich in ihr nächstes großes Abenteuer - sie ‚hauen ab', ‚tauchen ab' aus dem Chaos der Erwachsenen und begeben sich unter Anuschkas Führung ins Erzgebirge.
In Dresden stiehlt Bea an einer Tankstelle einen Transporter der Tierschutzgruppe "Für Hundproblemfelle" - somit sind sie nicht nur in kurzer Zeit an ihrem Ziel, der Talsperre Wolfsgetreu, sondern auch um fünf Hunde reicher, die Freibunga, die Tierkennerin, ihren jeweiligen Betreuerinnen zuweist.
Die nächsten Tage und Wochen werden für die Mädchengruppe zu einem wirklichen Überlebenstraining, denn sie hausen in einem ehemaligen Grubentunnel, den sie zunächst einmal begehbar machen müssen, kümmern sich um Lebensmittel, indem sie in der nahe gelegenen Stadt den Müll des Supermarktes durchforsten, versorgen die Hunde und müssen sich miteinander und untereinander ‚arrangieren', eine Herausforderung, die nicht immer leicht ist. Bea hat sich zur Chefin ernannt, was von Yvette nur bedingt akzeptiert wird. Charlotte gewinnt - von ihr selbst unbemerkt - an Selbstbewusstsein und Akzeptanz bei der Gruppe. Für sie ist Bea das Maß aller Dinge, auch wenn diese Bewunderung immer wieder auf eine harte Probe gestellt wird. Bei einem ihrer Supermarktbesuche erfahren sie durch eine weggeworfene Zeitung, dass sie gesucht werden und im Verdacht stehen, Inken, die ebenfalls verschwunden ist, ermordet zu haben. Sie fühlen sich als Gejagte und hoffen auf das Auftauchen von Inken, um ihr Abenteuer positiv beenden zu können. Hinzu kommen Hinweise, dass sie beobachtet werden, dass irgendjemand ihr Versteck entdeckt hat. Anuschka trägt ihren Teil dazu bei, indem sie eine Unmenge von Geistergeschichten aus dem Erzgebirge erzählt. Die Mädchen lernen sich mit dieser Ausnahmesituation zu arrangieren, sie erleben den Wald von einer völlig anderen Seite als früher, sie müssen den Verlust dreier Hunde verkraften und ihr Miteinander immer wieder neu definieren.
Da Charlotte aus ihrer Perspektive die Erlebnisse wiedergibt, erkennt der Leser vor allem an ihrer Person die Veränderung, die sie im Laufe der Zeit durchmacht. Dennoch bleibt sie, von den anderen Mädchen zur Nachfolgerin Beas gewählt, bewusst in deren Schatten, weil sie deren Freiheitsdrang und Überlebenstrieb bewundert. Erst als sie am Ende, nach einer emotional schweren Enttäuschung erkennt, was in ihr selbst steckt, entscheidet sie sich für die Trennung von der ruhelosen Einzelkämpferin Bea und für die Rückkehr zur Familie und ihrem Hund.
Die Autorin schildert auf spannende Weise den Abnabelungs- und Selbstfindungsprozess nicht nur der Hauptperson Charlotte, sondern auch den der anderen Mädchen. Die Konfrontation der unterschiedlichen familiären Hintergründe prägen auch das räumlich und zeitlich begrenzten Miteinander. Charlotte erkennt bald, dass das, was sie als Freiheit definieren, keine Freiheit ist, indem sie sich an Beas Regeln halten müssen, im Verborgenen leben, Dinge tun, die sie an den Rand der Legalität und des eigenen Rechtsverständnisses bringen. Am Ende gelingt es den Mädchen durch einen Trick, Inken wieder an die Öffentlichkeit zu bringen und sich damit selbst zu entlasten, Charlotte löst Anuschkas Familiengeheimnis und Bea entlarvt die Rolle des sich als Retter aufspielenden Jungentrios.
Das Buch fordert die Kondition seiner jungen Leserinnen heraus, bietet mehrere Handlungsstränge an, die aber nicht miteinander verflochten sind, sondern puzzleartig versatzweise auftauchen, so dass sich erst am Ende ein stimmiges Bild ergibt. Die Wahl der Ich-Perspektive bietet die Chance, Charlotte in ihren Emotionen und Wahrnehmungen eng zu begleiten, letztendlich zeigt sich, dass sie, die sich selbst aufgrund ihrer Körpergröße eher als Grobmotoriker einschätzt, emotional sehr feinfühlig ist und in der Gruppe lernt, Nähe nicht nur zu ertragen, sondern auch durch Umarmungen und körperliche Kontakte an andere weiterzugeben. Es wäre schön, wenn die Leser die Botschaft, die zwischen den Zeilen steht, als einen besonderen Schatz wahrnehmen würden. Daher finde ich das Buch als Baustein für eine Bibliothek sehr empfehlenswert, als Klassenlektüre sollten der Umfang als auch die negative Rolle der Jungen bedacht werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.07.2016

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