In der Tiefe des Meeres

Autor*in
Thor, Annika
ISBN
978-3-551-35264-4
Übersetzer*in
Kutsch, Angelika
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
208
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2003
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
6,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der dritte Teil einer Erzählung über die Erfahrungen eines jüdischen Mädchens, das den 2. Weltkrieg bei schwedischen Pflegeeltern verbringt, während die österreichisch-jüdischen Eltern im KZ Theresienstadt inhaftiert sind.

Beurteilungstext

Dies ist - natürlich - nicht das erste Buch über jüdische Schicksale während der Nazizeit, aber es beleuchtet einen bisher weniger bearbeiteten Aspekt dieser Zeit: Kinder, denen über internationale Hilfswerke die Flucht ins Ausland gelang, während ihre Eltern den Weg ins Vernichtungslager nahmen. Hier geht es um insgesamt etwa 500 von Schweden aufgenommene Kinder, vor allem die beiden Schwestern Steffi und Nelli Steiner, und die Zeit um 1943, als das anfängliche deutsche Kriegsglück in Rückzug, Bombardierungen und immer schärferes Morden an der jüdischen Bevölkerung umschlug.
Dabei spielt die große Politik zwar nicht die Haupt-, aber eine doch ständig spürbare Rolle auch im Leben der beiden Mädchen. Nicht nur, dass ihre Eltern inhaftiert sind und nacheinander “verschwinden”, die Mutter stirbt an Typhus, der Vater gilt als “abgereist” in die polnischen Vernichtungslager, auch der eigene, schwedisch geprägte Alltag bleibt nicht verschont von Fremdenfeindlichkeit und “Arrangements” des “neutralen” Schweden mit den Nazis.
Wichtiger aber als diese - für junge wie erwachsene Leser informativen - “Großigkeiten” sind die Details, die Kleinigkeiten fast am Rande, die aus den dürren Wörtern Leben entstehen lassen und die Leser ergreifen und gefangennehmen.
Steffi (und am Ende auch Nelli) erkennt erst hier, nach mehr als drei Jahren in Schweden, dass sie ihren Eltern nicht böse, sondern dankbar sein muss, dass nicht sie, sondern die Eltern allein gelassen wurden, dass es ihr Glück war, von liebevollen Pflegeeltern aufgenommen worden zu sein, auch wenn deren Verhalten anders war als das für Steffi von Eltern gewohnte. Sie spürt die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen ihrer Verantwortung für die jüngere Schwester. Vor allem aber erkennt sie, dass nicht sie allein Probleme hat, sondern genauso auch ihre Freundinnen, auch wenn deren Situation ganz anders aussieht. Durch den leichtfertig angenommenen Fototermin ihrer Freundin Vera entwickelte sich eine Abwärtsspirale von halber Vergewaltigung, Schwangerschaft, Suche nach einem Kindsvater und Scheitern von Lebensplänen, die Steffi erst ungläubig, dann mitfühlend bemerkt, dann aber auch ihre eigene Lehre daraus zieht.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Bigotterie der Pfingstkirche, in die die Jüdinnen Steffi und Nelli zwangsgetauft wurden, die sich aber in ihrer rigorosen “Sünde”-Haltung und dem mangelnden Mitgefühl mit Andersgläubigen als geistige und geistliche Heimat für die beiden Mädchen schnell disqualifiziert. Auch das oft beschworene Heimatgefühl, das - mehr als Schweden - für Steffi mit Wien und ihrer früheren Wohnung gekoppelt ist, für Judith und andere Flüchtlingskinder aber nur in der mosaischen Gemeinschaft und der Wunschheimat Palästina gesehen wird, lässt viel von der Zerrissenheit und Entwurzelung der damals vertriebenen Juden ahnen.
Alle diese Punkte bieten neben ihrer Bedeutung für die vorliegende Geschichte und die damalige Zeit zahlreiche Ansätze zur Erarbeitung heutiger Problemstellungen und können so vortrefflich im Unterricht Verwendung finden. Eine intensive und gelungene Studie zu menschlichen wie zeitgeschichtlichen Fragen, die jede Unterstützung verdient.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bh-rp.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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