Elefanten sieht man nicht

Autor*in
Kreller, Susan
ISBN
978-3-551-58246-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
204
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2012
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die 13jährige Mascha verbringt seit dem Tod ihrer Mutter, der ihren Vater nahezu verstummen hat lassen, jeden Sommer in einer Kleinstadt bei ihren Großeltern. Bei einem ihrer einsamen Streifzüge auf dem Spielplatz begegnet sie den beiden Geschwistern Julia und Max und entdeckt, dass diese von ihrem Vater schwer misshandelt werden. Mascha will helfen, doch trifft überall nur auf eine Mauer des Schweigens und des Wegsehens.

Beurteilungstext

Maschas Vater schweigt seit dem Tod seiner Frau und „beschaut“ gesellschaftliche Probleme nur durch die sichere Distanz seiner Dokumentarfilmkamera. Der Großvater „äußert“ Protest oder gegenteilige Meinungen nur durch versteckte Gesten oder ein verschmitztes Lächeln und die Großmutter schweigt sprechend und bringt alle anderen um sich herum ebenfalls zum Schweigen, in dem sie einfach über den großen Garten der Eltern von Julia und Max und die Tatsache schwätzt, dass diese doch alles bekommen würden und überhaupt. Mit genau diesem Schweigen muss sich Mascha, in ihrem Bestreben Julia und Max zu helfen und sie zu beschützen, auseinandersetzen. Der einzige Ausweg, den sie dabei sieht, ist es Julia und Max zu verstecken. Doch auch damit gelingt es ihr zunächst nicht, die trügerische Fassade der scheinbar so idyllischen Kleinstadt zu durchbrechen und ihre Bewohner zur Hilfe für die beiden Kinder zu motivieren.
Geknüpft ist die Erzählung an Mascha selbst und in dieser Wahl der Erzählweise liegt auch eine Schwäche. Die Sprache, in der sich Mascha ausdrückt, ist über weite Strecken nicht nur nahezu poetisch und ungemein bilderreich, sondern Sprache fungiert innerhalb der Erzählung auch als Medium der Reflexion über das sich-Ausdrücken bzw. die Unfähigkeit genau dies zu tun und stellt damit auch eine Metapher für Maschas eigene Ohnmacht bzw. Handlungsfähigkeit dar. Dieser hohe Grad an Reflexion, der zum Teil nicht ganz an das Alter der Erzählerin angepasst scheint, steht dabei aber vor allen Dingen im Widerspruch zum eher naiven Verhalten Maschas. Diese Spannung vermag die Autorin nicht aufzulösen und sie verstärkt sich darüber hinaus zum Ende hin noch.
Gleichzeitig bietet die Autorin dem Leser jedoch immer wieder die Möglichkeit über die durchaus eingeschränkte Perspektive Maschas zu schauen. Während für sie die Mauer aus Schweigen, die sie umgibt, unüberwindbar und völlig uniform zu sein scheint, vermag der Leser selbst schon früher Risse in dieser zu entdecken, Zusammenhänge zu durchschauen und damit auch Maschas Verhalten selbst in mancherlei Hinsicht zu hinterfragen.
Die Darstellung der scheinbar perfekten Idylle der Kleinstadt, mit den gepflegten Vorgärten und den lackierten Zäunen, in der Rasenmähen am Sonntag verboten und ein zu trocken geratener Kuchen das deutlichste Zeichen von Missstimmung ist, wirkt manchmal zu stereotyp geraten bzw. zu stark als Hintergrundfolie für das Problem der Kindesmisshandlung in weiß gezeichnet. Nichtsdestotrotz vermag es die Autorin damit ungemein gekonnt, eine Stimmung zu erzeugen, die eine befremdliche Stille ausstrahlt, in der das Schweigen der Bewohner umso lauter und durchdringender tönt.
Wenn Thomas Mann im „Zauberberg“ davon sprechen lässt, dass „Toleranz zum Verbrechen wird, wenn sie dem Bösen gilt.“, dann ist es genau dieser moralische Grundkonflikt, der in der Erzählung dargestellt, ausgehandelt, aber dessen Lösung durch das offene Ende schlussendlich dem Leser selbst überlassen wird: Wenn niemand bereit ist das Richtige zu tun, ist dann das vermeintlich Falsche möglicherweise doch richtig? Mit dieser Frage lässt „Elefanten sieht man nicht“ den Leser zurück und eröffnet damit– oder fordert nahezu ein – die Möglichkeit der weiterführenden Beschäftigung mit der Problematik.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von StJ.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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