Adèle & Simon

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Teaser

Adèle holt den kleinen Bruder Simon von der Schule ab. Leider ist Simon ein Schussel, und wo immer sie stehen bleiben, hat er etwas verloren oder vergessen. Ob der Betrachter herausfindet, wo?

Beurteilungstext

Ein traumhaft schönes Bilderbuch, ganz im Stil der alten Zeit. Dazu passt das altmodisch anmutende Cover und die Karte auf dem inneren Vorsatzpapier, die einen alten Stadtplan von Paris aus dem Baedeker von 1907 abdruckt. Der Eindruck setzt sich im Inneren fort auf den Stadtbildern, die sich jeweils über eine Aufschlagseite erstrecken: ein Blick vom Pont-Neuf auf das Warenhaus La Samaritaine, ganz im Art-Nouveau-Stil der Zeit; ein alter Pariser Straßenmarkt; die alltäglichen Vergnügen im Jardin du Luxembourg; der alte Louvre, noch ohne Pyramide; das Naturkundemuseum mit seinem überdimensionalen Dinosaurierskelett; das malerische Quartier Latin. Stundenlang könnte man als Kind und als Erwachsener diese wunderschönen Bilder betrachten und jedes mal etwas Neues entdecken, fast wie in den heute so verbreiteten Wimmelbüchern.
Der Kunstbewanderte wird auf manchen Bildern Anleihen, "Zitate" aus anderen berühmten Bildern und Gemälden entdecken, Figurengruppen etwa von Honoré Daumier, Fotografien von Eugène Alget. Was die Bilder genau darstellen, ist am Ende des Buches ausführlich beschrieben.
Und dann fällt der blick auf das Erscheinungsdatum des französischen Originals: 2006. Sprache: Amerikanisch. Amerikanisch?? Als Klassiker eines Bilderbuchs? Nur langsam und schwer zu akzeptieren dämmert die Wahrheit, dass man es hier ganz offenbar mit einem Klassiker ganz anderen Genres zu tun hat. Hier erlebt der Leser und Betrachter die Geburt eines (künftigen) Klassikers!
Exquisit ist der Amerikanerin Barbara McClintock im Jahr 2006 ein französisches Bilderbuch des späten 19. Jahrhunderts gelungen, das den Charme der Bourgeoisie perfekt einfängt in einer Bilder- und Kinderbuchwelt, wie wir sie von unseren Großeltern kennen. Dazu fügt sich der völlig anspruchslose Text, dem sein pädagogisches Anliegen - der Aufruf zur Ordnung - deutlich anzumerken ist, und genau das würde man von einem "echten" Buch der Zeit erwarten. Wäre es anders, es würde nicht passen.
So ist für den heutigen Betrachter ein Art altmodisches Wimmel-Such-Buch entstanden, das den Verdacht nahe legt, es sei der Verfasserin von Anfang an um nichts anderes als um den Zauber vergangener Bilder aus der Weltstadt Paris gegangen.