Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers

Autor*in
Alexie, Sherman
ISBN
978-3-423-24742-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Forney, Ellen
Seitenanzahl
270
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Erstens ist Arnold Spirit, genannt Junior, ein absoluter Verlierer, denn er wächst in einem Indianer-Reservat der USA auf. Als ob das noch nicht reichte, hat sein Kopf bei seiner Geburt erheblich zu viel "Wasser", sehen seine Augen zu schlecht und sind die Verhältnisse des Körpers sehr unstimmig. Und dann will er eines Tages auch noch die Reservatsschule verlassen, um in Reardon die "weiße" Highschool zu besuchen.

Beurteilungstext

Zu keinem Zeitpunkt ist uns bange um "Junior", der seine eigene Geschichte erzählt, lapidar, nicht viel Aufhebens macht um seine Person. Zunächst ist er zu 100 Prozent ein Spokane, ein Mitglied des Reservats im US-Staat Washington. Neben den hundert Cousins und Cousinen gibt es bestimmt ebenso viele Tanten und Onkel, im Näheren betrachtet gibt es aber nur seine Mutter Agnes, Vater, Schwester Mary, Onkel Eugene und Großmutter Spirit. Und natürlich Rowdy, den besten Freund Juniors.
Rowdy ist, was sein Name im Deutschen bedeutet: Ungehobelt, aufbrausend, Typ Schläger. Niemand legt sich mit Rowdy an und niemand legt sich (ungestraft) mit Junior an, denn Rowdy verteidigt ihn nicht nur, er rächt ihn auch. Der Ton zwischen den beiden ist eher rau, aber so und noch viel schlimmer ist die Wirklichkeit im Res, dem Reservat. Alkohol, Alkohol, Quartalssäufer oder Permanenttrinker, Armut, kein Geld, keine Zukunft.
Und dann beschließt zunächst Junior, auszubrechen, will einfach die über 30 Meilen entfernte Schule der Weißen besuchen, einziger Indianer dort sein, egal, wie er täglich dort hinkommt und wieder zurück. Egal, was die Weißen dazu meinen, egal, ob ihn sein Stamm als Verräter, als "Apfel" (außen rot und innen weiß) brandmarkt, ja, sogar egal, was Rowdy davon hält, sein einziger Freund, sein einziger wirklicher Halt. Und direkt danach kommt auch seine Schwester aus dem selbst gewählten Kellerverlies heraus und verlässt ebenso das Reservat, aber sie "läuft weg, um irgendwo verloren zu gehen, aber ich laufe weg, um etwas zu finden".
Das klingt bis jetzt ziemlich theatralisch und aufgebauscht, aber die Sprache des Ich-Erzähler lockt auch in den ernstesten Situationen ein Lächeln heraus, auch wenn ihn die Andruss-Brüder verkloppen (und von Rowdy später mit schlimmer Rache bestraft werden), er mit Penelope (zunächst vergeblich) anbändelt oder mit Gordy, diesem so erwachsenen Außenseiter, eine Zweckgemeinschaft gründet.

So weit die US-Problematik der Indianer, deren Zwangsverweißung der Kinder in Internaten und dem Alleinlassen einer ganzen Gesellschaft im Alkoholproblem für deutsche Augen und Ohren auch ist, das Buch schafft ganz schnell Nähe. Die Tagebuchform eines Ich-Erzählers ist dafür sehr geeignet, aber auch die etwas schnodderige Sprache, die weder vor der Sexualität nicht Halt macht noch vor täglicher Gewalt. Die Skizzen - mit abgerissenem Tesafilm eher lieblos eingeklebt - karikieren eher, als dass sie dem Texten "das Wort reden", schaffen eher eine Distanz als eine Nähe, öffnen dennoch mehr als einmal die Seele des Erzählers. Und sie helfen in die Botschaft des Buches, die auch Junior spät erkennt: "Ich würde immer ein Spokane-Indianer bleiben … Aber ich gehörte genauso dem Stamm der amerikanischen Einwanderer an. Und dem Stamm der Basketballspieler und … " es folgen einige Aufzählungen wie Leseratten, Zeichner, chronischer Onanisten, Teenager, Armut und "Jungs, die sich nach ihren besten Freunden sehnen".

Ein Buch, das wirklich das Erwachsenwerden eines Vierzehnjährigen beschreibt, der mit denkbar schlecht(est)en Voraussetzungen und einem stoischen Willen das Leben bezwingt. Wenn diese Geschichte keinen Mut macht, auch unter schlechtesten Voraussetzungen und größten Rückschlägen seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, dann gibt es wohl gar keins.

Und wenn von diesem Positivdenken sich auch nur 10 Prozent in die Leser retten, dann beginnt ein bewussteres und damit sicherlich besseres Leben. Jetzt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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