Flüsterherz

Autor*in
Zachariasse, Debora
ISBN
978-3-8157-5301-9
Übersetzer*in
Schweikart, Eva
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
340
Verlag
Coppenrath
Gattung
Ort
Münster
Jahr
2011
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Anna ist eine hochbegabte und gute Schülerin, die diese Geschichte von Tibby aufschreibt. Tibby kommt neu in die Klasse und ist völlig anders als alle: schwarz, temperamentvoll, unkonzentriert und lebt in einem chaotischen Haus mit Eltern, die keiner Konvention entsprechen, das Mädchen aber völlig überfordern. Anna kennt Tibby als kleines Kind, hatte sie aus den Augen verloren und ist fasziniert von dem Anderssein. Als Tibby sich zurückzieht, reagiert sie zu spät. Tibby ist nicht mehr zu retten.

Beurteilungstext

Anna wächst in einer überkorrekten Familie auf, der gesamte Haushalt ist perfekt durchorganisiert, klinisch rein und geeignet für die Fotografen einer Hochglanzpublikation über modernes Wohnen. Als sie dann in das chaotische Haus Tibbys kommt, ist sie erst schockiert über die Unordnung, das reinste Chaos herrscht, die Gerüche und Farben. Dann aber sieht sie, dass in diesem Haus zwar nichts perfekt ist, es dafür aber eine Atmosphäre ausstrahlt, in der man sich nur wohl fühlen kann.
Die Autorin schafft bei der Beschreibung der Ich-Erzählerin einen bemerkenswerten Schritt: Anna sieht und beschreibt ganz klar, dass das Chaos und die für sie völlig fremden Fähigkeiten Tibbys, nämlich Gärtnern und Kochen zu können, nicht einer besonderen Kreativität zu verdanken sind, sondern eindeutig auf Geldmangel zurück zu führen sind, ohne das selbst zu bemerken. Denn die Vorstellung, zu wenig Geld zu haben, existiert für sie überhaupt nicht. Sie beobachtet ganz richtig, dass Tibbys Mutter nur Augen für ihr neues Geschäft hat, der Vater, ein Musiker, nur für Drugs und Rock´n Roll lebt (der Sex kommt nicht zur Sprache, vielleicht auch, weil der sich noch dem Blickwinkel der Ich-Erzählerin entzieht; das erklärte auch eine mögliche Ursache des Schlusses). Tibby wirft den Eltern vor, dass sie ihr noch nicht einmal genügend Geld für den Haushalt gäben - sie haben einfach kein Ohr dafür und erwarten von der Tochter das Führen eines Haushaltes.
Nebenbei läuft das normale Leben ab: Freundinnen/die Erste Liebe beider Mädchen/Eifersüchteleien/Kräche/ Stress in der Schule/Auseinandersetzungen in der Familie etc. Nur dass Anna sich im Unterricht ständig langweilt, deswegen Ärger mit dem Schulleiter bekommt und in ihm einen erstaunlich offenen Gesprächspartner findet, halte ich für erwähnenswert. Auf ihn ist vielleicht auch die Reaktion ihres Lateinlehrers zurückzuführen, der sie wiederholt bei heimlicher Lektüre erwischt (sie ist von den altägyptischen Hieroglyphen fasziniert) und ihr zuletzt mit der ausdrücklichen Genehmigung, es auch IM Unterricht lesen zu dürfen, ein Lehrbuch über die Schrift der Ägypter leiht.
Dieses ganze Leben rollt an ihr vorüber, Tibby ist manchmal, aber nicht immer beteiligt. Schnell aber sieht diese sich als Opfer des Rassismus (was an keiner Stelle eine Rolle spielt, wohl aber in der Vorstellung Tibbys), als Opfer ständiger Benachteiligung, als Hilflose, als Arme, als der Situation nicht gewachsen. Aber helfen lässt sie sich nicht. Schnell reagiert sie, überempfindlich wie sie ist, verbal-aggressiv oder mit Rückzug. So braucht Anna auch (zu) lange, bis sie zum Schluss das wochenlange Fehlen Tibbys in der Schule kapiert. Sie will eingreifen, die Schulleitung informieren, kommt aber nicht weit damit, es kommt einfach zu viel dazwischen - und findet Tibby, die sich erhängt hat. Anna und ihr Freund reagieren so schnell und kompetent, dass Tibby gerettet werden kann. Aber wer Suizid begehen will, ist auch erfolgreich. Kurz danach vollendet Tibby ihr Ziel.

Die Frage, die sich hier ergibt, ist die nach der Aufmerksamkeit Pubertierender. Kann ein Mädchen in diesem Alter, in dem es genug mit sich selber zu tun hat, auf Signale achten, die andere ausstrahlen? Zu leicht überlagert das Eine das Andere, zu sehr sind die Kinder mit sich selbst beschäftigt und setzen sich mit den anderen nur dann bereitwillig auseinander, wenn sie selbst tangiert werden. Dieses Buch könnte die Augen öffnen; eine Fülle von sehr unterschiedlichen und lebendigen Charakteren bietet jedem Leser eine Identifikationsfigur. Die angesprochenen Probleme sind universell und gut typisiert.
Und der Sprachduktus der Ich-Erzählerin bleibt in allen Bereich schlüssig. cjh11.4

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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