... aber wo ist die Geschichte?

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Teaser

Das Buch wird aufgeschlagen, die Geschichte ist da und es kann los gelesen werden. Nicht so bei diesem Buch! Sowohl die Lesenden als auch die fünf Hauptfiguren im Buch warten auf eine Handlung, die schließlich selbst ersponnen und erzählt werden kann.

Beurteilungstext

Das Buch der italienischen Schriftstellerin und Illustratorin Marianna Coppo beginnt mit einer weißen Seite und dem einladenden Satz: „Es war einmal eine weiße Seite.“ Bereits ab dieser ersten Doppelseite wird bei den Lesenden Verwirrung gestiftet und die Fantasie angeregt. Was mag wohl auf der nächsten Seite passieren? Wem werde ich begegnen? Auf der nächsten Doppelseite trifft die Lesende auf fünf tierähnliche Hauptfiguren, die drei Fragezeichen über den Köpfen haben. Sie sind zufällig im Buch gelandet und warten nun auf die Geschichte. Woher sie kommen und wann und wie die Geschichte beginnt, wissen sie nicht. Auch für die Lesenden gibt es keine weiteren Anhaltspunkte, denn die Doppelseiten sind weiterhin leer bzw. weiß gestaltet. Also warten die Figuren auf die Geschichte, die allerdings nicht zu kommen scheint. Eines der Figuren beginnt schließlich auf der linken Doppelseite zu zeichnen. Er zeichnet eine Fantasiewelt, von der die anderen Figuren auf der rechten Doppelseite noch nichts zu wissen scheinen. Doch nach und nach werden die Zeichnungen so bunt und groß, dass sie auf die rechte Seite hinauswachsen und die anderen Figuren mit einbeziehen. Alle tauchen in die gemalte Welt ein und es entsteht ohne ein einziges, geschriebenes Wort eine Geschichte in Bildern. Am Ende sind alle Figuren Teil der gemalten Geschichte, als der Storch als Postbote die eigentliche Geschichte vorbeibringen will. Zu spät, die Figuren haben bereits ihre eigene gefunden! Aber sie erzählen sie dem Storch gerne, so dass das Ganze noch einmal vorn anfängt und das Buch mit einer leeren bzw. weißen Doppelseite und dem Satz „Es war einmal eine weiße Seite“ endet. Das Bilderbuch zeichnet sich insgesamt besonders durch seine Einfachheit und seinen Minimalismus aus. Die in weiß gehaltenen Doppelseiten zeigen allein die fünf Hauptfiguren und die Malereien aus der Fantasiewelt. Dieser Stil ermöglicht es den Leser*innen eigene Gedanken und Ideen mit hinzuzufügen und sich eine eigene Geschichte dazu auszudenken. Die Illustrationen sind in Pastellfarben gehalten und erinnern teilweise an kindliche Zeichnungen. Die Textebene tritt dabei im Buch fast komplett in den Hintergrund. Die Textteile bestehen hauptsächlich aus kurzen Aussagen und den Fragen der Figuren: „Wo bleibt die Geschichte?“, „Sollen wir sie suchen gehen?, „Was ist hier los?“ – sie regen Kinder, vor allem im Alter von 3 bis 7 Jahren, zum Weiter- bzw. Miterzählen an. Möglich wäre beispielsweise auch nur die ersten Seiten des Buches vorzulesen und die Kinder sich eigene Geschichten ausdenken zu lassen. Das wäre sowohl für Kinder im Kindergartenalter als auch für den Deutschunterricht in der Grundschule möglich. Auch ließe sich das auf den Kunstunterricht übertragen, indem z. B. in Partner- bzw. Kleingruppenarbeit eigene Geschichten gemalt und dazu frei erzählt werden kann. Ein sehr gelungenes Buch, was zum Fantasieren und eigenen Geschichtenausdenken anregt!