Lasset die Kinder zu mir kommen
- Autor*in
- Leon, Donna
- ISBN
- 978-3-257-06631-9
- Übersetzer*in
- Seibicke, Christa
- Ori. Sprache
- Amerikanisches Engli
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 355
- Ort
- Zürich
- Jahr
- 2008
- Lesealter
- ab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 21,90 €
- Bewertung
Teaser
Mitten in der Nacht wird ein Kinderarzt in seiner Wohnung überfallen und schwer verletzt. Ausgerechnet von der Polizei. Brunetti ermittelt und stößt auf ein Konglomerat von Bigotterie, Betrug, Armut, Vorurteilen, Verzweiflung und staatlicher Unfähigkeit, mit dem Elternwunsch nach Kindern umzugehen, wenn diese keine Kinder bekommen können. Der Kinderarzt scheitert schließlich daran.
Beurteilungstext
Obwohl dieser Krimi der erste von Donna Leon ist, der ohne Mord auskommt und ausgerechnet von Kindern handelt, halte ich ihn für den ersten, der für Jugendliche wenig geeignet ist. Das liegt ausschließlich am Sujet des Romans, nicht an Aufbau oder Schreibweise. Denn Jugendliche werden die Letzten sein, die den Wunsch nach Kindern verstehen, den Drang, alles dafür zu geben, um an ein Kind zu kommen, Elternliebe zu entwickeln und auch zu verstehen, warum manche Menschen meinen, eine Elternliebe nur für Kinder empfinden zu können, die aus dem eigenen Fleisch und Blut entstanden sind.
Das eigentliche Drama spielt sich am Rande ab, wird nur von Brunetti angedacht: Das anderthalbjährige Söhnchen des Kinderarztes wird von den völlig inkompetenten Carabinieri entführt und in ein Heim gesteckt, weil es illegal adoptiert wurde. Nach dem “Wohl des Kindes” fragt hier - außer Brunetti - niemand. Zum Glück ist das Adoptionsgesetz in Deutschland anders gelagert: Hier kann ein Kind aus der Familie nur dann heraus gerissen werden, wenn eine Gefahr für das Kind vorliegt. Noch nicht einmal die Besinnung der leiblichen Eltern auf ihre Elternschaft - die in diesem Fall ausdrücklich nicht statt fand - rechtfertigte ein derart brutales Vorgehen. Prozesse in der Folge hätten immer das Wohl des Kindes im Blickfeld, auch für die Dauer der Prozessiererei. Das ist zwar erst seit knapp 30 Jahren so, unterscheidet sich aber offensichtlich wesentlich von der italienischen Gesetzgebung.
Das heißt für uns Leser, dass der Krimi in unseren Regionen reichlich abstrakt ist, das wiederum ist aber für Jugendliche weder verständlich noch empfehlenswert, könnte sogar ungerechtfertigte Ängste mit diesen Halbinformationen auslösen.
Die anderen Sujets dieses Krimis erscheinen vielleicht auch etwas exotisch, gehören aber durchaus in den Bereich des auch hierzulande Möglichen, des Menschlichen: Ein Apotheker, der aus für ihn moralischen Gründen mit den Informationen über seine Kunden bewusst Katastrofen auslöst, weil er meint, die Menschen vor der Hölle retten zu müssen, dabei sogar kriminell wird; der Apotheker, der eine Gesetzeslücke nutzt, um reichlich Profit zu machen; der Politiker, der seine reaktionäre Gesinnung ohne Rücksicht gegen das kleine Kind nutzt, Ausländer hasst hat und die Oberhand behält; die sehr italienische Konkurrenz zwischen den intelligenten und findigen Kriminalern und der tumben Carabinieri - neben den üblichen, sehr genau beschriebenen, liebevollen Italienbildern und -gewohnheiten. Dies alles ergibt einen Krimi, der absolut lesenswert ist, nur eben einige Lebenserfahrung beim Leser voraus setzt.