Der zweite Kopf des Richard Westlake

Schlagwörter

• Abenteuer
• Tod/Sterben

Teaser

Richard wächst ein zweiter Kopf. Und der spricht nicht nur schlimme Gedanken aus, sondern gewinnt zunehmend auch die Oberhand über Richards Körper. Neben all den Problemen, die das im Alltag mit sich bringt, versucht auch noch ein zwielichtiges Ärzteteam, den - oder die? - Jungen, in seine Gewalt zu bringen.

Beurteilungstext

Der elfjährige Richard ist ein liebenswerter Junge. Er ist ein guter Schüler, kommt mit Erwachsenen ebenso gut aus wie mit Kindern, hat viele Freunde und ... gerade seinen Großvater verloren. Richard war dabei, als der über alles geliebte Großvater auf der Straße kollabierte. Eine Stunde dauerte es, bis der Krankenwagen kam (die Geschichte spielt in Großbritannien), niemand konnte dem 87-Jährigen mehr helfen. Nach einigen Wochen räumten Richard und seine Eltern Großvaters Sachen aus, Richard durfte sich Andenken aussuchen, das Zimmer des Großvaters im gemeinsam bewohnten Haus wurde zum Arbeitszimmer des Vaters, der Großvater blieb in Gesprächen präsent, alles gut. Oder doch nicht?
Richards zweiter Kopf, er nennt sich selbst Rikki, ist eine ware Plage. Er ist unverschämt, provokant, verletzend. Als Richard nach einigen Wochen Klinikaufenthalt beim “psychologischen Helfer” Dr. Warren zurück an seine Schule kommt, zerstört Rikki nach und nach alle von Richards Freundschaften. Er legt Feuer im Arbeitszimmer von Richards Vater und verletzt Richard - oder verletzen Richard und Rikki sich gegenseitig? Was folgt, ist eine erneute Einweisung in die Klinik, wo Rikki chirurgisch abgetrennt werden soll. Richard und Rikki raufen sich zusammen. Mit anderen Desparados gelingt ihnen eine riskante Flucht, an die sich das Abenteuer ihres Lebens anschließt.
Andy Mullygan ist eine wundervolle literarische Synthese gelungen, die sich aus metaphorischen, teilweise wild fantastischen Elementen, solchen, die den ganz normalen Schulalltag an einer (britischen) Schule beschreiben und wieder anderen, die die Sehnsucht der Jungen nach Gefahr und Abenteuer widerspiegeln, zusammensetzt. Die Geschichte begleitet einfühlsam den Trauerprozess eines Kindes, der fast zur Selbstzerstörung führt. Sie übt heftige Kritik an Erwachsenen, die Kinder “auf Linie bringen” wollen und der individuellen Entwicklung der menschlichen Seele keinen Raum geben. Alle Menschen - abgesehen von den absolut bösartigen, die auch vorkommen - werden als kostbare Persönlichkeiten dargestellt, auch die, die “schwierig” oder “Versager” sind. Gleichzeitig ist die Erzählung sehr spannend und bietet gerade im großen Showdown, wo alle “Helden” als Team arbeiten, jede Menge Action. Der Tod eines Menschen wird im Buch mehrfach thematisiert, vor allem bezogen auf den Großvater und auf Richard/Rikki. Er steht aber oberflächlich auf keinen Fall im Vordergrund. Erst nach und nach wird klar, dass der unzureichend verarbeitet Tod des Großvaters das inhaltliche Zentrum von Richards und Rikkis Konflikt ist. Letzten Ende jedoch können die zwei Köpfe des Jungen als die zwei Seelen verstanden werden, die in jedermanns Brust wohnen. Sie sind beide Teil unseres Ich.
“Der zweite Kopf des Richard Westlake” ist ein Buch der Spitzenklasse. Absolut empfehlenswert!