Ein Stück Himmel - Ein Stück Erde - Ein Stück Fremde

Autor*in
David, Janina
ISBN
978-3-423-62442-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
949
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In drei Bänden beschreibt die Autorin, wie sich ihr Leben in einer reichen und fürsorglichen polnisch-jüdischen Familie in einem unglaublichen Tempo in die Hölle der Nazi-Verfolgung begibt. Anders als ihre Eltern überlebt sie, weil die sie im letzten Augenblick in die fragwürdige Obhut von Nonnen gaben. Nach dem Krieg lebt sie in Heimen in Paris und bekommt endlich die Einreisegenehmigung für Australien. Dort reicht ihre Kraft noch, sich aus den absurden Fängen der Verwandtschaft zu befreien.

Beurteilungstext

EIN STÜCK HIMMEL: Aus großer Distanz erzählt die Autorin von ihrer Kindheit, aus dem Leben des überbehüteten Kindes eines bürgerlichen Millionärhaushaltes. Die große zeitliche Distanz ermöglicht einen liebevollen und gleichzeitig amüsiert über den Personen stehenden Blick auf das Geschehen. Das sinnliche Kind wird so lebhaft und so emotional beschrieben, dass sich die ganze Breite der Liebe, in der das kleine Mädchen aufwächst, geradezu physisch nachempfinden lässt. Das könnte großer Kitsch werden, aber die humorvolle Distanz, der Witz und die Theatralik vor allem auch der Mutter verhindern das erfolgreich. Fast unmerklich beginnt die Katastrophe für die Familie, als Deutschland über Polen herfällt. Mit dem Einmarsch der Truppen 1939 ändert sich das Leben der Juden in dem Land grundlegend. Anfangs will das keiner wahr haben, dann aber müssen sie ihre Wohnungen verlassen, irren durch das Land, kommen schließlich in das Ghetto. Auch wenn die Familie bei jedem Umzug immer mehr hinter sich lassen muss, gehört sie lange zu den Privilegierten. Die monatlichen Sterberaten im Ghetto wachsen, das Ghetto füllt sich unaufhörlich weiter, bis die großen Deportationen beginnen. Wieder muss die Familie ständig die Wohnung wechseln, das Essen wird minimiert, immer mehr Freunde, Nachbarn und Verwandte werden deportiert, jeder weiß, das bedeutet Tod. Buchstäblich im letzten Augenblick gelingt es dem Vater, seine jetzt 12-jährige Tochter aus dem Ghetto hinaus in eine befreundete Familie zu bringen.
EIN STÜCK ERDE: Schier unglaublich ist dieser Teil, in dem Janina von ihrer Odyssee in Klosterinternaten erzählt, von der Vereinnahmung durch die Nonnen, deren Unnahbarkeit, deren Verweigerung jeglichen Gefühls von Wärme, das die jungen und pubertierenden Mädchen doch so bräuchten, vom allgegenwärtigen Hunger, auch wenn dieser nicht mehr die Totalität einnimmt, die er im Ghetto hatte. Hätte die Autorin nicht sehr viel später geschrieben, wäre dieser Teil anders und und ungerechter geworden, denn im Nachhinein wird klar, dass auch die Klöster von der deutschen Besatzungsmacht drangsaliert wurden, den Insassen ständig Deportation und Tod drohten, nur Zufälle und persönliche Fähigkeiten verhinderten das. So überlebt sie den Krieg, findet dann wenige Überlebende der Familie, nicht aber ihre Eltern wieder. Sie hadert mit dem Leben, sieht mit 16 aus wie 10 oder 12, kommt mit keinem zurecht. Erst als sie mit Sicherheit erfährt, dass auch ihre Eltern im KZ ermordet wurden, erwacht sie aus der Erstarrung.
EIN STÜCK FREMDE: Mit der Möglichkeit, nach Frankreich zu kommen, fängt sie an, ein neues Leben zu führen, sie beginnt, ihre Pubertät nachzuholen und erlebt alle Gefühlsstürme, wie sie für ein Mädchen ihres Alters bezeichnend sind. Sie muss sich aber gleichzeitig auch gegen alle Bevormundungen, Einschränkungen etc. wehren und schließlich schafft sie es gegen alle Widerstände, ein Visum für Australien zu bekommen. Dort erlebt sie aber in ihrer eigenen Familie den größten Sturm, nur mühsam erkennt sie, dass ihre einzige Chance darin besteht, sich durchzusetzen, auf eigenen Füßen zustehen und sich von allen Bevormundungen frei zu sprechen.

Was dieses behütet aufwachsende Mädchen für eine Hölle durchleben muss, sprengt eigentlich jede Möglichkeit der Beschreibung. Nur weil die Autorin es versteht, extrem sinnlich und temperamentvoll zu schreiben, in aller Dramatik nicht ihre distanziert-humorvolle Perspektive zu verlieren, liegt hier ein Lebenslauf über 18 Jahre des Horrors und der Selbstbehauptung vor, der der Lektüre allemal wert ist.
Ein kluges Nachwort von Günter Kunert schließt sich an, eine lückenlose Tabelle der Nazirepressionen steht am Ende. Und in einem etwas komplizierteren Vorwort erläutert die Autorin ihr Leben.

Drei eigenständige Bücher in einen 1000-Seiten-Backstein zusammen zu fassen, ist ein Wagnis; mit Sicherheit ist dies kein Buch für ungeübte Leser. Aber die beiden Folgebände basieren so eng auf dem ersten, dass sie erst dann richtig verstanden werden können, wenn der erste Teil gelesen wurde. Und die mittelfristigen Folgen des Nazi-Terrors werden erst mit den beiden Folgebänden deutlich. Für Leseratten also allemal empfehlenswert, für Wissbegierige sowieso.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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