Bühne frei für Ben!

Autor*in
Engel, Sabine
ISBN
978-3-407-75479-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Jung, Barbara
Seitenanzahl
74
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Erstlesebuch
Ort
Weinheim
Jahr
2020
Lesealter
8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

Leicht lesbare Bücher für Kinder, die eigentlich schon dem Erstlesealter entwachsen sind - das will die Reihe "super lesbar" leisten. Dafür braucht es aber trotzdem eine gute Geschichte - und die fehlt hier.

Beurteilungstext

Auf der Website zu der Reihe „super lesbar“ lesen wir den Anspruch, der an diese Bücher gestellt wird: "Jedes Kind soll genau die Bücher lesen können, für die es sich interessiert. Egal wie gut es lesen kann und wie alt es ist. Die super lesbaren Bücher bieten genau das: leichte, altersgerechte Leseabenteuer. Sie sind besonders lesefreundlich gestaltet und helfen Kindern, individuelle Lesewiderstände zu überwinden." (www.superlesbar.de) Dieser Anspruch ist löblich, denn wir brauchen tatsächlich für Kinder, die eigentlich nicht mehr im Leselernprozess sind (oder sein sollten) Bücher, die im lesetechnischen Anspruch den Lesefähigkeiten dieser Kinder angepasst sind und trotzdem eine attraktive und gute Story erzählen.

Letzteres gelingt Sabine Engel mit diesem Buch leider nicht: Ben, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, besucht die 4. Klasse der Brüder-Grimm-Grundschule, und da ist es Tradition, dass diese ein Märchen als Theaterstück erarbeiten. Die Lehrerin entscheidet nach einer knappen Diskussion in der Klasse, dass "Schneewittchen" szenisch umgesetzt werden soll. Die eifrige Mitschülerin Melissa bekommt die Hauptrolle und Ben wird die Rolle des Prinzen zugewiesen. Damit ist er sehr unglücklich, nicht nur, weil er ungern auf der Bühne steht, sondern auch, weil damit ein Kuss verbunden ist. Aber kein anderer Junge ist bereit, mit ihm zu tauschen, selbst dann nicht, als Ben ihm etwas dafür anbietet oder ihm (sehr harmlos) droht. Die Inszenierung wird erarbeitet und zum Schluss kommen die Kostüme. Neue Katastrophe: Glitzerlegging, Reitstiefel, Rüschenhemd und müffelnder Umhang sind für Ben vorgesehen - das geht ganz gegen seinen Stolz. Auf der Suche nach einer Lösung kommt ihm schließlich sein Freund Anton zu Hilfe, der ihm unmittelbar vor dem Auftritt einen schwarzen Kapuzenumhang und ein "Laserschwert" gibt. Damit betritt Ben nun die Bühne, das Märchen wird somit modernisiert, Bens Auftritt wird vom Publikum goutiert - und um den Kuss kommt er auch herum.

Vieles an der Geschichte ist schwach: Mag die etwas maulige Inszenierung des Erzählten durch den Ich-Erzähler noch durchgehen, so fragt man sich allerdings, warum er immer nur etwas mit sich machen lässt und nicht selber aktiv wird, so z. B. bei der Zusammenstellung seines Kostüms. Auch die Wendung am Ende wird nicht durch ihn herbeigeführt, sondern durch seinen Freund. Man könnte darüber diskutieren, ob nicht dies gerade Teil des Charakters der Hauptperson ist und sein soll und damit eine interessante Figur für einen Diskurs geschaffen ist - leider fehlt es aber auch dafür an Tiefe der Figur (und auch anderer Figuren) in der Geschichte.
Unerträglich sind zudem die Stereotype, die ungebrochen transportiert werden. In Bezug auf die Klasse geht es immer nur um "die" Jungen und "die" Mädchen, dabei werden Geschlechterstereotype konsequent eingehalten. Mädchen wollen in der Schule fleißig sein und spielen gern Theater, insbesondere Prinzessin. Jungen finden (durchgängig) das Theaterspiel blöd. Jungen übernehmen die Technik, Mädchen dürfen sich um die Kostüme (nähen?) kümmern. Auch hier könnte in einem Buch, das insgesamt mehr Tiefe hätte, eingewendet werden, dass die interne Fokalisierung ja nicht den objektiven Erzählstand wiedergibt, sondern der Charakter von Ben eben diese Stereotypenbildung verinnerlicht. Darüber könnte dann ja kritisch diskutiert werden... Nur leider fehlt andere Tiefe, denn auch in anderen Bereichen bleibt das Erzählte an der Oberfläche: Stereotypische (und falsche) Bilder von Märchen werden transportiert, das Bild von Schule ist weitgehend konventionell (und negativ konnotiert), auch der Umgang und der Blick auf die Eltern sind klischeehaft frühpubertär. Da bleibt einfach das Gefühl, dass die Autorin sich hier an die von ihr imaginierte Leserschaft (lesemuffelige schwierige Jungen?) anbiedern möchte. Und das ist schade. Denn im Sinne der vom Verlag formulierten Ansprüche wäre es gut, wenn wir für die Kinder, die in Klasse 3, 4, 5 oder 6 noch nicht so gut die Lesetechniken beherrschen, Bücher haben, die technisch einfach zu lesen, aber inhaltlich und literarisch durchaus anspruchsvoll sind.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 03.10.2020

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