ZWEIundDIESELBE
- Autor*in
- Pearson, Mary E.
- ISBN
- 978-3-596-85337-3
- Übersetzer*in
- Jung, GeraldOrgaß, Katharina
- Ori. Sprache
- Amerikanisches Engli
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 333
- Verlag
- FISCHER Schatzinsel
- Gattung
- –
- Ort
- Frankfurt
- Jahr
- 2009
- Lesealter
- 12-13 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 14,95 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Jenna wacht nach einem Jahr im Koma auf und entdeckt Schritt für Schritt das Leben neu. Aber nicht nur das Leben, sondern auch, dass sie nicht dieselbe ist wie zuvor. Nach und nach kommt sie der Veränderung auf die Spur: sie ist eine technische Innovation geworden. Aus den Trümmern ihres Unfallwagens geborgen, hatte sie keine Überlebenschance. Ihr Vater nutzte das “Restmaterial”, um daraus eine neue alte Tochter zu regenerieren. Das birgt etliche Konflikte in sich.
Beurteilungstext
Mary Pearson greift eine Idee des Science-Fiction-Pioniers Stanislaw Lem auf: Mit welchem Bewusstsein wächst ein Retortenmensch auf, der die Kopie eines Vorgängers sein soll? Die technische Idee ist gar nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick erscheint: Jennas Vater ist der Erfinder eines mit Mikrochips gespickten Gels, das die Nerven- und Zellinformationen des sie umgebenden natürlichen Materials aufnimmt und entsprechend kopiert und weiter entwickelt. So entsteht aus wenig vorhandenem Material - verkürzt beschrieben - eine Kopie, das sich zu einem neuen Menschen formen kann. Da von Jenna auch das Hirn teilweise gerettet und ansonsten ergänzt werden konnte, sind Teile ihres Gedächtnisses und ihrer Eigenarten, subsummiert unter “Charakter”, erhalten geblieben und ergänzt worden.
Diese gruseligen Gedankengänge des Konstrukts verfolgt die Autorin konsequent. Jenna ist in ihrer neuen Form bedeutend intelligenter als in ihrer alten, so erkennt sie, dass sie in ihrem früheren Leben praktisch nicht in der Lage war, eigene Ideen zu entwickeln, immer waren die Eltern mit ihren Wünschen und Vorstellungen schneller als sie. Die Tochter wurde durch die Liebe ihrer Eltern nahezu erdrückt. Diese abgründige Liebe beflügelte sie, die von ihnen entwickelte neue Technik in bislang ungekannter Form anzuwenden, um sich ihre Tochter zu erhalten. Bestimmten sie früher den Weg, den sie in ihrem Leben zu gehen hatte, ist das jetzt programmierbar geworden. Sie haben Jenna Reaktionen einprogrammiert, die verhindern sollen, dass sie Unkontrolliertes unternimmt. Aber sie haben nicht mit der neuen Intelligenz Jennas gerechnet und damit, dass sie derartige Entwicklungen erkennen und die Steuerung selbst übernehmen kann.
Jenna ist also ein untrennbares Mischmasch aus Homunkulus und dem Bewusstsein eines jungen und selbständigen Menschen geworden.
Dass die Handlung erst in einer nahen Zukunft spielt, wird dem Leser erst ungefähr in der Mitte des Buches klar - er folgt der wachsenden Erkenntnis der Ich-Erzählerin unmittelbar. Dass der Epilog dann nochmals 260 Jahre später spielt, ist eher überflüssig - er beantwortet damit Fragen, die sich der Leser auch selbst geben könnte.
Spannend aber wird die Erzählung durch das detektivische Annähern an die Wahrheit, anfangs der Versuch, sich selbst zu erkennen, das Unglück, den Unfallhergang verstehen zu wollen, dann zu erkennen, dass unsichtbare Barrieren um Jenna herum aufgebaut wurden. Schritt für Schritt umgeht sie diese Barrieren, erkennt der Leser die Konstruktion. Am schwierigsten ist die Wort- und Begriffsfindung, immer wieder stößt Jenna auf Unbekanntes oder Unklares. Sie schlägt nach und der Leser folgt ihr auch hier gespannt: Jedes Kapitel hat das zentrale Wort dieses Abschnitts als Titel.
Einiges bleibt bis zum Schluss unklar, da muss der Leser seine Antworten selber suchen - und da diese Suche bis zum Ende beibehalten wird, die Konsequenzen immer weitere Folgen nach sich ziehen, bleibt die Spannung erhalten und die grundsätzliche Frage: Wie weit dürfen wir mit der Genforschung gehen, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten? Was macht den Menschen eigentlich aus?
Schon alleine wegen dieser Fragen - die auch innerhalb des Romans angesprochen werden - handelt es sich hier um ein lesenswertes Buch.