Flugzeiten
- Autor*in
- Chidolue, Dagmar
- ISBN
- 978-3-596-85235-2
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 256
- Verlag
- FISCHER Schatzinsel
- Gattung
- –
- Ort
- Frankfurt
- Jahr
- 2007
- Lesealter
- 12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Klassenlektüre
- Preis
- 12,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Bonna lebt mit seinen Eltern und 5 Geschwistern in nur zwei Zimmern. Der kranke Vater und ständige Armut zwingen ihn zum Einsatz für den Erhalt der Familie. Als er die Möglichkeit hat, über die Hitlerjugend fliegen zu lernen, erscheint ihm das als Ausweg aus der Enge. Und als der Krieg ausbricht, meldet er sich freiwillig, um Pilot zu werden, ein Traum, der zerplatzt. Und auch der Krieg entwickelt sich schon Anfang der 40er Jahre, als das Buch endet, nicht so, wie sich das die Nazis wünschten.
Beurteilungstext
Dagmar Chidolue schreibt im Klappentext selbst, dass es sich um die Biografie ihres Vaters handelt, wenn auch beschränkt auf die Jahre 1932 bis 1940, mit kurzen Ausblicken auf die Nachkriegsentwicklung in einem Anhang. Ihre Einschätzung, dass es “kleine und große Verführer” in dieser Zeit leicht hatten, junge Männer in den Bann des NS-Regimes zu ziehen, wird nachvollziehbar bei der bedrückenden Milieuschilderung der häuslichen Verhältnisse jener Zeit. Wenn man in Betracht zieht, aus wie - vergleichsweise- geringen Einschränkungen und “Armutssituationen” heraus heutige Jugendliche bereitwillig faschistischen Vorstellungen nachlaufen, wird man das damalige Verhalten vieler junger Menschen zwar nicht billigen, aber doch verstehen können.
Umso wichtiger ist die Beschäftigung mit dem Nährboden, der das Wachstum dieser Giftpflanze begünstigt. Es wird zwar keinem Sich-benachteiligt-Fühlenden seine subjektive Empfindung verschönern, wenn er von sicher nicht einmaligen Lebensbedingungen vor etwa 80 Jahren liest, aber die Kenntnis ähnlicher oder sogar gleicher Entwicklungen im historischen Kontext lässt zumindest einen Appell an das Denk- und Urteilsvermögen zu, berührt vielleicht sogar die emotionale Ebene.
An diesem Buch kann es nicht liegen, wenn ein solcher Versuch verpuffen sollte, erzählt Chidolue doch äußerst eindringlich und fassettenreich, mitfühlend und trotzdem objektiv und nichts beschönigend. Es wirkt oftmals beängstigend, wenn man miterlebt, wie innerhalb einer Familie Sprachlosigkeit, oft Gefühlskälte und distanzierte Fremdheit herrschen können, umso stärker, wenn man an die eigene Betroffenheit der Autorin bei der Herkunft aus solchem Milieu denkt. Doch aus solchen Überlegungen rührt die starke Glaubwürdigkeit der Erzählung und der wenigen Wertungen.
Die Beschäftigung mit diesem Buch und seiner Geschichte ist nicht leicht und eingängig, aber sie ist den Einsatz wert, besonders bei angeleitetem Studium im Unterricht mit historischer und atmosphärischer Einführung. Es gibt derzeit viele Bücher über Schicksale während der NS-Zeit, meist aus der Perspektive von Verfolgten und Gegnern. Klargemacht zu haben, welchen Einflüssen die “Täter” unterlagen und welcher geistigen Enge die Zeit unterworfen war, das ist das Verdienst Dagmar Chidolues und dieses Buches.