Wollen wir tauschen?

Autor*in
Ladwig, Sandra
ISBN
978-3-95854-094-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Tust, Dorothea
Seitenanzahl
32
Verlag
Mixtvision
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
München
Jahr
2019
Lesealter
6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Eine liebevolle Geschichte von zwei Kindern, die nicht nur alles miteinander teilen, sondern insbesondere tauschen. Damit inspirieren sie auf spielerische Weise zum Nachdenken über einzigartige Identität und tiefe Beziehung.

Beurteilungstext

Worin drückt sich eigentlich eine gelungene Beziehung aus und welche Rolle spielt dabei die je spezifische Identität der beiden Personen? Diese Frage stellt sich implizit beim Durchblättern des farbenfrohen Bilderbuchs von Sandra Ladwig und Dorothea Tust, die die Geschichte zweier Kinder erzählt, die (fast) alles miteinander tauschen.
Ein Junge und ein Mädchen füllen die Mitte des Covers und stecken ihre Köpfe so eng zusammen, dass ihre Haare zu einem großen, gleichfarbigen Büschel verschmelzen. Ihre filigranen Gesichter ähneln sich stark, sodass man fast vermuten könnte, es handle sich hier um Zwillinge.
Dieses Bild erweckt beim Betrachten den unmittelbaren Eindruck einer innigen, unzertrennlichen Beziehung, die sich u.a. durch eine starke mentale Nähe zu kennzeichnen scheint. Während der Mund des Mädchens ein feines Lächeln widerspiegelt, ist der des Jungen leicht geöffnet. Doch beide bewegt in einer doppelten Sprechblase, gedanklich vereint wie ihre Köpfe, dieselbe Frage: „Wollen wir tauschen?“. Die verbale Ebene wird durch deutliche Gesten unterstützt, die unmissverständlich den Akt eines spannenden Tauschgeschehens skizzieren. Eingerahmt wird die Szene durch ein unsortiertes Gewimmel bunter Spielsachen, die sich leicht der geschäftigen Tauschaktivität der Kinder zuordnen lassen. Damit beschreibt die Autorin eine sehr typische kindliche Tätigkeitsform, die alle Freiräume des Aushandelns, das stark mit Emotionen von Sympathie und Antipathie verknüpft ist, eröffnet.
Die Grafiken des Klappentextes, die sowohl zwei Kuscheltiere, aber auch die beiden Protagonist*innen in enger, freundschaftlicher Umarmung zeigen, kreieren mit einem sanften Aquarellduktus eine Zartheit, die sich zugleich symbolisch auf Beziehungsebene abbildet. So verwundert es auch nicht, dass beide Kinder, Tona und Pauli, der Leser*in als „beste Freunde“ vorgestellt werden. Fast wie ein Spiegelbild schauen sie hinter einer Leinwand hervor, auf der eine strahlende Sonne nochmals die unmissverständliche Beziehungskonstellation grafisch unterstreicht. Wir haben es hier folglich mit einer Intermedialität von Bild und Text zu tun, deren Bild-Text-Parallelität sich als durchgängiges Gestaltungselement des Buches erweist. Die monoszenischen Bilder illustrieren das Geschehen auf der jeweils gegenüberliegenden Bilderbuchseite und schaffen damit die Grundlage einer inhaltlichen und ästhetischen Einheit. Die Sätze sind kurz, klar und einfach und erreichen mit ihren tiefen Botschaften das kindliche Publikum. Gleichzeitig werden aber auch sie zum symbolischen Medium des Tauschens und entfalten liebevoll ihr fröhliches Spiel mit Sprache: „Pauli mag Tona. Tona mag Pauli.“
Doch was prägt eine Beziehung eigentlich nachhaltiger? Ist es das Teilen oder das Tauschen? Diese implizite Frage, die Sandra Ladwig den Leserenden unvermittelt stellt, lädt zum stillen Nachdenken und tiefsinnigen Verweilen ein. Sie lässt die kindlichen Protagonist*innen selbst entscheiden und konstatiert: „Aber noch lieber tauschen sie.“ Tauschen impliziert den totalen Verlust eines Besitzes, aber auch die unwiderrufliche Bereicherung durch etwas Dazugewonnenes, das Perspektiven erweitern und durch neue Möglichkeiten bereichern kann.
Die nachfolgenden Seiten sind klar strukturiert, leiten den Text jeweils mit der Überschrift „Wollen wir tauschen?“ ein und bewerten den Tausch anschließend mit einer ehrlichen Bemerkung: sei es, dass es der komischste, der längste, kürzeste oder schlimmste Tausch war. Doch der schönste Tausch ist der letzte Tausch der beiden. Er ist nicht materieller Natur. Was es genau ist, lässt sich nur ahnen, bleibt aber ein Geheimnis und bietet Anlass zu allerlei Vermutungen.
Das Ende des Buches überrascht die Leser*in mit einem bislang unbemerkten Tausch: Die eigentlichen Namen der Kinder heißen Toni und Paula. Tauschen ist zwar eine zutiefst bereichernde Aktivität, die Beziehungen im Positiven formt, aber sie kann nur auf der Grundlage eines „Ja“ zur eigenen Identität wirklich gelingen. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass Tona auf die Frage von Pauli „Wollen wir zurücktauschen?“, gemeint sind hier die letzten Buchstaben ihrer Namen, mit einem „unbedingt“ antwortet.

Siglinde Spuller

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von spu; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 01.09.2019

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