189

Autor*in
Böge, Dieter
ISBN
978-3-8489-0179-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Klever, Elsa
Seitenanzahl
48
Verlag
Aladin
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Stuttgart
Jahr
2020
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
17,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Im 19. Jahrhundert waren Kanarienvögel für die Bergleute im Harz von wichtiger Bedeutung als Lebensretter unter Tage. Aber auch als Exportgut in alle Welt waren die „Harzer Roller“ beliebt, ihre Zucht war ein wichtiger Nebenverdienst der Familien. In diesem großformatigen Bilderbuch wird der Transport einer Gruppe von Kanarienvögeln nach New York beschrieben. Vogel „189“ steht im Mittelpunkt des Geschehens. In einem sachbezogenen Nachwort werden die Fakten ausführlich dargestellt.

Beurteilungstext

Die Geschichte des kleinen Vogels „189“ beginnt im Harz. Dort sitzt er in seinem Käfig und blickt durch das Fenster auf den Himmel und den Wald. Es duftet nach dem Holz, aus dem die Männer kleine Käfige herstellen. Er hört die Stimmen der Frauen und Kinder und lernt kunstvolle Tonfolgen. Oft ist er auch mit den Bergleuten unter Tage, wo er sie warnt, wenn die Atemluft knapp wird.

Eines Tages kommt ein Händler, der dem Züchter diesen Vogel abkauft. In einem kleinen Käfig wird er zusammen mit 188 anderen Kanarienvögeln auf einem Gestell transportiert, zuerst auf dem Rücken des Vogelhändlers, dann auf einem Pferdewagen, danach in einem Eisenbahnwaggon. Noch einige Abenteuer wird der kleine Vogel erleben, bis er mit seinen Artgenossen auf einem Dampfer den Atlantischen Ozean überquert hat und New York erreicht.

Am Ziel werden die Vögel verkauft und verteilt, bekommen hübsche neue Käfige und werden von ihren Käufern mit nach Hause genommen. „189“ hat großes Glück, er findet in seinem neuen Heim nicht nur ein fröhliches kleines Mädchen vor, sondern auch den Kanarienvogel „Joe“, der ihn mit seinem Gesang begrüßt. Es ist ein Lied, „das er nur an einem einzigen Ort der Welt gelernt haben kann“.

Diese Erzählung, die zwar einen realhistorischen Kern hat, aber doch auch sehr viele fantasievolle Details enthält, wird durch ein ausführliches „Kanariengeschichtliches Nachwort“ ergänzt. Darin wird von der ursprünglichen Herkunft dieser Vögel berichtet, von ersten Zuchtversuchen und den Harzer „Kanarienvogelsingschulen“, in denen die jungen Vögel in abgedunkelten Kästen nur die „Stimme des Vorsängers hörten und durch nichts abgelenkt wurden“. Man erfährt, dass allein im Jahre 1882 vom Harz aus 120.000 Vögel nach New York transportiert und dort verkauft wurden. Auch die Zahl 189 ist nicht willkürlich gewählt, sondern erklärt sich durch die Bauweise der Tragegestelle. Mit einem Hinweis auf ein Museum in St. Andreasberg, in dem man lebende Kanarienvogel bewundern und sich über ihre Geschichte informieren kann, schließt dieses Nachwort ab.

Überraschend spannend und einfallsreich erzählt Dieter Böge die Geschichte der Kanarienvögel und ihre Bedeutung als Lebensretter, Zuchtvogel und Handelsgut. Den besonderen Reiz machen aber nicht nur die Details der Geschichte aus, wunderschöne erzählende Illustrationen begleiten den Text und sind mehr als nur eine Ergänzung. Da sieht man Landschaften des Harzes und der Reisegebiete, die tiefen Schichten des Bergbaus, eine Lokomotive und einen Ozeanriesen, ein Vielzahl von Tieren an Bord, in der Luft und unter Wasser. Auch der Vogelhändler bekommt ein sympathisches Gesicht, ist er doch - aus eigenem Interesse - sehr um das Wohlergehen seiner Vögel bestrebt.

Am Schönsten aber ist die Art und Weise, wie es Elsa Klever gelingt den Gesang der Kanarienvögel wiederzugeben. In großen „Sprechblasen“ sind die Details der Umgebung versammelt. Wo zuerst Bäume, Berge, Kinder, Dorfkirchen, Kohlewagen usw. aufgereiht sind, stellt sich der Gesang am Ende der Reise anders zusammen. Zwar findet man auch jetzt noch die vertrauten Motive des Heimatortes, aber zusätzlich tauchen nun Möwen, Fische, Schiffe, eine Lokomotive usw. in den gemalten Melodien auf. Auf der letzten Doppelseite sieht man die Darstellung solch eines großartigen Erzählgesanges, mit dem „Joe“ seinen neuen Mitbewohner begrüßt. Und hier endet die Geschichte um Vogel „189“ mit der Frage des Mädchens: “Und wie möchtest du heißen?“

Im sachlicheren Nachwort werden Böges Texte durch weitere, kleinformatige Abbildungen ergänzt. Das Buch schließt mit einer Doppelseite, auf der 189 Kanarienvögel abgebildet sind; jeder Vogel ist anders, jeder ein einzigartiges Lebewesen.
Größer als DIN A4 sind die Seiten des Buches, häufig gehen Klevers Illustrationen über eine Doppelseite. Vorsatz- und Nachsatzblätter zeigen eine Landkarte mit der Reiseroute der Vögel, auch diese Seiten sind kunstvoll gestaltet. Das wunderschöne Titelbild mit dem leuchtendgelben Kanarienvogel im Mittelpunkt ist ein wahrer Blickfänger.

So spannend und schön kann ein Buch sein, das aus ungewohnter Perspektive dem Leser ein Stück Geschichte näher bringt. Kinder ab etwa fünf Jahren werden die Erzählung verstehen können, sich aber auf jeden Fall für die Bilder begeistern. Mit Erwachsenen werden sie sich gerne über die Erlebnisse von „189“ austauschen. Für Grundschulkinder, die selbst lesen können, aber auch noch für ältere Kinder ist das Buch eine fesselnde Lektüre, die auch im Sachunterricht eingesetzt werden kann. Menschen, die sich für Vögel, Geschichte und/oder den Harz interessieren, werden sich – unabhängig vom Alter – für dieses Buch begeistern können.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von htd; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 02.01.2021

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