Eins über mir

Autor*in
Duda, Christian
ISBN
978-3-407-75597-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Mérot, Sylvain
Seitenanzahl
224
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2021
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
FreizeitlektüreVorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Dumm sein ist nicht schön. Niemand will dumm sein oder auch nur dumm genannt werden!“ (S. 18) Aber Severin ist nicht dumm, nur manchmal etwas kribbelig im Kopf. Das erklärt er der kleinen Hilde, die eines Tages schnurstracks in seine Wohnung spaziert. Aber Severin ist 29 Jahre alt und Hilde erst fünfeinviertel - ist es da nicht komisch, wenn sie befreundet sind? Gegen jedes Vorurteil und gegen jeden Zweifel entsteht eine innige Verbindung, welche jedoch auch einige Herausforderungen mit sich bringt.

Beurteilungstext

Severin wollte nie Kinder haben. Er findet Kinder komisch und hätte viel lieber einen Hund. Auch seine Nachbarin Hilde, die über ihm wohnt, will er eigentlich nicht in seiner Wohnung haben. Das ist der willensstarken Hilde jedoch reichlich egal, als sie auf einmal bei Severin vor der Tür steht und eine Menge Fragen an ihn hat. Sie marschiert in seine Wohnung und damit in sein Leben, aus dem sie nicht mehr verschwinden möchte.

So beginnt die Geschichte und gleichzeitig die sich entwickelnde große Freundschaft zwischen Hilde und Severin. Am Anfang fühlt sich Severin etwas unwohl in Hildes Nähe und hat Angst davor, wie es für andere aussehen wird, wenn ein erwachsener Mann - wie er - mit einem kleinen Mädchen - wie ihr - befreundet ist. Hilde erkennt jedoch schnell, wie toll man mit Severin spielen kann und dass er immer lustige Einfälle hat. Sie merkt aber auch, dass Severin ihr nicht immer folgen kann und schnell etwas verwirrt wirkt. Man darf Severin jedoch nicht dumm nennen. Das mag er gar nicht, weil er es auch nicht ist.

Mit der Zeit lernt man die beiden Figuren mehr kennen, wodurch immer deutlicher wird, dass Severin beeinträchtigt ist, jedoch wird nie konkret genannt, welche Beeinträchtigung oder Behinderung Severin hat. Es lassen sich nur Vermutungen über eine Lernbeeinträchtigung oder eine Autismus-Spektrum-Störung aufstellen. Jedoch sind nicht alle von Severins und Hildes Freundschaft so begeistert, wie Hildes Mutter Krissy und Severins Pfleger Giovanni, welcher Severin bei seiner Arbeit in der Werkstatt betreut. Viele, wie zum Beispiel Frau Dürfeld, die Nachbarin von Severin und Hilde, halten ihr Verhältnis für unangebracht oder sogar für strafbar. Die Lage verschärft sich immer mehr und bringt Severin in eine schwierige Situation nach der anderen.

Das Buch ist eine sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignete (Vorlese-)Lektüre. Die Geschichte wird auf einigen Seiten von Schwarz-Weiß-Illustrationen begleitet, welche veranschaulichen, wie man sich die Figuren vorstellen kann und das Verständnis des Textes fördern. Gleich zu Beginn der Geschichte werden Hilde und Severin auf Seite zwölf zeichnerisch dargestellt. So wird dem/der Leser/in von Anfang an aufgezeigt, wie die Figuren mit ihren verschiedenen Emotionen aussehen, sodass ein passendes Bild zu den Beschreibungen kreiert werden kann.

Neben den Figuren wird zudem häufig die Umgebung dargestellt, in der sich die Figuren befinden. So erhält man einen Eindruck davon, wie zum Beispiel Severins Wohnung oder das Treppenhaus aussehen(vgl. S. 17, S. 22). Auffällig sind zudem die humoristischen Komponenten, die sich durch die teils sehr trockenen und ironischen Kommentare von Severin auszeichnen („Voll doof sind die Babys“ S. 9; „Aber sie war immer noch wischiwaschi im Kopf“ S. 27). Dadurch kann die Lektüre nicht nur bei jüngeren Leserinnen und Lesern für das eine oder andere Schmunzeln sorgen, sondern auch bei älteren.

Das Buch ist in einer einfachen Sprache verfasst, welche die Gedanken Severins und seine Erlebnisse wiedergibt. Jedoch ist die Geschichte teilweise genauso verwirrend geschrieben, wie Severin es ist, wenn man ihm zu viele oder zu schwierige Fragen stellt. Die Geschichte ist dann so gestaltet, wie Severin denkt und wird dadurch von vielen Füllwörtern oder Worteinschüben begleitet („Muss ich zugeben, aber: Sie ist ja auch kein Baby mehr! Deswegen.“ S. 9). Teils enden die Sätze mit einem anderen Thema als sie beginnen, was veranschaulicht, wie schnell sich Severin ablenken lässt und wie durcheinander er manchmal ist (vgl. S. 13).

Vor allem jüngere Kinder könnten Verständnisprobleme mit dem Inhalt und dem Sprachstil des Buches haben, da es zum Teil sehr schwierig ist, den Gedankengängen von Severin zu folgen. Auch auf das eine oder andere Schimpfwort wird in der Lektüre nicht verzichtet, insbesondere wenn Severin von seiner „Arschlochputzfrau“ (vgl. S. 44) oder von seinem Mitarbeiter Frieder aus der Werkstatt erzählt, der gerne Dinge wie „Arschlochhammer“ oder „Arschlochkerze“ (vgl. S. 44) sagt. Besonders im fünften Kapitel, welches schon durch seine Überschrift „Achtung, Schimpfwort“ warnt, wird ein Vokabular verwendet, welches für jüngere Kinder nicht besonders geeignet oder beispielhaft ist. Auch Hildes Verhalten ist häufig nicht sonderlich vorbildlich. Sie ist sehr frech und herrisch und wird nur selten auf ihr unangebrachtes Verhalten angesprochen oder aufgefordert, sich besser zu benehmen.

Sowohl Severin als auch ihre Mutter lassen ihr ziemlich viel durchgehen („Nie hatte sie ,Hallo´ oder ,Kann ich reinkommen?´ gesagt. Sie marschierte einfach rein, als wäre das ihre Wohnung, und befahl: ,Tür zu!´“ S. 28). Jedoch kann sowohl die authentische Wortwahl als auch das unangebrachte Verhalten von Hilde viel Raum für Gespräche eröffnen. Man kann an diesen Stellen vor allem mit jüngeren Leserinnen und Lesern über angebrachte und unangebrachte Wortwahl sprechen und darüber, wie man sich (gegenüber anderen) angemessen verhält. Auch der Aspekt, dass Hildes aufmüpfiges Verhalten häufig kaum reglementiert wird, kann ein sehr interessantes Thema für die Leserinnen und Leser sein, indem man zum Beispiel Überlegungen anstellt, warum das so sein könnte.

Im Buch geht es vor allem um das Überwinden von Vorurteilen und um das Fördern von Akzeptanz. Trotz dieser aktuellen Thematik wird häufig ein eher negatives Bild von Menschen mit Behinderung kreiert, vor allem, wenn Severin von seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus der Werkstatt erzählt. Bei Severins Kolleginnen und Kollegen lassen sich Beeinträchtigungen wie das Tourette-Syndrom oder Aggressionsprobleme vermuten.

Auffällig ist zudem, dass einige Aussagen Severins einer eher veralteten Weltanschauung entsprechen. „Frauen heiraten Frauen? Das geht doch gar nicht“ (S. 99), meint Severin, und auf die Frage hin, ob er verheiratet sei, denkt er „Blöde Frage! War ich nicht. Wieso hatte ich wohl eine Putzfrau?“ (S. 85). Diese Darstellungen sind unzeitgemäß und könnten zu der Vermittlung eines falschen Weltbildes führen. Allerdings könnten diese Aussagen auch zum Austausch anregen und Gespräche über Gleichberechtigung und Diversität eröffnen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Emcu.
Veröffentlicht am 13.06.2023

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