Der Garten meiner Baba

Autor*in
Scott, Jordan
ISBN
978-3-8489-0224-8
Übersetzer*in
Ott, Bernadette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Smith, Sidney
Seitenanzahl
40
Verlag
Aladin
Gattung
BilderbuchErzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Der Garten meiner Baba“ ist eine zugleich berührende wie wichtige Bilderbucherzählung, die im Zusammenspiel von Bild und Text vieles nur andeutet und so Rezipierende zu tiefgehenden inneren wie äußeren Aushandlungsprozessen einlädt, die wiederum hohes individuelles, soziales und kulturelles Bedeutungspotenzial bergen.

Beurteilungstext

Jordan Scott (Text) und Sydney Smith (Bild) legen – nachdem sie zuletzt mit dem Bilderbuch „Ich bin wie der Fluss“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2022 nominiert waren – ihr nächstes gemeinsames Bilderbuch vor.

Im neuen Bilderbuch des kanadischen Künstlerpaares – „Der Garten meiner Baba“ – geht es um die Beziehung eines Kindes, das als Ich-Erzähler auftritt, zu seiner Oma, die aufgrund ihrer polnischen Wurzeln liebevoll ‚Baba‘ genannt wird. Ein Vorwort verortet die Bilderbucherzählung dabei als autobiografisches Werk des Autors Jordan Scott, dessen Großmutter mit ihrer Familie im Zweiten Weltkrieg „größtes Leid [durchlitten]“ hat und nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert ist.
Die Erzählung nimmt Rezipierende mit in alltägliche Szenen der Beziehung zwischen dem Jungen und seiner Großmutter. Dabei bringt der Vater des Jungen diesen jeden Tag frühmorgens zur Großmutter, die hinter einer Schwefelmühle nahe eines Highways wohnt. Viel spricht sie nicht mit dem Jungen, denn Englisch kann sie nicht sehr gut. Dadurch rückt ihr Handeln und der Umgang mit dem Ich-Erzähler in den Mittelpunkt, für den sie jeden Tag einen Haferbrei kocht, ohne selbst etwas zu essen. Nach dem Frühstück bringt sie den Jungen zur Schule. Auf dem langen Fußweg klauben die beiden Regenwürmer auf, die die Großmutter für den eigenen Garten benötigt – auf dem Rückweg ebenso. Der Garten der Baba erhält dabei nicht nur durch den Titel eine besondere Aufmerksamkeit, auch die Erzählung inszeniert diesen als fundamental für die Beziehung zwischen dem Ich-Erzähler und der Großmutter. Denn die beiden verbringen jeden Tag nach der Schule sehr viel Zeit in dem Garten, wodurch dieser für den Jungen immer mit der Großmutter verbunden ist – selbst dann, als die Oma bei der Familie des Ich-Erzählers einzieht und der Garten einer Baustelle weichen muss. Denn, so erzählt das Vorwort, noch heute klaubt Jordan Scott mit seinen Kindern Regenwürmer auf.

Das Bilderbuch lebt von der innigen Beziehung zwischen Enkel und Baba, die nicht vieler Worte bedarf. Der eher beschreibende Erzählduktus kann dabei weite Vorstellungsräume bei Rezipierenden hervorrufen. Dies liegt zum einen an dem Vorwort, das aufgrund der Bezüge zum Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen sehr berührend ist und die Erzählung immer wieder um relevante Informationen anreichert. So entsteht eine wichtige intergenerationale Erzählung, die im Sinne einer kulturellen Bedeutsamkeit andeutet, wie sich Krieg generationsübergreifend auswirken kann. Zum anderen laden die Bilder von Sydney Smith aufgrund eines mimisch und gestisch reduzierten Bildstils zum Ausfüllen innerer Figurenzustände ein. Auch die bildliche Raumdarstellung ist weitgehend reduziert und deutet eher an, als dass etwas ausgefüllt wird. Sydney Smith gelingt es dabei auch durch farbliche Kontraste, Vorgänge in den Vordergrund zu rücken, die eine besondere Wärme ausstrahlen und bei Rezipierenden ein wonniges Rezeptionserlebnis auslösen können. Enge Bildfolgen verlangsamen immer wieder den Rezeptionsprozess und lassen bedeutende Augenblicke – auch mithilfe von Zoomeffekten – erstrahlen. Diese stehen in Kontrast zu narrativen Lücken, die in Form von page breaks die Erzählung vorantreiben, wodurch die Momentaufnahmen weitere Akzentuierung erfahren. Äußerst gelungen nimmt die bildliche Erzählinstanz die Rezipierenden an die Hand und führt sie durch abwechslungsreiche Kameraeinstellungen durch die Erzählung. Kongenial greifen die Bild- und Textebene ineinander über und erzählen im Zusammenspiel außerordentlich mitfühlend von der Liebe, die die Großmutter ihrem Enkel durch ihre Taten ausdrückt. Verstärkt wird diese Inszenierung wiederum durch den eher spannungsarmen Handlungsverlauf, wodurch erstens in den Fokus rückt, wie viel Zeit sich die Großmutter für ihren Enkel nimmt, und wodurch zweitens den Rezipierenden selbst Zeit gegeben wird, dieser Beziehung nachzusinnen. Daneben weiß die Sprachästhetik des Bilderbuchs – vor allen Dingen wegen ihrer imaginationsfördernden Vergleiche, sinnstiftenden Wiederholungsfiguren und lautmalerischen Nuancen – zu gefallen. Spielerisch verwickelt Jordan Scott die Rezipierenden in die Auseinandersetzung mit narrativen Lücken.

Da sowohl das Bilderbuch „Ich bin wie der Fluss“ als auch das Bilderbuch „Der Garten meiner Baba“ autobiografische Hinweise beinhalten, sind Rezipierende durchaus dazu herausgefordert, intertextuelle Bezüge herzustellen. Auch die bildliche Darstellung des Jungen erinnert an die aus „Ich bin wie der Fluss“.

Ein Buch, das man gerne in seiner Nähe hat.

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Diese Rezension wurde verfasst von Sascha Wittmer; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 19.08.2023

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